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Zur Leseordnung am 3. Fastensonntag

04. März 2024

Kommentar und Kategorisierung

Die Bibelillustration von Gustave Doré zeigt die Szene des Evangeliums, in der Christus den stummen Dämon austreibt.

Gustave Doré: Christus treibt den stummen Dämon aus.

Der dritte Fastensonntag bietet in seiner Auswahl der Lesungen ein sprechendes Beispiel dafür, wie die von den Reformern des Consiliums am Schreibtisch ausgedachte „Neue Ordnung“ der Liturgie das selbstgesetzte Ziel, eine dem „modernen Menschen“ zugängliche Form des Gottesdienstes zu erreichen, verfehlt und seine Erreichung erher erschwert als begünstigt hat. Nach der überlieferten Ordnung ist der 3. Fastensonntag ganz auf das Ziel hingeordnet, die Gläubigen zur Erkenntnis dessen zu befähigen, was Sünde ist und welchen Schaden sie in der Seele des Menschen anrichet.

Die Epistel bringt das auf überaus plastische Weise in einer Passage aus dem Brief an die Epheser zum Ausdruck, die die Hauptsünden der damaligen wie der heutigen Lebenspraxis anspricht: Unzucht, Unreinheit („immunditia“, meint hier im Anschluss an das jüdische Gesetz alle Formen von Gesetz- und Regellosigkeit) und Habsucht. Ergänzend nennt der Apostel dann noch „Schamlosigkeit, törichtes Gerede und Possen, die sich nicht schicken“ – womit er auch den Politik-, Medien- und Internetbetrieb der Gegenwart treffend charakterisiert hat. Zu den ersten drei Hauptpunkten merkt er noch an, daß diese unter den frommen Empfängern seines Briefes noch nicht einmal genannt werden sollen. Womit er wohl nicht nur seinen Abscheu vor diesen Verfehlungen unterstreicht, sondern auch seine Erwartung ausdrückt, daß derlei in der Christengemeinde gar nicht erst vorkommen soll.

Die Leseordnung des Novus Ordo greift dieses „nicht genannt sollen sie sein“ in der Weise auf, daß die ganze Passage aus dem Epheserbrief nicht genannt oder gelesen wird. Nicht nur im aktuellen Lesejahr B nicht, sondern auch nicht in den beiden anderen Lesejahren, mit denen doch „der Tisch des Wortes reichhaltiger gedeckt“ werden sollte. Auch anderswo im ganzen Jahr sucht man diese Perikope vergebens. So plastisch und nachdrücklich, wie der Apostel hier seine Mahnung zum Meiden der Sünde vorträgt, will man es anscheinend doch lieber nicht haben. Die gleiche Furchtsamkeit gegenüber Lebensnähe zeigt sich am 3. Fastensonntag übrigens auch hinsichtlich der Auswahl des Evangeliumstextes. Wo die alte Ordnung das überaus eindrückliche und seit den Zeiten der Kirchenväter in vielen Predigten erläuterte Gleichnis von dem ausgetriebenen Dämonen vorträgt, der schließlich mit sieben weiteren Spießgesellen in seine frühere Wohnung zurückkehrt (Lukas 11, 14–28), bringt die neue Leseordnung an diesem Sonntag im Evangelieum Abschnitte aus dem Bericht über den seiner Passion vorausgehenden Zug Jesu nach Jerusalem – ähnlich wie sie anstelle der Perikope aus dem Epheserbrief als Epistel Abschnitte aus dem Bericht des Buches Exodus über Moses’ Empfang der 10 Gebote auf dem Sinai bringt.

Damit folgt sie der stark didaktisch ausgerichteten Grundstruktur der Reformliturgie, die das, was die Kirche in der Katechese versäumt hat, nach gut protestantischem Vorbild im Gottesdienst nachzuholen versucht, indem sie größere Abschnitte aus der hl. Schrift in Art einer lectio continua vortragen läßt. Das war schon zur Zeit der Liturgiereform in den 60er Jahren problematisch, als noch an die 50% der deutschen Katholiken einen Sonntagsgottesdienst besuchten und überdies aus dem damaligen Religionsunterricht passables Grundwissen mitbrachten. Heute, wo der Anteil der Gottesdienstteilnehmer bei eher 5% liegt und davon die wenigsten an jedem Sonntag zur Messe kommen, ist dieser didaktische Ansatz völlig dysfunktional geworden.

Die alte Leseordnung zeigt demgegenüber an diesem 3. Fastensonntag (und an vielen anderen Sonntagen auch), daß sie nicht einfach belehren will, sondern daß sie von dem missionarischen Interesse geleitet ist, die Menschen auch auf der Gefühlsebene zu erreichen, ihnen ein Bewußtsein ihrer Sündhaftigkeit und der daraus hervorgehenden Erlösungsbedürftigkeit zu vermitteln und – schließlich ist Fastenzeit – ihnen zu verdeutlichen, daß es auch eigener Anstrengung bedarf, den von Christus vorgebahnten Weg zur Erlösung zu beschreiten.

Das alles mag von der Leseordnung des Novus Ordo nicht bestritten werden – aber es wird auch nicht sinnfällig dargeboten und in irgendeiner Weise „den Bedürfnissen des modernen Menschen“ angepasst – es sei denn man verstehe darunter das bei vielen modernen Menschen stark ausgebildete Bedürfnis, sich selbst bereits als mehr oder weniger vollkommen zu betrachten und keiner Bekehrung, keiner Richtungsänderung zu bedürfen. Aber dem zu schmeicheln kann nun wirklich nicht Aufgabe der von Christus begründeten Kirche sein.

Vor diesem Hintergrund wird es immer unbegreiflicher, warum die Führungsetage der Kirche so verbissen darauf besteht, den vom „Consilium“ der 60er Jahre auf der Grundlage überholter Vorstellungen und Erkenntnisse konstruierten Novus Ordo zum „alleinigen Ausdruck“ der katholischen Lehre zu erklären und von da her dessen Alleingeltungsanspruch bis auf die Gefahr einer Kirchenspaltung hin zu verteidigen und durchzusetzen. Und das, obwohl die Entwicklung der bald 60 Jahre seit seiner Einführung buchstäblich alle mit dieser Neuerung verbundenen Erwartungen und Vorhersagen unerfüllt gelassen hat. Und das, obwohl die gewaltsame Unterdrückung der 1500 Jahre alten Ordnung nicht nur die Statistiken verdorben, sondern bei vielen Menschen auch großes Leid und schmerzhafte Wunden in den Seelen verursacht hat.

Um diese Haltung der kirchlichen Obrigkeit auch nur ansatzweise zu verstehen, muß man wohl noch einmal aufmerksam das von dern Reformen vom 3. Fastensontag auf einen Wochentag verschobene Evangelium von den aus ihrer früheren Wohnung vertriebenen Dämonen lesen. Viele von der Sorte streifen heimatlos und beutegierig durch die Welt, und der große Kehraus des Konzils der 60er Jahre des doch längst Vergangenheit gewordenen 20. Jahrhunderts scheint ihnen viele einladende Wohnungen bereitet zu haben.

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