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Der Quatembersamstag im Advent - Inkarnation und Erlösung

20. Dezember 2025

1 - Liturgie

Die (moderne?) orthodoxe Ikone im klassischen Stil zeigt die drei von Christus als „Engel des Herrn“ beschützten Jünglingee im Feuerofen des Königs Nebukadnezar

Vorgestalt und Vorbild des Erlösungsopfers

Ein kurzer Rückblick: Der Quatemberfreitag des Ad­vents nimmt in der Vorausschau auf die nahende Ankunft des Erlösers „im Fleisch“ die Gedanken des vorhergehenden Mittwochs auf und verstärkt sie noch einmal: „Nahe bist Du, Herr, und alle Deine Wege sind Wahr­heit“ zitiert der Introitus Psalm 118 (alle Psalm­ver­weise nach Zählung der Vulgata). „Biete Deine Macht auf, und komm“ fleht das Tagesgebet im Geist von Psalm 7. Die Lektio nach Isaias 11, 1-5 bringt die Prophezeiung „Ein Reis wird hervorgehen aus der Wurzel Jesse“; und Graduale so­wie Offertorium stützen sich auf Psalm 8: „Erzeige uns Herr, Deine Barmherzigkeit und schenke uns den Heil. Die Com­munio vollendet den Gedanken mit der Prophezeiung des Henoch: „Siehe, der Herr kommt, und alle seine Heiligen mit ihm“ (Judas 1, 14, nach Sa­char­ja 14, 5). Noch weihnachtlicher geht nicht.

Der Quatembersamstag wendet sich demgegenüber mit Psalm 79, 4 zunächst wieder tie­fer in die Zeit der Erwartung zurück: „Komm, zeige uns Dein Angesicht, o Herr, der du thronst über den Cherubim“ und stellt im Übrigen den Gedanken von Schuld und Sühne ins Zentrum. Besonders deutlich im Tagesgebet: „Wir bitten Dich, o Herr, erhöre gnädig das Flehen Deines Volkes. Wir werden ja zu Recht für unsere Sünden gezüchtigt, doch lass uns durch die Begegnung mit Deiner Güte getröstet werden.“ Das Bewußtsein von Sündhaftigkeit und Erlösungsbedürftigkeit ist stark.

Doch die Liturgie des Tages, die mit insgesamt sieben Lesungen (ursprünglich waren es sogar einmal zwölf) deut­lich aus dem üblichen Schema des Mess-Ordo herausgehoben ist, bleibt dabei nicht stehen. Die sieben Lesungen behandeln wichtige Stationen der Heilsgeschichte des Volkes Israel, als dessen aus der völkischen Enge gelösten Fortsetzer und Erben sich die Kirche seit Alters her versteht und Blicken aus der Perspektive der Ankunft des verheißenen Messias und der vollzogenen Erlösung auf diese Geschichte zurück. (s. dazu auch hier)

Geradezu materiale Qualität gewinnt dieser Rückblick dadurch, daß zwischen diese Lesun­gen die Weihen der Kandidaten für das Priesteramt eingeschoben sind. Das Opfer der Erlösung ist vollendet, und seit dieser Vollendung wird es täglich im heiligen Meß­opfer durch das Opfer des „in persona Christi“ handelnden Priester gegenwärtig gesetzt. Kosmisch gesehen hat die Erwartung des Advent, der Ankunft des Herrn, ihr Ziel er­reicht – auf der menschlichen Ebene muß und kann diese Vollendung mit der Gnade Gottes nachvollzogen und so auch individuell erreicht werden. Als Erdenmenschen leben wir somit quasi immer in der doppelten Perspektive der Erwartung der Begegnung mit dem Herrn und dem wissen um seine bereits erfolgteA nkunft und wirkmächtige Gegen­wart. In unserem Beitrag „Quatembersamstag ist Weihetag“ zur Herbstquatember 2016 haben wir diesen vielschichtigen Zusammenhang mit einem ausführlichen Zitat aus dem Liber Sacramentorum des Sel Ildefons Schuster näher beleuchtet.

Eine genau diese Zusammenhänge zum Ausdruck bringende Besonderheit der Liturgie des 4. Adventssonntag ist die Tatsache, daß als Graduale nach der V. Lesung der Hymnus der „Drei Jünglinge im Feuerofen“ (Daniel 3, 52-56) gesungen wird – der seinerseits nichts anderes als eine zur Litanei erweiterte Variante von Psalm 148 darstellt und das ganze Panorama des nach göttlichem Willen „wunderbar erschaffenen und noch wunder­barer erneuerten“ Kosmos besingt. Die Einbeziehung dieser Litanei an dieser Stelle der Liturgie verdeutlicht noch einmal wie unter einer Lupe den großen Zusammenhang von der Zeit der Erwartung im alten Bund über den Beginn des Neuen Bundes mit Inkarna­tion und Geburt Christi „in der Fülle der Zeit“ und die vollzogene Erneuerung (und Erweiterung) dieses Bundes durch das Kreuzesopfer und dessen überzeitliche Fort­füh­rung durch die an diesem Samstag zu weihenden „Priester nach der Ordnung des Mel­chi­sedech“.

Und wenig kann den Ungeist der herrschenden Köpfe der Liturgiereform besser kenn­zeichnen als die Tatsache, daß sie diesen Hymnus (und die meisten anderen Cantica des alten Testaments) aus ihrem Reform-Machwerk entfernten, weil diese Gesänge ihrer beschränkten Sehweise nach „eine psychologische Barriere“ für das moderne christliche Gebet darstellten - während sie andererseits glaubten, die Leseordnung durch zahllose unkommentierte alttestamentarische Perikopen erweitern zu sollen. Zwar hatte die Mehr­zahl der Mitglieder des Reformconsiliums ausdrücklich für die Beibehaltung der Cantica votiert und in diesem Sinn einen Appell an Papst Paul VI. gerichtet – doch dieser folgte den Einflüsterungen von Bugnini & Co und ließ die Verstümmelung passieren.

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