Gefährdet wirklich die überlieferte Liturgie die Einheit der Kirche?
26. Juli 2025

Bester Laune nach dem Sakrileg
Seit dem Erlaß von Traditionis Custodes und dem dazu gehörenden Begleitbrief an die Bischöfe gilt die Zelebration der hl. Messe im Ritus der hl. Päpste Damasus und Gregor offiziell als Gefahr für die Einheit der Geschichte. So steht es im Dokument:

Eine von Johannes Paul II. und mit noch weiterem Großmut von Benedikt XVI. gewährte Möglichkeit, um die Einheit der Kirche unter Achtung der verschiedenen liturgischen Sensibilitäten wiederherzustellen, ist dazu verwendet worden, die Abstände zu vergrößern, die Unterschiede zu verhärten, Gegensätze aufzubauen, welche die Kirche verletzen und sie in ihrem Weg hemmen, indem sie sie der Gefahr der Spaltung aussetzen. (…) Wenn ich mich gezwungen sehe, die Befugnis zu widerrufen, die von meinen Vorgängern gewährt wurde, so geschieht das, um die Einheit des Leibes Christi zu verteidigen.
Seit dieser auf Unwahrheit und Manipulation gestützten Behauptung brauchen Bischöfe, die die überlieferte Liturgie in ihren Diözesen behindern oder verhindern wollen, ihre entsprechenden Verfügungen nicht mehr zu begründen. Ein „um der Einheit willen“ reicht völlig aus. Doch diese Behauptung ist in sich unwahr – und das nicht nur deshalb, weil der von Franziskus behauptete „Mißbrauch“ der überlieferten Liturgie zur „Vergrößerung der Abstände und Verhärtung der Unterschiede“ durch die Verteidiger der Tradition in der Praxis so gut wie nirgendwo vorkommt.
Tatsächlich ist das Gegenteil richtig: Gerade in Diözesen, die jetzt unter Berufung auf TC gegen die überlieferte Liturgie (und Lehre!) vorgehen, ist die Praxis der Gottesdienste nach dem Novus Ordo vielfach von dem Bemühen gekennzeichnet, die Unterschiede zu dem, was über tausend Jahre lang gültig war, hervorzuheben. Es geht darum, Brüche zu markieren und die theoretisch noch geltende Lex credendi der Kirche in Frage zu stellen. Wenn der Bischof von Charlotte die Begleitung des Gottesdienstes durch über Großleinwand eingespielten Video-Kommentare, den Einsatz von „Kommunionhelferinnen“ und die Abschaffung von Kniebänken obligatorisch vorschreibt, geht er weit über das hinaus, was der Ritus Pauls VI. – der seinerseits bereits die Konzilskonstitution „Sacrosanctum Concilium“ in vielem überschreitet – für eine Reform des römischen Ritus vorgesehen hat.
Zwar beschwören die Päpste seit dieser unseligen Reform immer wieder die Notwendigkeit, die Messe nach der im offiziellen Missale niedergelegten Form (die selbst zahllose Varianten und Einladungen zur Beliebigkeit enthält) zu zelebrieren – am nachdrücklichsten Papst Johannes Paul II und seine Präfekten Arinze und Ratzinger in Redemptionis Sacramentum von 2004. In Worten bekennt sich auch noch Franziskus im genannten Begleitbrief zu dieser Ordnung. Taten sind solchen Beschwörungen aber selbst unter Benedikt XVI. nur in den seltensten Fällen gefolgt, und Franziskus hat sich immer wieder offen über geltende liturgische Vorgaben hinweg gesetzt.
