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Vatikanum II: Der ausgerufene Frühling
hat nicht stattgefunden

16. Juli 2025

6 - Kirchenkrise

Blick in den zur Konzilsaula umgerüsteten Petersdom mit den Galerien für die über 2000 teilnehmenden Bischöfe

Das II. Vatikanum versammelt die Bischöfe der Welt.

Es hilft nichts: Wir müssen über das II. Vatikanische Konzil sprechen, immer und immer wieder. Es ist nicht die Wurzel all der Übel, die die Kirche heute zugrunde zu richten drohen – aber es markiert den Punkt in der Geschichte, an dem eine Kirche, die mit der modernen Zeit nicht mehr zurecht kam, ihren erst wenige Jahre zuvor bekräftigten Anspruch relativierte, „Mater et Magistra“ der Welt zu sein und sich statt dessen auf den Weg machte, deren willige Schülerin zu werden. Gelernt hat sie dabei wenig, gebracht hat es ihr noch weniger, den erhofften „neuen Frühling“ am wenigsten.

Von Weihbischof Marian Eleganti

Ich bin 1955 geboren und war begeisterter Ministrant in meiner Kindheit. Zuerst diente ich im Alten Ritus, immer etwas nervös, die lateinischen Antworten nicht zu verpatzen; dann wurde ich mitten im Geschehen umgeschult auf die sog. Neue Messe.

Als Kind habe ich den Bildersturm in der altehrwürdigen Kreuzkirche meines Heimat­ortes miterlebt. Die gotischen Schnitzaltäre wurden unter meinen Kinderaugen nieder­gerissen. Geblieben sind Volksaltar, leerer Chorraum; Das Kreuz im Chorbogen, Maria und Johannes links und rechts an weissen kahlen Wänden: neue sprechende Glasfenster, die von der im Osten aufgehenden Sonne geflutet werden. Mehr nicht: Es war ein Kahl­schlag ohnegleichen. Wir Kinder fanden alles normal und angebracht und haben fleissig für den neuen Steinboden gespart, um unseren Beitrag zur Reform bzw. Renovation der Kirche zu leisten. Die Konzilseuphorie wurde von den Priestern überallhin getragen, Synoden wurden einberufen, an denen ich als Jugendlicher Teeny selbst teilgenommen habe. Ich habe absolut nicht verstanden, was vor sich ging.

Als 20-Jähriger war ich Novize, habe liturgische Spannungen zwischen den Traditio­nel­len und Progressiven unter den Reformern hautnah und schmerzlich miterlebt. Neue kirchliche Berufe wurden eingeführt wie jener des (meist verheirateten) Pastoral­assisten­ten. Ich erinnere mich an meine diesbezüglich kritischen Anmerkungen; denn die lang­sam heraufdämmernden Spannungen und Probleme zwischen Geweihten und Unge­weihten im kirchlichen Dienst waren von Anfang an absehbar. Der Einbruch der Zahl von Priesteramtskandidaten war vorhersehbar und wurde bald sichtbar. Dem Konzil stand ich als Jugendlicher vorbehaltlos gegenüber, und später studierte ich seine Doku­mente mit gläubigem Vertrauen. Trotzdem sind mir seit meinem 20. Lebensjahr einige Dinge aufgefallen: Die Entsakralisierung des Chorraumes, des Priestertums und der Hl. Eucharistie wie auch des Kommunionempfangs und die Uneindeutigkeit mancher Text­passagen in Konzilsdokumenten:  Das alles habe ich als theologisch noch ungebildeter jugendlicher Laie sehr bald konstatiert. Auch wenn das Priestertum seit meiner Kindheit die stärkste Option in meinem Herzen war, bin ich erst mit 40 Jahren zum Priester geweiht worden. Ich bin mit dem Konzil aufgewachsen, gross geworden und konnte seine Wirkung beobachten, seit es stattgefunden hat. Heute bin ich 70 Jahre alt und Bischof.

Retrospektiv muss ich feststellen: Der Frühling der Kirche ist ausgeblieben; gekommen ist ein unbeschreiblicher Niedergang der Glaubenspraxis und des Glaubenswissens, eine weitverbreitete liturgische Formlosigkeit und Beliebigkeit (bei der ich zum Teil auch selbst mitgewirkt habe, ohne es zu merken).

Aus heutiger Sicht sehe ich alles zunehmend kritischer, auch das Konzil, dessen Texte die meisten bereits hinter sich gelassen haben, immer mit Berufung auf seinen Geist. Was hat man nicht alles in den zurückliegenden 60 Jahren mit dem Heiligen Geist verwechselt, Ihm zugeschrieben. Was alles hat man «Leben» genannt, was nicht Leben brachte, viel­mehr auflöste.  

