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Novus-un-ordo II: Der Volksaltar stellt alles auf den Kopf

10. Oktober 2025

1 - Liturgie

Das Photo aus dem Katalog eines Anbieters für Kirchenbedarf zeigt eine besonders verflachte Form eines Liegekreuzes

Dieses Kreuz erregt keinen Anstoß

Der Novus-Ordo Anhänger, der den der Gemeinde zugewandten Volksaltar für ein unentbehrliches Kennzeichen der Reformliturgie hält, hat natürlich völlig Recht – auch wenn von dieser „Wendung zum Volk hin“ in der Konzilskonstitution SC nirgendwo die Rede ist. Tatsächlich die Editio Typicas des Missale Romanum und der Institutio Generalis bis auf den heutigen Tag die Zele­bra­tion „ad Dominum“ als Norm an – das geht eindeutig daraus hervor, daß an mehreren Stellen ausdrücklich ange­merkt ist, daß der Priester sich zu den Gläubigen umdrehen soll:

  1. Eröffnungsgruß (Nr. 25): "versus ad populum" - sich dem Volk zuwendend
  2. Orate fratres (Nr. 128): "ad populum conversus" - zum Volk hingewandt
  3. Friedensgruß (Nr. 133): "ad populum versus" - dem Volk zugewandt
  4. Bei der Kommunion (Nr. 142): "versus ad populum" - sich dem Volk zuwendend

Das ist kein Versehen oder eine irrtümliche Beibehaltung früherer Gewohnheit – in seiner Papierform sah der Novus Ordo tatsächlich vor, die traditionelle – und im übrigen in fast allen christlichen Gemeinschaften und auch bei vielen nicht-christlichen Reli­gi­onen – geübte Praxis beizubehalten, daß sie Offizianten und Beter gemeinsam der Gottheit zuzuwenden. Erst die Neuerungswut des Consiliums stellt diese offenbar tief im religiösen Empfinden der Menschheit verwurzelte Praxis auf den Kopf. Die rechte Ordnung des Verhältnisses von Christus als Hohem Priester, dem Altar und dem dort amtierenden Opferprister und der Gemeinde ist in SC (Abschnitt 7) durchaus korrekt niedergelegt:

Christus (ist) seiner Kirche immerdar gegenwärtig, besonders in den liturgischen Hand­lungen. Gegenwärtig ist er im Opfer der Messe sowohl in der Person dessen, der den priesterlichen Dienst vollzieht - denn "derselbe bringt das Opfer jetzt dar durch den Dienst der Priester, der sich einst am Kreuz selbst dargebracht hat" (20) -, wie vor allem unter den eucharistischen Gestalten.

Die Versammlung“ wird hier erst später und eher beiläufig erwähnt, wenn als letzter Punkt Matthäus 18,20 zur Gegenwart Christi in der Gemeinde zitiert wird. „Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen“. Auch im Weiteren (etwa SC 10-12) ist nur die Rede davon, daß die Versammelten am Opfer „teilnehmen“ – nicht etwa, daß sie es als Versammlung darbieten oder gar vollbringen. Daran halten auch die später (SC 26 – 32) folgenden konkreten Ausführungen zur „Natur der Liturgie als einer hierarchischen und gemeinschaftlichen Handlung“ fest. Der Gottesdienst folgt einer in der Sache begründeten festen Ordnung.

Doch wen interessiert das schwarz und weiß Niedergeschriebene, wenn der „Geist“ anderes einflüstert. Und so konnte es Bugnini und den anderen Vertretern der „neuen“ Theologie (die in Wirklichkeit in vielem nur eine wieder aufgewärmte Version prote­stantischer Vorstellungen darstellt) gelingen, in der „Institutio Generalis“ der Original­ausgabe des Missales von Paul VI. die Aussage unterzubringen, daß es sich bei der Hl. Messe. „um die Zusammenkunft oder Gemeinschaft des Volkes Gottes zur Feier des Herrengedächtnisses unter dem Vorsitz des Priesters“ (Art. 7) handle – von Opfer oder hierarchischer Ordnung oder dem Priester als „alter Christus“ ist mit keinem Wort die Rede – die „Versammlung“ ist alles. Das hat dann die bekannte Ottaviani-Intervention provoziert und Papst Paul VI. zu einer Richtigstellung genötigt. Seitdem enthalten alle Ausgaben von Missale und Institutio (soweit wir sehen auch die deutschsprachigen) einen Hinweis auf die unveränderte und tatsächlich unveränderbare Definition des hl. Messopfers als die unblutige Vergegenwärtigung des Erlösungsopfers Christi am Kreuz von Golgatha. Doch an der protestantischen Geisteshaltung einer Mehrheit des Klerus und inzwischen auch der Gläubigen zumindest in Deutschland hat das wenig geändert: Sie verstehen die wie man gerne sagt „Eucharistiefeier“ eben nicht als Opferhandlung, lehnen die sog. „Opfertheologie“ großenteils auch explizit als „veraltet“ ab und be­schränkt sich auf das Verständnis dieser Feier als Aktion der versammelten Gemeinde unter der Leitung eines „Vorstehers“.

