Der heilige Paulus Miki und die katholische Kirche in Japan
06. Februar 2025

Kreuzigung von Nagasaki 1597
Der 6. Februar – nach einigen Versionen des Martyrologium auch der 5. – ist der Feiertag des hl. Paulus Miki und seiner 25 Gefährten, die am 5. Februar des Jahres 1597 in Nagasaki in der ersten großen japanischen Christenverfolgung hingerichtet worden sind. 50 Jahre nach Beginn der von Franz Xaver eingeleiteten (1549) Japan-Mission erhielt damit das so hoffnungsvoll begonnene Projekt der Christianisierung Japans einen Schlag, von dem es sich nie wieder erholen konnte.
Wie es heißt – die Zahlenangaben des 16. Jh. sind nur begrenzt zuverlässig – waren in diesen ersten 50 Jahren um die 160 000 Japaner getauft worden. Doch dann gerieten die Angehörigen der für Japan neuen und neuartigen Religion in die Strudel weltweit einsetzender Modernisierung und einer ersten Globalisierungswelle: Das bisher am Rande der bekannten Welt liegende Reich geriet in den Blicke der Kolonialmächte, die daran gingen, den Globus neu aufzuteilen.
Gleichzeitig verstärkten sich im Land selbst die oft kriegerisch ausgetragenen Auseinandersetzungen der japanischen Feudalherren, die etwa gleichzeitig mit dem großen Dreißigjährigen Krieg in Europa unsagbares Leid über die Menschen brachte. Dieser aus einer Vielzahl von Einzelkriegen bestehende Krieg wurde in Japan mit der gleichen Brutalitär geführt wie in Europa; und wie in Europa mißbrauchten vielfach weltliche Fürsten und geistliche Herren (auch deren Gegenstück gab es in Japan, wenn auch nicht unter den Christen, sonder vor allem bei den buddhistischen Schulen), die Religion, um Anhänger zu gewinnen und Gegner zu verteufeln. Und während das Christentum von Menschen aller Schichten einerseits als Künder großer Hoffnungen begrüßt wurde, sahen andere darin nur einen weiteren Versuch von Fremden, das Land ihrer wirtschaftlichen (und geistigen!) Macht zu unterwerfen.
Der 5. Februar 1597 war vor diesem Hintergrund das Fanal für das Einsetzen von Christenverfolgungen in allen Landesteilen, in denen überhaupt Christen – und das hieß damals ausschließlich Katholiken – vertreten waren. Es folgte eine lange Phase der Illegalisierung, in der von der Obrigkeit aufgespürte Christen mißhandelt, in entlegene Landesteile deportiert oder nach kurzem Prozess getötet wurden. Diese Phase dauerte bis Mitte des 19. Jahrhunderts. Einzelne Gemeinden insbesondere der Südinsel Kyushu gingen in den Untergrund, wo sie als „kakure krishtan“ (versteckte Christen) ohne Priester und Sakramente den Glauben mehr oder weniger umfassend beibehielten. Als um 1850 wieder die ersten christlichen Missionare (diesmal verschiedener Konfessionen) ins Land durften, sollen sie etwa 30 000 dieser Katakomben-Christen vorgefunden haben. Die „Wiedergefundenen“ waren freilich zunächst skeptisch und unterwarfen die Neuankömmlinge einem Glaubensexamen: Folgt Ihr dem großen Vater in Rom? Verehrt ihr die Gottesmutter Maria? Und sind Eure Priester unverheiratet?
Obwohl Jesuiten und Franziskaner diese Fragen guten Gewissens bejahen konnten, entschlossen sich bei weitem nicht alle Versteckten Christen, sich der nun legalisierten katholischen Kirche wieder einzufügen – etwa ein Drittel blieb außen vor. Einerseits, weil sie sich von der nun wieder in vollem Umfang zugänglichen Glaubenslehre in ihren Traditionen und Gewohnheiten überfordert sahen. In einigen Fällen soll vom alten Glauben nicht wesentlich mehr übrig geblieben sein als das, was in den oben genannten drei Fragen umrissen wird. Hauptsächlich wohl jedoch deshalb, weil in ihren Gemeinden inzwischen soziale Strukturen und eine Art „Laienklerus“ entstanden waren, die sich der Selbstauflösung widersetzten. Ein Lehrbeispiel dafür, daß Gemeinden ohne Priester und Sakramente und nur mit mehr oder weniger „synodalen“ Strukturen nicht auf Dauer bestehen können.
