Noch einmal Knoxville: Warum
Bischof Beckman die überlieferte Liturgie nicht mehr dulden will
03. Dezember 2025
Bischof Beckman von Knoxville
Im Rückblick auf die vergangene Woche hatten wir gemeldet, daß Bischof Beckman von Knoxville, der zunächst gemäß den Vorgaben von Traditionis Custodes die Feier der überlieferten Liturgie in seiner Diözese gänzlich „abgeschafft“ hatte, auf Druck der Anhänger der überlieferten Liturgie und Lehre erlaubt habe, zumindest einmal im Monat eine Messe nach den Büchern von 1962 in der Kapelle eines Exerzitienhauses zu zelebrieren. Das ist, wie wir inzwischen erfahren konnten, zwar sachlich zutreffend – aber in vielerlei Hinsicht ergänzungsbedürftig. Und zwar nicht nur wegen der eher am Rande unseres Interessenkreises liegenden texanischen Diözese, sondern wegen der Beispielhaftigkeit der dort abgelaufenen und noch ablaufenden Vorgänge und wegen der beunruhigenden Schlußfolgerungen, die sich aus deren Beobachtung für die ganze Kirche ergeben.
Zur Sache selbst können wir als Quelle einen Brief von Bischof Beckmann an die Gläubigen „seiner“ Diözese verwenden, der inzwischen einer größeren Öffentlichkeit bekannt gemacht worden ist. Wir fanden den Brief als Grafik auf der Website von Fr. Zuhlsdorf, wo wir ihn kopiert haben und etwas besser lesbar aufbereitet hier zum Download anbieten. Gleich im ersten Absatz, gibt Bischof zu erkennen, daß ihm bewußt ist, welchen Schmerz seine Anordnung vielen Gläubigen zugefügt hat, und er erkennt auch an, daß alle Zuschriften, die ihn erreicht haben, von Respekt und Lieber zur Kirche gekennzeichnet waren. Von „unter Druck“, wie wir geschrieben haben, kann also nicht die Rede sein. In den folgenden Absätzen breitet der Bischof dann einige Gedanken zum Hintergrund seines Vorgehens aus. Von allgemeinerem Interesse dabei ist zunächst der letzte Absatz der ersten und die beiden folgenden auf der zweiten Seite:
Während ich darüber nachdachte, welchen Kurs Papst Franzikus der Kirche 2021 mit Traditionis Custodes un den anschließenden Dokumenten vorgeben wollte, wurde mir deutlich, daß es der Wunsch (desire) des Heiligen Vaters ist, daß wir in der Richtung auf die Wiederherstellung einer Form für die Feier des römischen Ritus voranschreiten, so wie es die Liturgiereform vorschreibt, die von den Vätern des Zweiten Vatikanischen Konzils mit und unter Petrus angeordnet wurde und anschließend unter der Autorität des hl. Paul VI. promulgiert und dann vom hl. Johannes Paul II. revidiert und bekräftigt worden ist, und die die reguläre Form des römischen Ritus darstellt.
Zum Wohle der Einheit der ganzen Kirche ist der Gebrauch der außerordentlichen Form nun eingeschränkt worden. (Für Nicht-Pfarrkirchen…) kann die Erlaubnis zur Feier der Messe nach dem Missale von 1962 erteilt werden, während alle anderen Sakramente in der aktuellen Form zu feiern sind. Ich sehe einen großen Wert darin, daß wir jetzt in unseren Pfarrkirchen einem einheitlichen Kalender folgen und über die Fülle des revidierten Lektionars verfügen. Gegenwärtig weist alles darauf hin, daß Papst Leo nicht beabsichtigt, Traditionis Custodes aufzuheben, welches weiterhin die autoritative Richtlinie für die Universalkirche darstellt.
Die beiden folgenden Absätze beschreiben – von hier aus eher nebensächlich – wie der Bischof auf die zu keiner Pfarrei gehörende Kapelle des Exerzitienhauses aufmerksam wurde, in der er nun einmal monatlich die Zelebration im überlieferten Ritus gestattet. Aufschlußreicher ist der dann folgende letzte Absatz:
Ich weiß, daß Sie es vorziehen würden, diese Messfeier in Ihrer Pfarrkirche weiterführen zu können und bin mir zutiefst des Leidens und des Verlustes, den sie empfinden, bewußt. Ich glaube, daß die Reform der Liturgie so wie vom Zweiten vatikanischen Konzil angeordnet und von den Heiligen Paul VI. und Johannes Paul II. durchgeführt worden ist, ein Geschenk des Heiligen Geistes für die ganze Kirche ist. Nach meinem Urteil ist die Weisheit von Papst Franziskus in Traditionis Custodes ebenfalls vom Heiligen Geist geleitet, und deshalb habe ich entschieden, keine Dispens vom Verbot der Feier nach dem Missale von 1962 in Pfarrkirchen und -kapellen zu erbitten. Ich bitte Sie, auf die Führung des Herrn für seine Kirche und auf sein Versprechen, bis zum Ende der Zeit bei ihr zu bleiben, zu vertrauen. Seien sie meiner herzlichen Liebe und meines Gebetes für Sie in dieser Zeit des Übergangs versichert. Ich bin täglich mit meiner Liebe bei Ihnen!