Papst Leo bemüht sich zwar darum, die Rubriken einzuhalten – doch nur so weit, wie sein unmittelbares Blickfeld reicht. Schon in seiner Eigenen römischen Diözese scheint nach wie vor jeder zu machen, was er will. Weltweit bekannt gewordene Skandale blieben bislang ohne Konsequenzen. Erst im August hat z.B. Bischof Emeritus Raúl Vera López von Saltillo eine Dame zur Predigt an den Ambo und zur „Konzelebration“ an den Altar geholt (Quelle) die nicht nur wegen ungültiger Pseudo-Weihe als anglikanische „Priesterin“, sondern auch wegen ihrer „theologischen“ Ansichten (Rechtfertigung der Abtreibung) und persönlichen Lebensführung (offiziell „verpartnert“ in einer lesbischen Beziehung) dort absolut nichts zu suchen hat. Verstößt so etwas nicht gegen das Gebot der Einheit? Oder steht die „Einheit“ mit mit Anglikanern oder der LGBT+-Bewegung im Rang über der mit Lehre und Tradition der Kirche?
Der Tagesmode geschuldete Verstöße gegen die Einheit sind längst nicht nur auf spektakuläre Einzelfälle beschränkt. Seit der (im Widerspruch zu Sacrosanctum Concilium erfolgten) Einführung der Umgangssprache für die gesamte Messfeier haben sich vielerlei Übersetzungsprobleme in die Messbücher eingeschlichen (am bekanntesten das „pro Multis“); mit der Formel „oder ein anderes passendes Lied“) wird vielerlei Mißbrauch getrieben, der an die Wurzeln der Lehre geht. Angebliche „Inkulturation“, die den Gottesdienst mit Elementen aus längst untergegangenen Lokaltkulturen vermeintlich anreichert, ebnet tatsächlich oft nur die Unterschiede zu zählebigen Überresten heidnischen Aberglaubens ein. Sie macht die Mitfeier eines angeblich katholischen Gottesdienstes für jeden, der nicht aus der gleichen Region stammt, zum sinnentleerten Schauspiel – und das im Zeitalter des globalen Massentourismus, der immer wieder Menschen aus den verschiedensten Sprach- und Kulturräumen zusammenführt.
Ganze Bischofskonferenzen wie z.B. die deutschsprachige kündigen die liturgische Einheit mit der Weltkirche auf, wenn sie im populären „Gotteslob“ nur noch das 2. Hochgebet abdrucken und den Gebrauch des Canon Romanus unter Verdacht stellen: Da seien wohl Feinde der Einhait am Werk.
Der unbestreitbare und von Papst Leo dankenswerterweise für Rom wieder in Erinnerung gerufene Umstand, daß man die Liturgie des paulinischen Missales auch würdig und nach der rechten „Lex credendi“ zelebrieren kann, ändert nichts daran, daß gerade in den europäischen Stammländern der Kirche, in denen die Liturgie des hl. Papstes Gregor über Jahrhunderte die Kultur befruchtet und mit ihr zu einem einheitlichen Ausdruck der „Lex credendi“ verschmolzen ist, dieser Glaube nach der Abschaffung und Verächtlichmachung dieser Liturgie selbst in großem Umfang verschwunden ist. Das gilt nicht nur für „schwierige“ Glaubensaussagen wir die von der Realpräsenz des Erlösers und seines Erlösungswerkes in den geopferten Gestalten, sondern auch für die gesamte Lebenspraxis von Gesellschaften, die gottlos geworden sind oder in eine Art „Neuheidentum“ zurückfallen. Ja, es stimmt schon: „Erfolg ist keiner der Namen Gottes“. Aber der für diese Stammlande der Christenheit unbestreitbare katastrophale Mißerfolg des (bestenfalls) gutgemeinten Versuchs, Glauben und Liturgie in eine „dem modernen Menschen“ leichter zugängliche Form zu übersetzen, kann nicht länger übersehen oder als Fingerzeig des Hl. Geistes, neue Wege zu beschreiten, weggelogen werden.
Wenn die Kirche wirklich göttliche Stiftung ist und den von Christus selbst gelehrten Glauben über die Jahrhunderte hinweg bewahrt und entfaltet hat, ist ein Bruch, wie der von den Propagandisten der Liturgierevolution behauptete und von Franziskus autoritativ beglaubigte schlichtweg nicht möglich. Es ist undenkbar, daß eine seit anderthalb Jahrtausenden praktizierte Liturgie, dass der weit in die Zeit der Kirchenväter zurückreichende Canon Romanus, den „Glauben von heute“ nicht mehr zutreffend und verbindlich zum Ausdruck bringt. Entweder war und ist Liturgie immer nur Menschenwerk und Spielmaterial für Zeitgeister – oder sie bleibt Ausdruck einer Wahrheit, die von keinem Konzil, keinem Consilium und keinem Papst geändert werden kann.
