Der Abschnitt zur Liturgie in der Papstpredigt zum Weihefest der Lateran-Basilika
10. November 2025
Der Lateran im 18. Jahrhundert
Am gestrigen Fest der Weihe der Lateranbasilika ist Papst Leo in seiner Predigt (hier auf Deutsch) auf das von ihm eher zurückhaltend behandelte Thema der Liturgie eingegangen. Die soweit wir sehen können sorgfältigen Formulierungen und die Tatsache, daß der relativ kurze Absatz reichhaltig mit Belegen (darunter dreimal aus Sacrosanctum Concilium) versehen ist, läßt erwarten, daß wir den diesen Ausführungen zugrunde liegenden Gedanken künftig auch in lehramtlichen Dokumenten begegnen werden. Hier der entsprechende Absatz nach der im Bulletin gegebenen deutschen Fassung:
Abschließend möchte ich einen wesentlichen Aspekt der Mission einer Kathedrale erwähnen: die Liturgie. Sie ist der „Gipfel, auf den die Tätigkeit der Kirche ausgerichtet ist und […] die Quelle, aus der all ihre Kraft fließt“ (Zweites Vatikanisches Konzil, Konstitution Sacrosanctum Concilium , 10). In ihr finden wir alle genannten Themen: Wir werden als Tempel Gottes erbaut, als seine Wohnstätte im Heiligen Geist, und wir empfangen die Kraft, Christus in der Welt zu verkünden (vgl. ebd . , 2). Die Gestaltung des Gottesdienstes am Ort des Stuhls Petri muss daher so beschaffen sein, daß er dem gesamten Volk Gottes als Vorbild dienen kann. Dabei sind die Normen zu achten, die unterschiedlichen Empfindungen der Teilnehmenden zu berücksichtigen, gemäß dem Prinzip einer weisen Inkulturation (vgl. ebd. 37–38) und zugleich jenem für die römische Tradition typischen Stil feierlicher Strenge treu zu bleiben, der den Seelen der aktiven Teilnehmenden so viel Gutes bringen kann ( ebd . 14). Es ist alles darauf zu achten, daß die schlichte Schönheit der Riten hier den Wert des Gottesdienstes für das harmonische Wachstum des gesamten Leibes des Herrn zum Ausdruck bringt. Der heilige Augustinus sagte: „Schönheit ist nichts anderes als Liebe, und Liebe ist Leben“ ( Diskurs 365 , 1). Die Liturgie ist ein Bereich, in dem diese Wahrheit in besonderem Maße verwirklicht wird. Und ich hoffe, daß jeder, der sich dem Altar der Kathedrale von Rom nähert, von dort mit der Gnade erfüllt sein möge, mit der der Herr die Welt überschwemmen möchte (vgl. Ez 47,1-2.8-9.12).
Bei der näheren Betrachtung eines so kurzen Textes – in die man auch den gesamten Kontext der Predigt einbeziehen muß – sollte man sich vor allzu weitreichenden Schlußfolgerungen hüten. Aber es fällt doch auf, daß sowohl im liturgischen Abschnitt als in der ganzen Behandlung des Festgedankens ein unseres Erachtens zentraler Aspekt nicht vorkommt: Das Kirchengebäude ist nicht irgendein gottesdienstlicher Ort, es ist auch nicht primär der von den versammelten Gläubigen als „lebendige Steine“ gebildete Tempel der Gottesverehrung, sondern es ist der wahrhafte Tempel, in dem das immerwährende Opfer des Erlösers gegenwärtig gesetzt wird. Dieses Mysterium, dieses Sacramentum findet In der Liturgie und durch die Liturgie seinen dem Menschen zugewandten zeichenhaften Ausdruck – dem zu entsprechen ist die höchste und wahrhaftige Aufgabe der Liturgie.
Doch genau dieser zentrale Aspekt kommt in dem „liturgischen Abschnitt“ der Predigt kaum zum Ausdruck – sie befasst sich eher mit sekundären Aspekten: Der Achtung der von der Kirche gesetzten Normen, der „Berücksichtigung der unterschiedlichen Empfindungen der Teilnehmer, dem „Stil feierlicher Strenge“, der nach Rückgriff auf Absatz 14 von Sanctum Concilium „den Seelen der aktiven Teilnehmenden so viel Gutes bringen kann“.
Als ob nicht der Blick in zwei von drei Sonntagsmessen weltweit auf grauenerregende Weise demonstrieren könnte, was aus diesem behaupteten Stil feierlicher Strenge seit der Formulierung von SC geworden ist. Als ob nicht das hier zentral herausgestellte Konzept der „Inkulturation“ geradezu notwendiger Weise in Gegensatz zu jeder römischen Tradition geraten müßte. Als ob nicht jede Statistik des Gottesdienstbesuches in den einstigen Kernlanden der Kirche Beleg dafür wäre, wie sehr die Zahl der „lebendigen Steine“ abgenommen hat – und wie gering ihre Bereitschaft ist, sich zum „geistlichen Tempel“ zu bilden und des versprochenen Guten teilhaftig zu werden.
Wie schon eingeräumt: Man sollte die Interpretation eines so kurzen Predigtabschnitts nicht überlasten. Aber die Art, mit der hier die Schlagworte des aktuellen liturgischen Diskurses aufgereiht sind, während die Sache, um die es bei der Liturgie und ihrer rechten Ordnung eigentlich geht, keine Erwähnung findet – das kann unsere Erwartungen hinsichtlich künftiger lehramtlicher Aussagen zum Thema nicht wirklich beflügeln.
*