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Die Reise des Papstes in ein „christenrein“ gemachtes Land und „Nostra Ætate“

28. November 2025

6 - Kirchenkrise

Das mit KI verfremdete Photo zeigt eine Rekonstruktion der Hagia Sophia ohne Minarettee und mit Kreuz auf der Kuppel in einer antik-römischen Umgebung.

Die Hagia Sophia in Konstantinopel

Wenn Papst Leo und sein Gefolge in den kommenden Tagen die Türkei und den Libanon bereisen – hoffentlich hält Israel sich in diesen Tagen mit seinen Bombardements im Libanon zurück –, werden sie viele Ruinen besichtigen können. Genau genommen ist die ganze Region, die weit über die beiden besuchten Länder hinausreicht, eine einzige Ruine, ein einziger Friedhof: Die Grabstätte der frühen Christenheit, zerstört und begraben vom Ansturm der moslemischen Ero­be­rer der Spätantike und endgültig „christen­rein“ gemacht von den totalitären Ansprüchen modern/säkularistischer Regimes seit Ende des 20. Jahrhunderts.

Doch zunächst zur aktuellen Reise. Der Tourenplan beginnt durchaus folgerichtig mit einem Besuch im grandiosen Mausoleum von Mustafa Kemal Atatürk, dem Antkabir in An­ka­ra, hat als zweite Station dann eine Visite im ebenso grandiosen Palast von Staats­präsident Erdogan (errichtet 2011 – 2014). Von Ankara aus reist er dann nach Istanbul, dort wird er am Samstag die „Blaue Moschee“ besuchen (die Hagia Sophia steht nicht auf dem Programm) und dann zu anderen Orten, darunter auch Iznik, wo die römischen Gäste die Ruinen des alten Nikäa besichtigen können. Vorgesehene Treffen mit katho­li­schen Bischöfen sowie mit den Führungspersönlichkeiten anderer christlicher Kirchen sind als „privat“ deklariert, bei einigen wird es auch Gottesdienste geben – das ausführ­liche Programm ist bei VaticanNews einzusehen.

Sowohl Präsident Erdogan als auch der Imam der „Blauen Moschee“ und ebenso Papst Leo haben aus Anlaß der Reise davon gesprochen, die Reise könne dazu dienen, den „Dialog“ zu stärken, Mißverständnisse zwischen den Religionen auszuräumen und die gegenseitigen Beziehungen zu verbessern. Das ist anerkennenswert – wobei aber fraglich bleibt, inwieweit diese Vorhaben durch den Befund am Ort unterstützt oder nicht eher konterkariert werden. Vielleicht versteht man ja auch unter „gute gegenseitige Bezie­hun­gen“ nicht ganz das gleiche.

Die real existierenden Beziehungen zwischen Christentum und Islam sind seit dem Aus­greifen der Mohammedaner über die arabische Halbinsel ab dem 7. Jahrhundert von einem erbarmungslosen Einsatz von „Feuer und Schwert“ gekennzeichnet, mit den große Teile des ehemals christlichen Nordafrika, Westasiens und zeitweise auch Spaniens dem Islam (mögliche Übersetzung: „Friedensreich“) eingegliedert wurden. Kerneuropas Kontakt mit dem Islam wurde zumeist durch das Osmanische Reich (13. bis frühes 20. Jahrhundert) vermittelt und beschreibt eine einzige langdauernde Leidensgeschichte von Krieg Ausbeutung und Versklavung. Dabei waren die osmanischen Sultane während ausgedehnter Perioden ihrer Herrschaft noch nicht einmal von dem religiösen Fana­tis­mus (Übertritt oder Tod!) beseelt, der die Kalifen der früheren Zeit beherrscht hatte. Als Angehörige einer Feudalepoche wußten sie genau: Tote zahlen keine Steuern, und solange Christen (und Juden) zahlten, genossen sie einen bescheidenen Schutz. Die osmanisch besetzten Gebiete Griechenlands und des Balkans konnten weitgehend ihren christlichen Glauben bewahren, und auch im klein-asiatischen und westasiatischen Kernland des Reiches blieben bedeutende christliche Minderheiten jahrhunderte lang bestehen. Ihre Lage war immer prekär, oft aber über lange Zeiträume durchaus erträglich. Meist lebten die Anegehörigen der Religionen in eigenen geschlossenen Siedlungen, mal bestahl man sich gegenseitig, mal half man einander aus, und im übrigen ging man sich aus dem Wege. Kein Mensch sprach von Dialog, aber man praktizierte Koexistenz. Noch heute ist das Stadtbild jordanischer oder syrischer Kleinstädte von einem Nebeneinander von zentraler Moschee mit Minarett und eher am Rande gelegenen Kirche mit Kirch­turm bestimmt.

