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Maria: „Mediatrix“ —
oder „Mater Populi Fidelis“?

05. November 2025

1 - Liturgie

Der Ausschnitt aus einem Gmälde der Frührenaissance zeigt die klassische Schutzmantelmadonno, die ihren weiten Mantel über das ganze Volk Gottes, Kleriker wie Laien, vom Papst zum Bettelmönch und vom König zum Bauersmann, ausbreitet.

Heilige Mutter Gottes, bitte für uns alle

Nicht, daß wir uns in der Nachbarschaft von Präfekt Fernandez besonders wohl fühlen würden – aber der teilweise sehr heftigen Kritik an der von ihm gestern ver­kün­deten Entscheidung des Glaubensdika­ste­riums zur „Unangemessenheit“ der Anrede Mari­ens als Miterlöserin, wollen wir uns so nicht anschlie­ßen. (Hier das Dokument). Der Titel, der im 20. Jahrhundert auch von den Päpsten Pius XII. und Johannes-Paul II. gebraucht worden ist, freilich ohne dem allzuviel Gewicht beizulegen, birgt einiges an Potential zu Mißverständnissen. Seine Herkunft verweist auf eine Variante katholischer Spiritualität, in der Gefühlsausdruck höheren Stellenwert hat als die Ein­haltung des Sicherheitsabstandes zu vom Dogma vorgegebenen Leitplanken. Hier kommt es – und kam es bereits in der Vergangenheit immer wieder – zu bedenklichen Erscheinungen.

Der Einwand der Glaubenskongregation, Titulaturen wie Miterlöserin oder Mittlerin aller Gnaden seien geeignet, den grundlegenden Unterschied der Stellung des Gott­men­schen und Messias Christus und der seiner gottbegnadeten menschlichen Mutter im Erlösungswerk zu verwischen, ist jedenfalls nicht völlig von der Hand zu weisen. Zumal das Dikasterium ja nicht zuspitzt, die Formulierungen seien Ausdruck einer bereits stattgefundenen/eingetretenen Verirrung, sondern lediglich darauf abhebt, diese Titel könnten solche Mißverständnisse befördern. Man würde sich wünschen, die Glaubens­wächter wären auch hinsichtlich anderer Gegenstände zu solchen Differenzierungen bereit - und würden andererseits mit voller Entschiedenheit da einschreiten, wo nicht nur Mißverständnisse in der Luft liegen, sondern der Wille zur Irreführung unver­kenn­bar zu Tage tritt. Ein direktes „Verbot“ der genannten Anrufungen Mariens wird also soweit wir sehen nicht angesprochen - wohl aber eine deutliche Mißbilligung ihres quasi offiziellen Gebrauchs. Dabei ist das Dokument, zu dessen eingehender kritischen Würdi­gung wir uns in der Kürze der Zeit nicht in der Lage sehen, auch selbst nicht frei von vor einer gewissen Widersprüchlichkeit und Ambivalenz: Insbesondere in den theologischen Abschnitten regiert ein „Zwar-Aber“, das wenig dazu beiträgt, Mißverständlichkeiten auszuräumen.

Nun ist es eine gute Tradition der päpstlichen Bewahrer der Rechtgläubigkeit, nicht im­mer zu knallharter Verurteilung zu schreiten, wo sich eine Möglichkeit dazu bietet, son­dern da, wo es ohne Verlust an Substanz möglich ist, nach Ausgleichsformeln zu suchen. Berühmt ist das Beispiel des höchst brisanten Streites um die Art der Präsenz des Leibes Christi in der Eucharistie, der im 12. Jahrhundert zwischen den Theologen aus der Schule Wilhelms von Sankt-Thierry und Abaelards ausgetragen wurde. Damals entschied Papst Alexander III. schließlich, keine Entscheidung in der Sache selbst zu treffen, son­dern verbot es beiden Seiten, die jeweilige Gegenpartei als Häretiker zu bezeichnen. Die Grenze zwischen friedenserhaltendem Kompromiß und prinzipienloser Zweideutigkeit war damals - und ist in ähnlichen Fällen heute - nur schwer präzise auszumachen.

Die Würdigung des aktuellen Spruchs des Glaubensdikasteriums wird überdies noch dadurch erschwert, daß dieses Gremium noch zu Lebzeiten von Franziskus hinsichtlich der Anerkennung oder Nichtanerkennung übernatürlicher Phänomene eine Entschei­dung getroffen hat, die von Vielen nicht ohne Grund als Ausdruck einer anti-transzen­dentalen Grundhaltung verstanden worden ist. Das im Mai 2024 erlassene Dokument bietet für die Anerkennung solcher Phänomene eine mehrstufige Skala – die in ihrer höchsten Stufe aber nicht mehr wie bisher die Möglichkeit einr positiven Anerkennung der transzendentalen Natur einer Erscheinung bietet, sondern sich (und damit das Lehr­amt der Kirchee selbst) darauf beschränkt, auszusagen, daß kirchlicherseits in einem konkreten Fall keine Einwände gegen eine derartige Ansicht bestehen. Darin kommt eine grundsätzlich skeptischen Einstellung gegenüber der Offenheit der geschaffenen Welt gegenüber dem Einwirken des Schöpfers zum Ausdruck, und wer will, kann einen Aus­druck dieser Skepsis im offiziellen Titel und der Einleitung des neuen Dokuments wie­der­finden, die Maria als „Mater Populi Fidelis“ ansprechen und damit den nach hartem Streit gesicherten Titel der „Gottesmutter“ zu vermeiden scheinen - der dann allerdings im Text des Dokuments selbst über ein Dutzend mal im traditionellen und dogmatisch definierten Sinne gebraucht wird.

So bleibt es also bei dem in fast allen „lehramtlichen“ Dokumenten der letzten zwölf Jahre Jahre feststellbaren Befund einer gewissen Unschärfe und Ambivalenz, die in diesem Fall vielleicht weniger bedenkliche negative Konsequenzen haben wird, als bei anderen Gegenständen. Der Festigung des Vertrauens der Gläubigen in die Zuver­läs­sigkeit des Lehramtes erweist das aber auch hier keinen guten Dienst.

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Besonders lesenswerte Kommentare finden sich von Phil Lawler aus Catholic Culture, Timothy S. Flanders auf One Peter Five und Michael Haynes auf Pelican +.