Amerikanische Diözesen im Brennpunkt des Kampfes um die überlieferte Liturgie
21. Juni 2025

Der Kampf um das Erbe Franziskus' entbrennt
Über das Grab des Urhebers hinaus streut Traditionis Custodes seine giftigen Früchte. Besonders deutlich zeigt sich das in den Vereinigten Staaten, und das ist kein Zufall, denn dort hat es im Anschluß an Papst Benedikts Summorum-Pontificum nicht nur einen Aufschwung der überlieferten Liturgie für sich gegeben, sondern zahlreiche Ansätze zu einem oft gedeihlichen Miteinander von Anhängern der überlieferten und der neuen Form in den Gemeinden. Das – nämlich eine theologisch mehr oder weniger überzeugende Überwindung der Bruchtheologie der säkularistischen Konzilsgeister auf der praktischen Ebene – scheuen die Glaubensverderber mehr als alles andere, und deshalb setzte TC genau an dieser Stelle an, um die gerade in Charlotte unter dem früheren Bischof beispielhaft praktizierte „friedliche Koexistenz“ unmöglich zu machen.
Nach Charlotte muß nun auch in der Diözese Jefferson City die „alte Messe“ in einer zentral gelegenen Pfarrkirche eingestellt werden, weil die für zwei Jahre ausgestellte „Ausnahmegenehmigung“ (was für ein Wort zur Ermöglichung der Messfeier im Ritus von anderthalb Jahrtausenden!) zu Ende Juni ausläuft. Betroffen vom Problem sind nicht nur die beiden genannten Diözesen. Aber aus mehreren Orten ist bekannt geworden, daß die Anhänger der überlieferten Liturgie den Schritt in die Öffentlichkeit scheuen, weil sie – zusammen mit den zuständigen Bischöfen – auf der Suche nach einigermaßen tragbaren „Ersatzlösungen“ sind. Andere haben in Rom um offizielle Verlängerung der „Ausnahmegenehmigung“ nachgesucht – bisher wohl ohne greifbare Resultate. Eine eher erfreuliche Entwicklung wird aus Detroit gemeldet: Nachdem dort die Diözesanverwaltung zunächst die Einstellung fast aller Messen im überlieferten Ritus und bekanntgegeben hatte, ist es im Zusammenwirken von Diözese und Gemeinden der alten Messe gelungen, immerhin fünf nach Lage und Ausstattung geeignete Nicht-Pfarrkirchen ausfindig zu machen, an denen weiterhin im alten Ritus zelebriert werden kann – unter Befolgung der Vorgaben von TC und mit Genehmigung des Ortsordinarius Erzbischof Weisenburger.
Unterdessen wird im Bistum Charlotte deutlich, daß es zumindest dem dortigen Bischof Martin und seinem Umfeld bei weitem nicht nur darum geht, die von Franziskus etablierte Gesetzgebung – deren Rechtlichkeit und Verbindlichkeit notabene von vielen Sachkennern bestritten wird – in vollendetem Gehorsam zum (damaligen) Papst umzusetzen. Ihnen geht es um den Konzilsgeist als wirkungsvollste Manifestation von Modernismus und Säkularismus, so daß sie nicht nur die überlieferte Liturgie bekämpfen, sondern ebenfalls die mehr der Tradition zuneigenden Elemente der Liturgie verbieten wollen – selbst wenn diese auch im Novus Ordo rechtlich zulässigen sind. Quasi um diese Stoßrichtung hervorzuheben, hat Bischof Martin dieser Tage mit dem Franziskaner Casey Cole einen der bekanntesten Fürsprecher modernistischer Lieblingsforderungen wie Frauenordination oder Homo-Ehe zur Niederlassung in seiner Diözese eingeladen.
