Gebet für einen Kranken und Sterbenden
26. Februar 2025

Aus einem Gebetbuch des frühen 19. Jahrhunderts
Es gehört zu den großen Gnadengaben des Christlichen Glaubens, daß er den Gläubigen einen in jeder Hinsicht realistischen Blick auf die Welt in ihrer Ganzheit von Natur und Übernatur ermöglicht. Dazu gehört ganz wesentlich, daß der Mensch sterblich ist und daß seine Existenz in jeder Stunde von dem Schöpfer abhängig ist, dem er diese geliehene Existenz verdankt – und vor dem er eines Tages Rechenschaft darüber geben werden muß, wie er dieses Lehen genutzt hat. Im „Christkatholischen Gebetbuch“ (S. 507) des Münchener Hofpredigers Michael Hauber aus dem Jahre 1838 – einer Zeit also, die man dem niedlichsten Biedermeier zurechnen könnte – fanden wir das folgende „Gebeth für einen Kranken“. Es zeugt von jener realistischen Einstellung, die wir in den Berichten und Kommentierungen zum „Arbeitsaufenthalt“ des 88-jährigen Franziskus in der römischen Gemelli-Klinik vermisst haben.
Jesus Christus, liebreichster Freund und Erlöser der Menschen! Der Du es so bitter erfahren hast, was Schmerz und Elend sey; um Deiner Liebe um Deiner Leiden und Todesschmerzen willen erbarme Dich dieses armen Kranken und komm ihm durch Deine Gnade zu Hülfe. Verleih ihm standhafte Geduld in seinem Leiden; stärke seinen Glauben und sein Vertrauen auf Dich; erfülle sein Herz mit inniger Liebe zu Dir; laß die Prüfungen, mit denen Du ihn heimsuchst, seine Sünden austilgen und seine Verdienste mehren; und wenn es deinem heiligsten Willen gemäß ist, so schenke ihm wieder die vorige Gesundheit.
Willst Du aber, daß er sein Lager nicht mehr verlassen soll, ,so ertheile ihm eine standfeste Ergebung in Deine väterlichen Fügungen; laß ihn ein recht erbauliches Beispiel des gläubigen Muthes und der frommen Gelassenheit sein, die der wahre Christ in den letzten furchtbaren Stunden des Lebens zeigt; laß ihn theilnehmen an den wohlthätigen Sacramenten der Sterbenden, und wenn sein Geist die Erde verläßt, so nimm ihn in deine Hände auf.
Alles andere ist nicht der Rede wert.
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