Die katholische Kirche in Japan hat sich nach den Erfolgen der frühen Missionare und der anschließenden Verfolgung nie wieder als relevantes Element in spirituellen und sozialen Leben des Landes etablieren können. Als 1927 der erste japanische Bischof Januarius Kyūnosuke Hayasaka (1883-1959) ernannt wurde, gab es im ganzen Land mit damals um die 55 Millionen Einwohnern vielleicht eine halbe Million Katholiken, schwerpunktmäßig im Süden. Heute hat Japan um die 120 Millionen Einwohner, stark überaltert und mit dementsprechend fallender Tendenz. Und die Zahl der Katholiken, die nach dem zweiten Weltkrieg auf gut über 600 000 angestiegen war, liegt wiederum bei etwa einer halben Million, ebenfalls Tendenz fallend. Liturgiereform und „Inkulturation“ (z.B. Verbeugung des Oberkörpers statt Kniebeuge) konnten der Stagnation nicht wehren, und öffentlich wahrgenommen wird die Kirche bestenfalls in Gestalt der renommierten Sophia-Universität von Tokyo, die von Jesuiten getragen wird und einen hochgradig säkularistischen Kurs verfolgt.
Zu der halben Million japanischer Katholiken kommt gegenwärtig noch eine ungefähr ebenso große bzw. kleine Zahl Angehöriger anderer christlicher Denominationen, die stärkste davon sind die Zeugen Jehovas mit über 200 000 Mitgliedern. Auch die Mormonen, über deren Zugehörigkeit zum Christentum man freilich diskutieren kann, bilden mit über 100 000 Angehörigen eine gerade noch wahrnehmbare Gruppe hinter dem Komma. Der Rest ist zumeist Sektierertum und Synkretismus der abenteuerlichsten Sorte.
Sind der hl. Paulus Miki und die vielen hundert Mit-Märtyrer, die in den seiner Kreuzigung folgenden fast zwei Jahrhunderten in Japan ihr Blut vergossen haben, also umsonst gestorben? Natürlich nicht. Sie haben nicht nur für sich die Krone des Martyriums erworben, sondern ihr Blut ist eingegangen in den Gnadenschatz der Kirche, so wie es schon Tertullian an der Wende vom 2. zum 3. Jahrhundert bezeugte: Das Blut der Martyrer ist der Same der Kirche. Doch damit dieser Same aufgehen und Frucht tragen kann, bedarf es der mithelfenden Hände von Missionaren, die selbst nur diesem einen Ziel leben: den unverfälschten Glauben der Apostel an alle Enden der Welt und zu allen Menschen zu tragen.
Die Jesuiten – auch hier waren sie Vorreiter – haben sich schon seit dem Anfang des 17. Jh. gerade in Asien von diesem Ziel und Auftrag immer weiter entfernt und sind dort auf überwiegend weltlichen Tätigkeitsfeldern aktiv geworden. Die Gesamtkirche hat das Ziel der Mission seit der Mitte des 20. Jh. ebenfalls aus dem Auge verloren. Heute versteht sie unter Mission weitgehend das gleiche, was auch zahllose säkulare Institutionen der „Entwicklungshilfe“ betreiben, während Franziskus und andere moderne Jesuiten von der Gottgewolltheit aller Religionen faseln und Mission durch die Brille der Befreiungstheologie als Mittel kolonialer Ausbeutung verdächtigen. Solange der „große Vater in Rom“ nicht mehr zu bieten hat, wird sich an der kaum sichtbaren Rolle der Kirche bei seinen japanischen Kindern auch wenig ändern.
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