Gleichzeitig wird bekannt, daß der seit 23 Jahren amtierende Abt der in Martins Diözese gelegenen Benediktinerabtei Belmont, die ein einflußreiches College betreibt, ausgerechnet die Pfingstpredigt dazu mißbrauchte, eine volle Breitseite gegen die dem überlieferten Ritus anhängenden Katholiken in der Diözese abzufeuern. Dabei bemühte Abt Placid Solari insbesondere das Argument des dem Papst geschuldeten anscheinend als unbedingt empfundenen Gehorsams – als ob dieser Gehorsam nicht an die Voraussetzung gebunden wäre, daß der Papst selbst sich in Übereinstimmung mit seinen Vorgängern befindet und den Gehorsam gegen Lehre und Tradition der Kirche wahrt.
Der nun unter Berufung auf TC erneut Fahrt aufnehmende Feldzug gegen die überlieferte Liturgie und Lehre bedeutet für die glaubenstreuen Katholiken – und zwar unabhängig davon, ob sie die eine oder die andere Form der Liturgie bevorzugen – eine schwere Belastung ihres Glaubens- und Gemeindelebens. Was freilich die Modernisten, die sonst bei jeder Gelegenheit „pastorale“ Notwendigkeiten ins Feld führen, hier völlig unbeeindruckt läßt: Sie wollen den von Franziskus vorgezeichneten Weg unbedingt fortsetzen – ohne Rücksicht auf Verluste. Dabei geht es ihnen auch darum, den neu ins Amt gekommenen Papst Leo in entscheidenden Punkten auf die Fortsetzung der von Franziskus geförderten oder zumindest geduldeten Irrtümer festzulegen.
Der heilige Vater selbst hat sich bisher zu Traditionis Custodes und den daraus hervorgehenden pastoralen Verwerfungen noch nicht erkennbar positioniert. Das kann man einerseits nachvollziehen: Er findet sich in einer derartig verheerten Ruinenlandschaft, daß ihm die Entscheidung schwer fallen muß, wo mit den Aufräumarbeiten zu beginnen wäre. Zumal ihm die Liturgiereform Pauls VI. selbst keine größeren Probleme zu bereiten scheint: Teils, weil er dem Wort Papst Pauls, daß es keinen Bruch zwischen der alten und der neuen Form gebe, vertraut; teils, weil er selbst in seiner pastoralen Praxis an der peruanischen Peripherie den unheilvollen Folgen dieser Reformation nicht so stark ausgesetzt war wie Klerus und Gläubige in den Regionen, die eine über tausend Jahre zurückreichende Tradition in der überlieferten Form haben. Tatsächlich hat ja diese Form des Gottesdienstes mit allem, was dazu gehört, ihre Lebensweise und Kultur auf vielfältige Weise geprägt, ja sogar erst hervorgebracht.
In der vergangenen Woche hat nun Kardinal Burke einen Appell an Papst Leo gerichtet, dem von seinem Vor-Vorgänger Benedikt teilweise befriedeten und unter seinem unmittelbaren Vorgänger Franziskus neu zugespitzten „Ritenstreit“ und dessen Auswirkungen auf das Leben der Gemeinden möglichst bald seine Aufmerksamkeit zuzuwenden. Steht zu hoffen, daß Papst Leo die Kraft findet, sich diesem Problem in einer Weise zu widmen, die der Wahrhaftigkeit der Lehre und den pastoralen Bedürfnissen einer zunehmenden Zahl von Gläubigen entgegenkommt und gleichzeitig vermeidet, die durch den chaotischen Regierungsstil von Franziskus eingetretene Beschädigung des Lehramtes und der Stellung des Papstes selbst noch zu vertiefen. Mit menschlichen Kräften alleine ist das nicht zu leisten. Unterstützen wir Papst Leo mit unseem Gebet um die Gnade des Heiligen Geistes.
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Der uns bisher nur am Rande begegnete Youtube-Kanal „Glaube und Tradition“ hat am 23. Juni einen sehen- und vor allem hörenswerten Beitrag zum Thema dieses Artikels eingestellt.