Frieden und Segen im Herrn…
Was aus diesen Absätzen hervorgeht, ist zweierlei: Zum einen, daß Bischof Beckman kein bewußter Kirchenzerstörer ist und sehr wahrscheinlich auch kein Lügner und Heuchler, der sich mit schönen Worten aus der Klemme ziehen will. Er ist ein ganz gewöhnliches Kind des Konzilsgeistes und meint, damit wäre er auch ein treuer Sohn der Kirche. Er glaubt, was er sagt, und hält für richtig und geboten, wie er es sagt – so hat er es gelernt. Er meint es gut – und jeder weiß, was bei „gut gemeint“ herauskommt.
Zum anderen: Seine als „Gehorsam“ mißverstandene fromme Autoritätsgläubigkeit, wie sie nicht zuletzt in der mehrmaligen Anrufung der heiliggesprochenen Konzilspäpste zum Ausdruck kommt, spricht dem ganzen Kirchenregiment und pastoralen Gerede der Zeit seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil ein vernichtendes Urteil. Hinter vielen schönen Worten steckt da allzuoft der alte autoritäre Klerikalismus: Wir wissen schon, was für dich gut ist. Zwar sieht Beckman das Leid und die Not eines nicht unbedeutenden Teils der ihm anvertrauten Herde – aber er ist völlig unfähig, daraus Folgerungen für sein Handeln abzuleiten. Ja, wenn es um „wiederverheiratete“ Geschiedene ginge, wäre er vielleicht fähig und bereit, ihren Kummer über „ungerechte Diskriminierung“ zu lindern und sie beim gemeinsamen „Gang zum Tisch des Herrn“ wohlwollend zu begleiten. Zumal ihm genug höhere Hierarchen augenzwinkernd versichern, hier sei Nachsicht angeraten, von wegen „moderner Lebenswelt“ und so. Aber wo es um das abstrakte Gut einer so in der Kirche niemals verwirklichten oder auch nur angestrebten liturgischen Einheitlichkeit geht, folgt er ohne Rücksicht auf Verluste dem „desire“ des gerade amtierenden und in vielem höchst umstrittenen Amtswalters.
Wer dafür alleine den in jeder Verwaltungsstruktur anzutreffenden Opportunismus verantwortlichen machen wollte, greift vermutlich zu kurz. Aus den Worten des Bischofs spricht auch ein beklagenswertes Unwissen über Geschichte und Verlauf der sogenannten Liturgiereform, die von vielen ernstzunehmenden Theologen als „Deform“ begriffen wird – Papst Ratzinger, der in ihr das „plattes Produkt eines Augenblicks“ erkannte, eingeschlossen. Und die größere „Fülle“ des revidierten Lektionars wird zwar von liturgischen Ignoramussen gelobt – die dabei mit Absicht übersehen, daß dort (ebenso wie in vielen Orationen) „schwierige Stellen“ verschleiert oder ganz ausgelassen werden. Das revidierte Lektionar bietet zwar mehr Text und mehr Druckerschwärze – inhaltlich aber keinesfalls „Fülle“, sondern Magerkost. Wie so viele Bischöfe geht er dem vom Konzilsgeist eingeflüsterten Irrglauben auf den Leim, die von Papst Paul VI. promulgierte Messe sei die vom Konzil gewollte – und die in der Großzahl von Pfarreien begangene „Eucharistiefeier“ entspreche dem Missale Pauls VI. (S. dazu ausführlicher hier)
Noch bedenklicher erscheint die Unbekümmertheit, mit der Leute wie Bischof Beckman sich über das sonst von ihnen – oder den für sie maßgeblichen Theologen und Hierarchen – hochgehaltene – Leitbild der „Orientierung an der Lebenswelt der Menschen“ hinwegsetzen, wo es um die Liturgie geht. Die angeblich entsprechend Lebenswelt und Bedürfnissen des „modernen Menschen“ designte moderne Liturgie hat die in sie gesetzten Hoffnungen und Erwartungen in keiner Weise erfüllt – zumindest nicht da, wo die überlieferte Liturgie seit Jahrhunderten mit einer in christlichem Geist geformten Lebenswelt verschmolzen war. Jede Statistik macht es so deutlich, daß auch versteinerte Reformtheologen es eigentlich nicht übersehen können sollten: Die Katholiken haben sich in hellen Scharen von der (angeblich) für sie entwickelten Reformliturgie abgewandt – und auch von der ganzen damit im Einklang stehenden Reformtheologie. Die Sakramente, auf deren reformierter Form Beckman getreu Traditionis Custodes bestehen will, werden immer weniger wahrgenommen. Beichte und Krankensammlung stehen zumindest in Mitteleuropa auf dem Aussterbeetat. Zuerst ist die Zahl der vom Priester gesegneten Eheschließungen dramatisch zurück gegangen, inzwischen auch die Zahl der Taufen. Nur die Erstkommunion und Firmung stehen etwas besser da – aber da gibt es ja auch reichlich Geschenke.
Gewiss: „Erfolg“, zumindest in Zahlen ausgedrückt, ist keiner der zahllosen Namen Gottes. Aber das krachende Scheitern menschengemachter Gedankengebilde der Führung des Heiligen Geistes zuzuschreiben, wie das nicht nur die zahllosen Beckmänner auf Kirchen und Lehrkanzeln seit 60 Jahren tun, grenzt an Gotteslästerung.
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