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10 Jahre Anglikanische Ordinariate

15. Januar 2024

1 Liturgiereform

Blick auf den Altar mit dem Bischof im Hintergrund

Hochamt im Anglican Use Toronto 2019

Am 15. Januar 2011 errichtete Papst Benedikt XVI. die gegenwärtig drei Personalordinariate für Gläubige und Priester aus der anglikanischen Tradition: Das Ordinariat ULF von Walsingham für England, Wales und (in der Praxis auch für) Schottland. Das Ordinariat des Stuhles Petri für Nordamerika und das Ordinariat des Kreuz des Südens für Australien und Ozeanien. Kirchenrechtliche Grundlage dieser Ordinariate ist die zwei Jahre zuvor erlassene Konstitution Anglicanorum Coetibus, die es rechtgläubigen Angehörigen, insbesondere auch ganzen Gemeinden, von Gemeinschaften aus der anglikanischen Tradition ermöglicht, bei einer Rückkehr zur katholischen Kirche wertvolle Elemente ihrer liturgischen und organisatorischen Tradition beizubehalten. Inzwischen sind diese Ordinariate einigermaßen solide etabliert und werden wohl auf Dauer einen Bestandteil der katholischen Kirche im angelsächsischen Raum bilden.

Da es in Deutschland wie in den anderen kontinentaleuropäischen Ländern an den Voraussetzungen zur Bildung vergleichbarer Strukturen fehlt, haben diese Ordinariate hierzulande bislang nur wenig Aufmerksamkeit gefunden. Das kann man durchaus als Versäumnis betrachten.

Anglicanorum Coetibus und seine Anwendung bei der Errichtung der Ordinariate sind wichtige Elemente des Traditionsverständnisses von Papst Benedikt. Dieses Verständnis zeichnet sich zum einen durch die eher theologische Einsicht aus, daß Liturgie nicht etwas von Menschen aus eigener Vollmacht und Erkenntnis „Gemachtes“ ist, sondern etwas unter dem Wirken des Geistes in vielen Jahrhunderten „organisch Gewachsenes“. Dem entspricht auf der pastoralen Ebene die Einsicht, daß die Liturgie und andere Frömmigkeitsformen zur Lebenswelt der Gläubigen gehören und ihnen so einen Raum bieten, der ihnen vertraut ist und in dem sie sich beheimatet fühlen. Diese pastorale Grundeinsicht vernachlässigt zu haben ist vielleicht mehr noch als die eine oder andere theologische Fehlleistung der Bugnini-Truppe der hervorstechende Mangel der Liturgiereform von 1969 und Hauptgrund ihres Scheiterns: In ihrem Modernisierungstaumel und mit ihrem brachialen Vorgehen haben die Reformer – Papst Paul VI. Eingeschlossen - die Mehrheit der katholischen Gläubigen aus ihrer spirituellen Heimat vertrieben und es ihnen erschwert oder vollends unmöglich gemacht, an dem anzuknüpfen, was bis dahin im Zentrum ihres geistigen Lebens stand. Das (in sich schon einigermaßen kümmerliche) Bild, das sich die Reformer von den „Anforderungen des heutigen Menschen“ gemacht hatten, entsprach in gar keiner Weise der Lebenswirklichkeit und dem Selbstverständnis der realen Menschen.

Dadurch, daß AC und die Ordinariate es ermöglichten, vieles aus der anglikanischen Tradition, das nicht im Widerspruch zur Rechtgläubigkeit stand, beizubehalten, wurde diese Gefahr vermieden. Die hier wirkenden psychologischen Mechanismen werden übrigens auch zu berücksichtigen sein, wenn die Kirche eines Tages zu ihrer angestammten Liturgie und Spiritualität zurückfindet.

Eine zweite über den angelsächsischen Bereich hinausweisende Errungenschaft der Ordinariate ist das in einem langwierigen und durchaus nicht nur harmonisch verlaufenden Prozess erarbeitete Missale. Es ist einerseits mit einer großen Flexibilität gestaltet: Es ermöglicht eine Messfeier sowohl in der stark an den Novus Ordo angelehnten Form, die sich in den letzten Jahrzehnten in vielen anglikanischen Gemeinden eingebürgert hatte, als auch in traditionellen Formen der „high church“, die in vielem dem Römischen Missale nach Trient entsprechen. Andererseits vermeidet es jedoch die sinnentleerte Optionitis des Missales Pauls VI. die vielfach allein von dem Bestreben der Abwechslung um der Abwechslung willen geprägt erscheint – und von der Absicht, traditionelle Lehr- und Glaubensinhalte in den Hintergrund zu schieben. Der Versuch, möglichst allen zur Kirche zurückfindenden anglikanischen Gläubigen eine vertraute Heimat zu bieten, ist unverkennbar, und nach allem, was zu hören ist, ist er weitgehend geglückt.

Gut, unter den gegenwärtigen Bedingungen in Rom und in Deutschland ist es müßig, darüber zu sinnieren, wie eines Tages ein gemeinsames Missale für die wenigen verbliebenen rechtgläubigen Oasen in der Novus-Ordo-Wüste und den „kleinen Rest“ der Traditionstreuen aussehen könnte. Aber wenn es einmal dazu kommt, wird man dem Buch „Divine Worship – The Missal“ hilfreiche Anregungen entnehmen können. Zumal es ja auch dann dabei bleiben wird: Der Gebrauch des Missales „nach Trient“ wird nie grundsätzlich verboten werden können.

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Hochamt im „Anglican Use“ aus Anlaß des 10-jährigen Jubiläums von Anglicanorum Coetibus in Toronto 2019. Ordinarius Bischof Lopez „in choro“ am linken Bildrand. Der Screenshot zeigt das Sündenbekenntnis (Apologie) der Zelebranten zu Beginn des Offertoriums. Es entspricht in etwa dem „Suscipe sancte Pater“ des römischen Ritus, ist aber im anglikanischen Brauch wie in vielen anderen mittelalterlichen usus weitaus feierlicher und ausführlicher ausgestaltet als in Rom.
Das Hochamt ist in ganzer Länge auf Youtube anzusehen Die Website der Anglicanorum Coetibus Society bringt auch Links zu den anderen Liturgien der Liturgischen Konferenz von 2019 in Ottawa.

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