Zu Ende des osmanischen Reiches lebten in der Türke etwa 20% Christen, ~2/3 davon orthodoxe, ~1/3 armenische. Auch in Syrien, Jordanien und Ägypten gab es 10-20% christliche Einwohner. Diese Zahlenverhältnisse samt der oben erwähnte „prekären Koexistenz“ blieben auch unter der den Osmanen folgenden britischen, französischen und italienischen Kolonialherrschaft weitgehend erhalten – allerdings nicht in der Türkei, wo ein vielfach mit Gewalt vollzogener Bevölkerungsausstausch mit Griechen­land und der Völkermord an den Armenien (beides Anfang bis Mitte der 20er Jahre) den Anteil der Christen an der Gesamtbevölkerung nach der Volkszählung von 1927 auf unter 3% sinken ließen. Die, wie es heiß,t westlichen Werten verpflichteten mehr oder weniger „demokratischen“ Regierungen der Türkei haben den Vertreibungsdruck weiter­geführt; für das Jahr 2000 wird in der Türkei ein Christen-Anteil von 0.1% Armeniern (~50 000 Köpfe) und 0,005% Orthodoxen (unter 3000 Köpfe) angegeben.

Heute leben in der Türkei um die 40000 „westliche“ Christen, die „größere Hälfte“ davon sind Katholiken verschiedener Riten. Die übergroße Mehrheit der Christen in der Türkei sind keine türkischen Staatsbürger, sondern Geschäftsleute, Diplomaten oder Militär­an­gehörige; wie viele von diesen am Sonntag die Mitte des 19. Jh. mit Genehmigung des Sultans von Italienern erbaute „Heilig-Geist-Kathedrale“ in Istanbul (oder überhaupt eine Kirche) besuchen, ist nicht zu ermitteln.

Weder die leidvollen Ereignisse der Vergangenheit noch die grausamen Zahlenver­hälnis­se der Gegenwart sprechen gegen einen Papstbesuch in der Türkei, und Iznik/Nikäa ist allemal eine Reise wert. Die hier nur in gröbsten Strichen nachgezeichnete Geschichte des Christentums in der Türkei und Westasiens spricht dagegen mit donnernder Stimme gegen den naiven „Wir sind doch alle Brüder-Ton“ der 80-zeiligen Konzilserklärung Nostra Aetate (s. dazu hier), die inzwischen von der Globalisten-Fraktion in der Kirchen­führung zu einem alles andere bestimmenden Super-Dogma hochgejubelt worden ist – wozu es nach Form und Inhalt gänzlich ungeeignet ist. Wenn es eines der Dokumente des Konzils aus dem vergangenen Jahrhundert verdient hat, rückstandslos eingestampft zu werden, dann dieses.

Dabei trifft unser Hauptvorwurf noch nicht einmal die damaligen Verfasser, sondern die heutigen Theologen und Prälaten, die aus welchen Motiven auch immer, nicht nur immer noch an diesem Notizblatt guter Gesinnung festhalten, sondern es zu einer Art „obersten Direktive“ jedes kirchlichen Handelns verklärt haben. Die Verfasser von Nostra Aetate dürften 1965 im Durchschnitt eher über als unter 65 Jahre alt gewesen sein. d. h. sie ha­ben ihr religiöses und politisches Weltbild in einer Zeit ausgebildet, als der Islam – nicht zuletzt wegen der Kraftentfaltung europäischer Kolonialmächte – weltweit praktisch bedeutungslos und selbst in seinen Kernländern ohne große politische Macht war. Im übrigen war ihre Wahrnehmung des Islam geprägt durch den begrenzten Religions-Liberalismus, den die Osmanen (und später ihre europäisch-kolonialisierten Nachfol­ge­staaten) im 19. und mittleren 20. Jahrhundert gegenüber den von ihnen beherrschten Völkern praktizierten. Religionswissenschaftlich fundierte Kenntnisse über den Islam, seine verschiedenen „Konfessionen“ und seine „Hl. Schriften“ dürften selbst unter den Zuarbeitern dieser Verfasser Mangelware gewesen sein.

Unter diesen Umständen fiel es den Konzilsvätern leicht, sich in der vermeintlichen Position des größeren und mächtigeren Partners gegenüber dem kleineren „Bruder in Abraham“ dialogbereit und versöhnlich zu geben.

Inzwischen hat sich die weltpolitische und auch religionspolitische Situation völlig ver­ändert – insbesondere in Europa, wo die von Regierungen und Kirchen geförderte isla­mische Landnahme inzwischen ein Ausmaß erreicht hat, das für den ermüdeten und verfetteten Kontinent ein ähnliches Schicksal erwarten läßt, wie es dem römisch-christ­lichen Nordafrika des 7. Jahrhunderts zuteil geworden ist. Und dennoch hält das offi­zielle Rom an dem in „Nostra Aetate“ ausgedrückten überaus naiven Verständnis des Verhältnisses zum Islam fest, das sich in keiner Weise auf die tausendjährige Tradition des kirchlichen Lehrens und Handelns stützen kann. Doch das ist kein zukunftsweisen­des Konzept, sondern nur ein Beleg dafür, wie schnell sich manche Ideen, die den Vätern des II. Vatikanums als Eingebung des hl. Geistes erschienen sein mögen, als Ausgeburten eines mißgeleiteten oder schlichtweg uninformierten Zeitgeistes erwiesen haben.

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