Die sog. "Reformer" wollten das Weltverhältnis der Kirche neu denken, ihre Liturgie neu ordnen und moralische Positionen neue bewerten. Sie sind immer noch dabei, es zu tun. Das Charakteristikum ihrer Reform ist die Fluidität in Lehre, Moral und Liturgie, die Angleichung an weltliche Standards, und die postkonziliare, rücksichtslose Disruption mit allem Bisherigen. Kirche ist für sie vor allem seit 1969 (Editio Typica Ordo Missae. Kard. Benno Gut).  Was vorher war, kann man vernachlässigen oder wurde schon revi­diert. Es gibt kein Zurück. Die Revolutionärsten unter den Reformern waren sich ihrer revolutionären Akte immer bewusst. Aber ihre postkonziliare Reform, ihre Prozesse, sind gescheitert - auf der ganzen Linie. Sie waren nicht inspiriert. Der Volksaltar ist keine Erfindung der Konzilsväter.    

Ich selbst feiere, auch privat, die Hl. Messe im Neuen Ritus. Ich habe aber aufgrund mei­ner apostolischen Tätigkeit die alte Liturgie meiner Kindheit wieder neu erlernt und sehe den Unterschied, vor allem in den Gebeten und Haltungen, natürlich auch in der Aus­rich­tung. Retrospektiv erscheint mir der postkonziliare Eingriff in die fast zweitau­send­jährige, sehr konstante Form der Liturgie als eine recht gewalttätige, kommissarische Rekonstruktion der Hl. Messe in den Jahren nach Konzilsabschluss, die mit grossen Verlusten verbunden blieb, die es aufzuarbeiten gilt. Dies geschah auch aus ökumeni­schen Gründen. Viele Kräfte auch von protestantischer Seite haben hier direkt mitge­wirkt, um die althergebrachte Liturgie dem protestantischen Abendmahl anzugleichen und vielleicht auch der jüdischen Sabbatliturgie. Dies geschah elitär, disruptiv und rücksichtslos durch die römische Liturgiekommission und wurde durch Paul VI. der ganzen Kirche auferlegt, nicht ohne grosse Brüche und Risse im mystischen Leib Christi zu verursachen, die bis heute geblieben sind.  

So viel steht für mich fest: Wenn man den Baum an den Früchten erkennt, wäre eine schonungslose und wahrhaftige Neubewertung der postkonziliaren Reform dringend angezeigt: historisch redlich und akribisch, unideologisch und offen wie die neue Gene­ra­tion von jungen Gläubigen, welche die Konzilstexte weder kennen noch lesen. Sie haben auch nicht ein Nostalgieproblem, weil sie nur die Kirche in ihrer heutigen Gestalt kennen. Sie sind einfach zu jung, um Traditionalisten zu sein. Erlebt haben sie allerdings, wie heute Pfarreien ticken, wie sie Liturgie feiern, und was von ihrer eigenen religiösen Sozialisation durch die Pfarrei geblieben ist: wenig! Aus diesem Grund sind sie auch keine Progressiven.  Der liberale Katholizismus bzw. der Progressivismus seit den 70 er Jahren, zuletzt im Kleid des Synodalen Weges, hat aus heutiger Sicht ausgedient und die Kirche an die Wand gefahren, in eine Sackgasse geführt. Entsprechend gross ist die Fru­stration. Wir können es überall sehen. Sonntags- und Werktagsgottesdienste besuchen mehrheitlich alte Leute. Die Jungen fehlen, ausser in einigen kirchlichen Hotspots, die dünn gesät sind. Die Reform erledigt sich von selbst, weil niemand mehr hingeht oder die Ergebnisse liest, ein eisernes Gesetz.  

Wie kann man die nachkonziliare Reform zum heutigen Zeitpunkt immer noch so unkri­tisch und borniert sehen, gemessen an ihren Früchten? Warum ist eine ehrliche Ausei­nan­dersetzung mit der Tradition und der eigenen (Kirchen-) Geschichte immer noch nicht möglich? Warum will man nicht sehen, dass wir an einer Wegscheide stehen und über die Bücher gehen sollten, vor allem liturgisch? To be or not to be des Glaubens und des kirchlichen Lebens entscheidet sich auf dem Boden der Liturgie. Hier lebt oder stirbt die Kirche. Das haben Traditionelle und Progressive seit 1965 richtig eingeschätzt. Wa­rum also ist die Tradition bei jungen Menschen im Kommen? Was macht sie für junge Leute so attraktiv? Denkt doch mal darüber nach! Füsse stimmen ab, nicht Räte. Viel­leicht ändern wir einfach die Richtung! Versteht Ihr?

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