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Im Zentrum der Bittage vor Christi Himmelfahrt:
Die Allerheiligenlitanei

7. Mai 2024

Kommentar und Kategorisierung

Die Ikone zeigt Christus im Kreis all seiner Heiligen. Über der zerntralen Darstellung Christi sind ähnlich wie beim „Gnadenstuhl“ der westlichen Tradition der hl. Geist und Gottvater eingezeichnet. Christus ist hier jedoch nicht wie im Westen als Erlöser am Kreuz, sondern als Pantokrator dargestellt.

Die Litanei zu allen Heiligen ist zentraler Bestandteil der Prozessionen zu den Bittagen

Die ersten drei Tage der Woche vor Chrisi Himmelfahrt werden seit alters her als besondere „Bittage“ began­gen. Diese Litaniæ minores haben nichts mit der vorchrist­lichen Flurprozession der Ambarvalien zu tun, die in der römischen Kirche einen Nachfolger in der Großen Bitt­prozession vom 25. April gefunden haben. Sie stammen vielmehr aus dem Gallien der Völkerwanderungszeit, wo sie erstmals in einer Anordnung des Bischofs von Vienne, Mamertus, aus dem Jahr 469/470 erwähnt sind – dort als mit Prozessionen verbundene Bitt- und Bußtage wegen Erdbeben und Missernten. Die Synode von Orléans machte sie 511 für alle Kirchen Galliens verpflichtend. Erst dreihundert Jahre später wurden die Bitttage von Papst Leo III. auch in Rom und den gesamten Bereich der römischen Liturgie eingeführt – allerdings zunächst wohl ohne das in Gallien damit verbundene Fastengebot. In Rom hatte man bis in die dunkelsten Zeiten der Barbareneinfälle daran festgehalten, die ganze Osterzeit im Geist der Auferstehungsfreude zu begehen; die alten Konzilien hatten (im Rückgriff auf Luk. 5, 34) während des Osterfestkreises jegliches Fasten sogar strikt verboten. Mehr zur Geschichte des Festes hier.

Im Mittelpunkt der Feier der Bittage steht traditionell die Bittprozession und in deren Zentrum wiederum der Gesang der Allerheiligenlitanei. Sie wurde an diesen Tage nicht in der verkürzten Form gesungen, die traditionell im Rahmen von Weihezeremonien verwandt wird, sondern in der Vollform – mit unter anderem allen zwölf Aposteln. Der Hauptunterschied zwischen der traditionellen Vollform und der Kurzfassung, die im wesentlichen auch die Grundlage der Fassung des Gotteslobes bildet, liegt allerdings weniger in der Auswahl der Heiligen. Hier gab es auch in der Tradition stets zeitliche und lokale Varianten, und selbstverständlich berücksichtigten die Orden ihre Gründer oder Ordensheilige in ganz besonderem Umfang. Auffälliger ist der Unterschied bei den Fürbitten, die in der traditionellen Form wesentlich „realistischer“ erscheinen als in den modernen.

Realistischer – das heißt, näher am konkreten Leben der Menschen und schonungslos in der Betrachtung ihrer Abhängigkeit, ihrer Fehlbarkeit und Gefährdung. Die alte Form enthält hier einen ganzen Katalog, der anscheinend dem „modernen Menschen“ in dieser Form nicht mehr zugemutet werden soll. Im ersten Abschnitt (ab omni malo, libera nos Domine) spricht sie vom „Zorn Gottes“ und warnt vor einem „plötzlichen und unvor­her­gesehenen Tode“, und benennt dann noch den „Geist der Unzucht“, „Blitz und Unwetter“, die „Geißel des Erdbebens“, sowie „Pest, Hunger und Krieg“. Wo die Tradition um Barm­her­zigkeit „Am Tage des Gerichtes“ fleht, bittet die moderne Fassung um Befreiung „durch Deine Wiederkunft in Herrlichkeit“.

Im zweiten Abschnitt (peccatores, te rogamus audi nos) wird der Unterschied noch deutlicher. Statt eher wolkiger Formulierungen wie „Erleuchte den Papst, unseren Bischof und alle Hirten der Kirche“ oder „führe Dein Volk zur Einheit“ wird ganz konkret aufgezählt, was Sache ist. Hier der ersten Teil der Liste, eingeleitet von einem „daß Du uns zu wahrer Buße führen wollest – wir Sünder bitten Dich, erhöre uns.“:

Es begint ein Zitat

Daß Du Deine heilige Kirche regieren und erhalten wollest,
Daß Du den apostolischen Oberhirten und alle Stände der Kirche in der heiligen Religion erhalten wollest,
Daß Du die Feinde der heiligen Kirche demütigen wollest,
Daß Du den christlichen Königen und Staatslenkern Frieden und wahre Eintracht schenken wollest,
Daß Du dem ganzen christlichen Volk Frieden und Einheit schenken wollest,
Daß Du alle Irrenden zur Einheit der Kirche zurückrufen und alle Ungläubigen zum Licht des Evangeliums führen wollest. (…)

Bemerkenswert dann Kontraste wie (alt:) „Daß Du unseren Geist zu den himmlischen Dingen lenken wollest“ zu (neu): „Schenke allen Menschen Anteil an den Gütern der Erde“ oder „Daß Du unserer und unserer Geschwister, Nächsten und Wohltäter Seelen der ewigen Verdammnis entreißest“ zu neu: „Bewahre die Eheleute in Treue zueinander. Hilf, dass Eltern und Kinder einander verstehen und achten.“ Hier scheint eine ganze Dimension in der Vertikalen verloren gegangen zu sein. Aber auch in der Horizontalen gibt es eine bemerkenswerte Lücke: Von den Regierenden ist nicht mehr die Rede.

Auf den zweiten Abschnitt der Fürbitten folgt dann in der Bittprozession nach über­liefer­tem Ritus als Wechselgesang Psalm 69 und anschließend ein dritter Abschnitt mit Fürbitten, der nach der entsprechenden Vorlage der Laudes bzw. der Vesper im Stunden­gebet gestaltet ist. Hier bittet die Gemeinde um die Hilfe Gottes gegen natürliche und übernatürliche Feinde, für die Oberhirten, für die Wohltäter und die Verstorbenen der Gemeinde und schließlich für die Abwesenden Mitglieder. Eine lange Oration bekräftigt abschließend noch einmal die Bußbereitschaft der Versammelten und fasst ihre Bitten zusammen, hier ein charakteristischer Absatz daraus:

Es begint ein Zitat

O Gott, durch Dich kommen die heiligen Wünsche, die richtigen Entschlüsse und die guten Taten zustande, so gib Deinen Dienern jenen Frieden, den die Welt nicht geben kann, damit unsere Herzen Deinen Geboten treu ergeben und die Zeiten, von Feindesnot befreit, unter Deinem Schutze ruhig seien.

Nach dem Ende der Prozession beginnt die hl. Messe wie die dem Stundengebet folgende Konventsmesse ohne Psalm Judica und Confiteor gleich mit dem Aufstieg zum Altar.

Die Bittage, insbesondere die Bittprozessionen, werden auch heute noch in manchen katholischen Gegenden begangen, tatsächlich scheint es in den letzten Jahren sogar teilweise zur Wiederbelebung des im 20. Jahrhundert vielfach aufgegebenen Brauches gekommen zu sein. Der Schwerpunkt liegt dabei allgemein weniger auf dem Aspekt der Buße, sondern bei den Bitten um eine gute Ernte.

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