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Die heilige Messe ist mehr als eine Vereinsversammlung

15. Januar 2025

2 - Theologie und Tradition

Im Bild ist links ein Gemälde der traditionellen Theologie dargestellt, das die Messe als kosmisches Erlösungs-Geschehen in der leidenden, der kämpfen und der triumphierenden Kirche zeigt. Rechts daneben eine Messe im Schwimmbad mit den Teilnehmern in Schwimmkleidung und dem Priester am Klapptisch.

Die hl. Messe in der Tradition und nach der modernistischen Theologie

Aus aktuellem Anlaß (zur soeben vor­gestell­ten Papst-Biographie s. etwa Rorate-Caeli oder katholisches.info) präsentieren wir heute einen Text des Benediktiners Eugéne Vandeur aus dem Jahr 1929 über das heilige Messopfer, der geeignet ist, den unwürdigen Unterstel­lun­gen und Verflachungen entgegenzuwirken, mit denen uns heute höchste Autoritäten hinsichtlich der Bedeutung von Eucharistie und Liturgie zu verwirren suchen. Der Belgier Vandeur von der Abtei Maredsous gehört zu dem älteren Zweig der Liturgischen Bewegung, die aus den politischen und sozialen Umwälzungen der Zeit um den ersten Weltkrieg die Erfahrung gewonnen hatte, daß die „Menschen der Gegenwart“ die überlieferten Formen von Pastoral und Frömmigkeit spontan immer weniger ver­stünden und daß man ihnen daher dabei helfen müsse (und auch könne), den Sinn und den Wert des überlieferten Glaubens und seiner Formen besser zu verstehen und auch unter den neuen Bedingungen der Zeit demgemäß zu leben.

Damit gerieten sie im Lauf der Zeit immer stärker ins Hintertreffen gegenüber einem neueren Zweig der Liturgischen Bewegung, der es nicht mehr für möglich und auch gar nicht mehr für wünschenswert hielt, den „modernen Menschen“ den Glauben der Väter zu erschließen, sondern dessen tonangebende Köpfe, zunächst heimlich und vielleicht sogar nur halbbewußt, daran gingen den Glauben, seine Forderungen, seine Formen und Riten so zu „erneuern“, daß er dem zur Norm erhobenen „modernen Menschen“ schmackhafter werde – auch wenn damit Substanzverluste einhergingen.

Bekanntlich hat dieser in den Modernismus abgedriftete Zweig der liturgischen Bewe­gung in den Jahren nach dem zweiten Weltkrieg die unangefochtene Diskurshoheit in der Kirche errungen und seine Vorstellungen mit der Liturgiereform Pauls VI. für die ganze Kirche verbindlich gemacht. Jeder, der nicht mit ideologischer Blindheit ge­schlagen ist, muß heute sehen, daß dieser Ansatz zumindest für die „modernen Gesellschaften“, deren Bedürfnissen er doch entsprechen sollte, katastrophal gescheitert ist. Immer weniger Menschen halten die angeblich auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene und dazu heruntertransformierte Messe Pauls V. für „relevant“ – die Zahlen der Teil­nehmer jünger als 70 Jahre gehen in den meisten Gemeinden seit Jahren unaufhaltsam zurück, und die Älteren sterben weg. Noch schlimmer sieht es beim Anlegen eines qualitativen Maßstabs aus: Nur noch eine Minderheit der Meßbesucher hat eine fundierte Vorstellung davon, was in der hl. Messe überhaupt geschieht; grundlegende Glaubenswahrheiten wie die Erlösung am Kreuz oder die reale Gegenwart Christi auf dem Altar werden nicht mehr geglaubt, kaum noch gekannt. Dennoch verteidigen die Erben der Reform trotz deren offenkundigen Scheiterns ihre Vormachtstellung unter Einsatz immer fragwürdigerer autoritärer Methoden. Wer nicht mitzieht, gilt als verstockt, als starrsinnig oder gar geistig zurückgeblieben.

