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Samstag in der 3. Fastenwoche:
Christus und die Ehebrecherin

09. März 2024

2 - Theologie

Das Bild von P. Breuegel dem Älteren zeigt die im Buch Daniel beschriebene Szene.

Pieter Brueghel der Ältere, Die Ehebrecherin

Der Samstag der 3. Fastenwoche hat, sieht man einmal von der Passionsgeschichte ab, die längste Lesung im ganzen römischen Missale – zumindest in den Ausgaben vor der Liturgiereform. Gelesen werden die 61 ersten Verse aus Daniel 13 mit der nachgerade novellenartig erzählten Geschichte von „Susanna im Bade“. Zu der wir uns bereits im letzten Jahr ausführlicher geäußert hatten (Link). In diesem Jahr wollen wir den Blick auch auf das Evangelium mit der Perikope von Christus und der Ehebrecherin (Joh. 7, 53 – 8, 11) richten und vor allem dem Zusammenhang zwischen diesen beiden Lesungen nachspüren.

In beiden ist von Ehebruch die Rede – das kann dazu verleiten, bei der Interpretation vorschnell auf das Gebiet der Ehe- und Sexualmoral zu geraten. Doch damit kann man das, worum es hier wirklich geht, leicht verfehlen. Es geht zuallererst um Schuld und Gerechtigkeit, Bestrafung und Vergebung.

„Susanne im Bade“ ist eine Erzählung von der verfolgten Unschuld, die durch Gottes Gnade und wunderbares Eingreifen vor der Steinigung, die die Verleumder ihr zugedacht haben, bewahrt wird, während die Lügenbolde selbst dem Zorn Gottes und der mörderischen Wut der getäuschten Gemeinde verfallen. Das ist alles ganz gradlinig gedacht: Weil Susanna unschuldig ist, muß sie durch Gottes Gerechtigkeit vor der Bestrafung, die ja in Wirklichkeit ein Mord wäre, bewahrt werden. Und weil die Gemeindeältesten der vollendeten Lüge und Verleumdung und des versuchten Mordes schuldig sind, müssen sie die gerechte Strafe erleiden: Nach der Sitte des Landes und dem Gesetz des Mose den Tod.

Der Bericht über die Ehebrecherin erzählt von einer schuldig gewordenen Frau, die von Christus vor der eigentlich verwirkten Strafe bewahrt wird. In vielem erscheint diese Erzählung wie ein Dementi oder zumindest eine Korrektur dessen, was die Susanna-Erzählung auszusagen scheint. An der Schuld der Ehebrecherin besteht offenbar kein Zweifel – wohl aber an den Motiven derer, die sie zu Jesus führen: Sie wollen ihn zu einer Aussage gegen das Gesetz Moses’ verleiten. Man fragt sich, ob es einen konkreten Grund, einen speziellen Vorgang gibt, auf den sich diese Erwartung stützt. Das Evangelium sagt nichts darüber, aber auch aus anderen Berichten ist zu ersehen, daß Jesus nichts vom bei den damaligen Juden – zumindest soweit sie unter dem Einfluß der Pharisäer standen - üblichen „kurzem Prozess“ hält, sondern dem Übeltäter die Chance geben will, sich zu bessern und dadurch von der Strafe verschont zu werden. „Gott will nicht den Tod des Sünders, sondern daß er sich bekehre und lebe.“ (Ezechiel 18, 23.)

Vor allem aber will er nicht, daß Selbstgerechtigkeit und niedrige Antriebe wie Sensationslust und Rudelhysterie dazu führen, ein Urteil auszusprechen und zu vollstrecken, wo doch jeder in der Menge genug Grund hätte, eigener Verfehlungen zu gedenken, statt sich zum Richter aufzuschwingen. Eben darauf verweist er sie mit den Worten „Wer unter Euch ohne Schuld ist, der werfe den ersten Stein.“ Und es spricht für die dadurch wieder in Individuen zurückverwandelten Mitglieder dieser Menge, daß sie tatsächlich in sich gehen und von ihrem Vorhaben ablassen: Plötzlich hat keiner mehr den Mut, zu Verurteilung und damit gleichbedeutend zur Hinrichtung zu schreiten.

Und dann kommt eine überraschende Wendung, die zumindest ahnen läßt, wie tief der Bruch mit den altüberkommenen Vorstellungen von Recht und Gerechtigkeit ist, den Jesus seiner Umgebung hier zumutet: Wenn von deinen Anklägern keiner sich im Stande sieht, dir das Urteil zu sprechen und zu vollstrecken, dann will auch ich dich nicht verurteilen. Das volle Gewicht dieses Satzes erschließt sich erst dann, wenn man bedenkt, daß Jesus genau von dem Vorwurf, mit dem er die Menge von der Steinigung abgebracht hat, nicht betroffen ist: er ist frei von jeder Sünde und allen niedrigen Motiven. Schon von daher liegt alle Gerichtsbarkeit zu Recht in seinen Händen. Und so kommt er zwar nicht zu einem Freispruch – aber doch zu einer Entlassung auf Bewährung „Geh hin und sündige hinfort nicht mehr!“ Nicht, daß Christus damit Ezechiel gegen Moses stellen wollte. Aber die Zusammenstellung der Perikopen macht wohl darauf aufmerksam, daß man den Einen nicht ohne den Anderen lesen sollte.

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