Theologisches Vehikel zur Begründung und Förderung dieser Irrlehre ist ein Verständnis des „allgemeinen Priestertums aller Getauften“, das die Bedeutung des Taufsakraments übersteigert und die des Sakraments der Weihe reduziert oder den besonderen sakra­men­ta­len Charakter des Priestertums ganz bestreitet. Summorum Pontificum hat dazu bereits mehrfach Stellung genommen – etwa mit zwei Beiträgen vom September 2019 hier vom 18. und hier vom 28. September, deren Lektüre auch heute noch aktuell ist.

Dieses falsche Verständnis vom „allgemeinen Priestertum aller Getauften“, das heute an den meisten Fakultäten gelehrt und von vielen nach 1965 geborenen Gottesdienst­teil­neh­mern geteilt wird, findet im Volksaltar seinen sinnfälligsten Ausdruck. Der das Gebet anleitende Vorsteher und die versammelte Gemeinde haben die Hinordnung auf die „nach oben offene“ metaphysische Welt aufgegeben und bilden, wie das Joseph Ratzinger einmal ausgedrückt hat, einen „in sich geschlossenen Kreis“, der quasi aus eigener Kraft das tut und tun kann, was er für angebracht hält. Die meisten Gebetstexte des Novus Ordo wirken dem nicht entgegen, sondern fördern diese Tendenz noch.

Um den freien Blick auf den Vorsteher nicht zu behindern, ist das Kruzifix mit dem Bild des Geopferten Erlösers am Kreuz zum kaum noch wahrnehmbaren Liegekreuz ein­ge­schrumpft, denn das, worum es hier geht, macht die Versammlung der Gemeinde unter sich aus, da ist „auf Augenhöhe“ wichtiger. Mit zu den theologischen Versatzstücken gehört in diesem Zusammenhang ein Begriff von „participatio actuosa“, nach dem am besten jeder Anwesende sich irgendwo in dem Raum, der früher einmal das „Allerheilig­ste“ genannt wurde zu schaffen macht. Der Zelebrant samt seiner längst nicht mehr ver­standenen Aufgabe findet sich immer öfter zu den Sedilien abgedrängt.

Nicht selten wird er sogar ganz als entbehrlich betrachtet: In vielen Gemeinden und bei manchen Bischöfen, die den Priestermangel längst nicht mehr als Mangel empfinden, erfreuen sich „Wort-Gottes-Feiern“ zunehmender Beliebtheit; sie bieten dem Liturgie­ausschuß ein weites Betätigungsfeld und geben der ihr Theologie-Studium mit Aus­zeich­nung abgeschlossen habenden Pastoralreferentin endlich ein ihren Ambitionen entspre­chen­des Betätigungsfeld. Wobei – eine richtige Weihezeremonie mit Handauflegung durch eine Erzbischöfin würde die Sache erst richtig rund machen – doch das ist vorläu­fig noch den Anglikanern vorbehalten. Hier ist ein Paradox zu konstatieren: Während die Bedeutung des Priesteramtes ständig relativiert und reduziert wird, hält das von Idealen aus der bürgerlichen Demokratie getragene Streben nach „Gleichberechtigung“ der Frau als Priesterin unvermindert an.

Im Ergebnis von all dem erweisen sich der „Volksaltar“ und die „Eucharistiefeier“ viel­leicht nicht in der Papierform des Novus Ordo, so doch in der pastoralen Realität von Schafen ohne Hirten als signifikanter Ausdruck jenes neuen Glaubens, den der Moder­nismus unter Berufung auf den von ihm erfunden „Geist des Konzils in weiten Bereichen der Kirche bereits weitgehend durchgesetzt hat – im Deutschland des synodalen Weges bereits flächendeckend.

Eine Messfeier nach dem Reformritus von Bugnini und Paul VI. die ohne Volksaltar und ad Dominum stattfände muß einem rechten Anhänger des Konzilsgeistes daher zu recht als Symptom eines Abfalls von seinem neuen Glauben erscheinen: das ist mit der grund­stürzend erneuerten „Lex credendi“ nicht zu machen. Und genau bei diesem (Miß-)Ver­ständnis setzt Traditionis Custodes an, auf dessen Außerkraftsetzung wir wohl noch lange warten müssen.

In der anderen Richtung stellt sich die Frage übrigens weniger kritisch: Wo geo­gra­phi­sche oder archi­tek­tonischen Gegebenheiten es nahelegten, konnte der Altar zu jeder Himmelsrichtung und auch zu den Gläubigen hin aufgestellt werden. Im Notfall sorgte ein unübersehbares Altarkreuz für die korrekte Ostung des Geistes hin zum Sinnbild von Auferstehung und Wiederkunft des Herrn. Ganz zu schweigen von den Texten in Of­fer­torium und dem römischen Kanon, die in buchstäblich jeder Zeile den Inhalt der Hand­lung dem Dogma entsprechend ausdrücken. Da ist die Frage der Himmelsrichtung von sekundärer Bedeutung. Wirklich relevant wird sie erst mit der im Novus Ordo vorge­nom­menen inhaltlichen Verflachung und Entleerung der Meßtexte.

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