Nach mehr als einem halben Jahrhundert der Ideologen-Herrschaft ist es dahin gekom­men, daß die überlieferte Lehre der Kirche nicht nur bei den brav an der Sonntagsmesse ihrer Pfarrei teilnehmenden Katholiken weitgehend verloren gegangen ist. Auch für der Tradition zuneigende Gläubige ist Vieles schwer verständlich geworden oder ganz verges­sen gegangen, was früher jedes Kind in der Vorbereitung auf die Erstkommunio­n gelernt und oft ein Leben lang bewahrt hatte. Die alten Begriffe werden in der „zeitgemäßen“ Pastoral und Publizistik seit Jahrzehnten nicht mehr verwandt oder wurden inhaltlich umgedeutet, und der modernistische Jargon bietet immer weniger Anschlußstellen zu dem, was die Kirche zuvor zweitausend Jahre lang „immer und überall“ geglaubt und gelehrt hat. Die Lektüre von Autoren wie Vandeur erfordert daher eine gewisse Anstren­gung, eine Zugangssschwelle ist durchaus spürba. Aber diese Schwelle ist zu überwinden, und diese Anstrengung lohnt sich. Nach dieser reichlich lang geratenen Einleitung nun leicht gekürzt das Anfangskapitel aus dem oben erwähnten Buch von Dom Vandeur über „Das heilige Meßopfer“.

Es begint ein Zitat Die Unzulänglichkeit des levitischen Priestertums war die Ursache, daß im Alten Bund nichts zur Vollkommenheit gelangen konnte, Nach dem Ratschluß Gottes, des Vaters der Barmherzigkeit, sollte ein anderer Priester auftreten, ein Priester nach der Ordnung des Melchisedech, unser Herr Jesus Christus, der fähig wäre, alle zu vollenden, d.h. alle zur Heiligkeit Berufenen zur Vollkommenheit zu führen.

Nur ein einziges Mal brachte Jesus Christus, unser Gott und Herr, sich seinem himmli­schen Vater auf dem Altar des Kreuzes dar in einer Hinopferung, die den Tod zur Folge hatte. Durch diesen Tod wurde unsere ewige Erlösung bewirkt. Indessen sollte dadurch sein Priesteramt nicht erlöschen. Er wollte vielmehr beim letzten Abendmahl bevor er verraten wurde, der Kirche, seiner geliebten Braut, ein sichtbares Opfer hinterlassen, so wie es unsere menschliche Natur verlangt: ein wirkliches, nicht bildhaftes Opfer. Dieses sollte zugleich die Darstellung seines blutigen Opfers sein, das er ein für allemal kurz darauf am Kreuze vollbrachte.

Er erklärte sich selbst für den Priester in Ewigkeit nach der Ordnung des Melchisedech, opferte Gott, seinem Vater, seinen Leib und sein Blut auf unter den Gestalten von Brot und Wein. Gab sein Fleisch und Blut unter diesen Gestalten seinen Aposteln zur Speise und zum Trank und bestellte sie in diesem Augenblick als Priester des neuen Testaments. Ihnen und ihren Nachfolgern im Priesteramt gab er den Befehl, seinen Leib und sein Blut darzubringen mit den Worten: Tut dies zu meinem Gedächtnis. In diesem Sinne hat die katholische Kirche stets diese Worte aufgefaßt; immer hat sie so gelehrt. (…)

Dieses Opfer auf dem Altar ist aber jenes ganz erhabene, das in den Opfern des Natur­gesetzes und des mosaischen Gesetzes seine schwachen Vorbilder hat. Es enthält in der Tat alle jene Güter, welche die früheren Opfer andeuteten; es ist deren Erfüllung und Vollendung.

In diesem göttlichen Opfer der heiligen Messe ist derselbe Christus enthalten, wird derselbe Christus geopfert, der sich im blutigen Opfertod am Altare des Kreuzes einmal hingegeben hat. Deshalb ist das Meßopfer ein wirkliches Versöhnungsopfer (nicht bloß ein Lob- und Dankopfer). Nähern wir uns daher Gott mit aufrichtigem Herzen und rechtem Glauben mit Furcht und Ehrfurcht, reuig und bußfertig, dann läßt er uns Barmherzigkeit finden und gewährt uns Gnadenhilfe zur rechten Zeit. Der Herr wird in der Tat durch dieses Opfer besänftigt und erteilt reichlich die Gnade und Gabe der Bußfertigkeit. Er verzeiht die Vergehen und Sünden, selbst wenn sie unendlich groß gewesen wären.