Papst Leo hat hier ein schweres Erbe übernommen. Ein Rezept zu dessen Ordnung haben wir nicht zu bieten – außer vielleicht der Ermutigung, den Faden dort wieder aufzunehmen, wo Papst Benedikt mit seinem zugegebener weise auch nicht vollkommenen Ansatz von „Summorum Pontificum“ einen Anfang gemacht hat. Dazu wird es nicht reichen, Traditionis Custodes „einfach zu vergessen“, wie jetzt von wohlmeinender Seite vorgeschlagen wird. Dazu ist die in diesem Dokument mit päpstlicher Autorität verkündete Behauptung, nur das Missale von Bugnini & Co sei Ausdruck des Glaubens der lateinischen Kirche, zu falsch, zu vergiftet und zu vergiftend. Solange dieses Dokument steht, werden sich die Feinde der Kirche, von denen es im Bischofsamt und auf Lehrstühlen mehr als genug gibt, sich das immer wieder zunutze machen, um ihr Zerstörungswerk fortzusetzen und die Kirche Christi endlich, endlich den Maßstäben der säkularen Welt unterzuordnen. Sie ergeben sich der alten Versuchung: „Dies alles will ich dir geben, wenn du niederfällst und mich anbetest.“
Und eine zweite Bedingung ist ebenso unerläßlich: Vor jeder Fortsetzung synodaler Zusammenkünfte und vor jedem nach außen gerichteten „ökumenischen Aktivismus“ ist der von Bischof Schneider angemahnte Prozess einer Reform des paulinischen Ritus in Angriff zu nehmen, die es Kirche wieder ermöglicht, sich der „Quelle und des Gipfels“ ihrer Identität zu vergewissern. Sonst torkelt sie weiterhin von einem Mißverständnis und einer Zweideutigkeit zum anderen.
Die in den vergangenen Jahren praktizierten und propagierten Mißbräuche in der Liturgie mögen vielleicht nicht so spektakulär sein wie Rock’n’Roll-Messen der 70er und Clownsmessen der 80er Jahre. Theologisch greifen sie vielfach tiefer und stellen den Inhalt des Glaubens und die Wirklichkeit der Sakramente selbst in Frage. Da ist „Null-Toleranz“ ebenso angesagt wie bei den nach wie vor nicht ausgerotteten Mißbräuchen auf sexuellem Gebiet. Bischöfe oder Priester, die mit Lai*innen „konzelebrieren“ – und so etwas kommt nicht nur in Südamerika vor – müssen nach dem Recht diszipliniert und gegebenenfalls aus dem Amt entfernt werden Und für die Häretiker*innen, die das unter dem Deckmantel der „Wissenschaft“ propagieren, gilt das ebenso.
Die Simulation der Feier des Ehesakraments, wie sie kürzlich aus Bergamo berichtet wurde gehört in die gleiche Kategorie. Solche Handlungen sind mindestens ebenso schädlich für die Einheit der Kirche wie eine im Widerspruch zu Anordnungen des Ortsordinarius erfolgende Messfeier im überlieferten Ritus. Redemptionis Sacramentum bietet ein seit zwanzig Jahren bereitliegendes Instrumentarium, die Mißbräuche, die den Novus Ordo bis zur Blasphemie und der Ungültigkeit des Vollzugs entstellen, zurückzudrängen. Damit Ernst zu machen wäre zumindest ein erster Schritt zu überfälligen Reformen.
Auf Dauer wird es aber keine Genesung geben, ohne das Gift von dem in Traditionis Custodes verkündeten Irrtum vom Novus Ordo als dem einzigen Ausdruck der Lex Credendi der lateinischen Kirche aus dem Organismus dieser Kirche auszuscheiden. Sonst wird die Einheit nicht wieder zu gewinnen sein.
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