Das Opfer (am Kreuze und auf dem Altar) ist tatsächlich nur ein und dasselbe. Derjenige, der sich heute durch den Dienst des Priesters opfert, ist der nämliche, welcher sich einst am Kreuze geopfert hat, nur einen Unterschied gibt es: er besteht in der Art der Dar­brin­gung. Wir empfangen in wunderbarer Fülle die Früchte dieser blutigen Hinopferung in der heiligen Messe. Und so wird es nach der von den Aposteln erhaltenen Überliefe­rung nicht nur dargebracht für die Sünden, Strafen und Genugtuungen und sonstigen Bedürfnisse der lebenden Gläubigen, sondern auch für die, welche in Christus ent­schla­fen und noch nicht vollkommen gereinigt sind. (…)

Das heilige Meßopfer werde mit all der Hochschätzung und Verehrung dargebracht, welche die Tugend der Gottesverehrung einflößen kann. Welch große Sorgfalt bei der Meßfeier aufgewendet werden soll, läßt sich leicht erkennen aus dem Wort der Heiligen Schrift: Verflucht sei jeder, der das Werk Gottes nachlässig verrichtet. Wir müssen aner­ken­nen, daß die heilige Messe die heiligste Handlung ist, die Christgläubige vornehmen können, und daß es kein göttlicheres und ehrfurchtgebietenderes Geheimnis gibt, wie jenes, in dem das lebendigmachende Opferlamm täglich von den Priestern auf den Altären geopfert wird, durch das wir mit Gott, dem Vater, versöhnt worden sind.

Daraus geht zur Genüge hervor, daß jegliche Art von Sorgfalt und Fleiß aufgewendet werden muß, damit die heilige Messe in möglichst lauterer Gesinnung und innerer Herzensreinheit, wie auch in den äußerlich sichtbaren Zeichen von Andacht und Frömmigkeit gefeiert werde.

Die menschliche Natur ist so beschaffen, daß sie sich ohne die Mithilfe der sinnfälligen Dinge nur sehr schwer zur Betrachtung des Göttlichen erhaben kann.Deshalb hat unsere gütige Mutter, die Kirche, Riten bei der Messfeier angeordnet. Gewisse Vorschriften bestimmen, daß manches leise, anderes wieder laut gebetet werde. Von den Aposteln und der Überlieferung belehrt, hat sie Zeremonien, geheimnisvolle Segnungen, Lichter, Rauchwerk, heilige Gewänder und viele ähnliche Dinge eingeführt, die dazu bestimmt sind, die Erhabenheit eines so großen Opfers in steter Erinnerung zu erhalten. Gerade durch diese sichtbaren Zeichen der Gottesfurcht und Frömmigkeit wird der Geist der Gläubigen besonders angetrieben, sich zur Betrachtung der übersinnlichen Dinge zu erheben, die in diesem Opfer verborgen liegen.Ende des Zitats

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Das Buch von Eugène Vandeur ist im Internet-Antiquariatshandel für weniger als 10 € zu bekommen. Allerdings ist für viele heutige Leser neben der begrifflichen und stilistischen Eingangsschwelle noch ein weiteres Zugangshindernis zu überwinden: Das Buch ist wie die große Mehrzahl der vor 1940 in Deutschland veröffentlichten Literatur in Fraktur­schrift gedruckt. Die Antiquariatskataloge nennen das oft auch „Altdeutsche Schrift“. Was auf den ersten Blick fremd und schwer verständlich erscheinen mag, bereitet jedoch nach kurzer Eingewöhnungszeit kaum noch Probleme. Die hier erforderliche kleine Anstrengung auf sich zu nehmen ist sehr zu empfehlen, denn die Mehrzahl der soliden und glaubenstreuen katholischen Literatur ist nun einmal vor 1940 entstanden und in dieser Schrift gedruckt.

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