Una-Voce-Korrespondenz 2017-IV
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- 13. Dezember 2017
In diesen Tagen ist die vierte Ausgabe der Una Voce Korrespondenz für das Jahr 2017 herausgekommen. Sie hat zwei diesem Jahr gemäße Schwerpunkte: 10 Jahre Summorum Pontificum und „Nachdenkliches zum Reformationsgedenken“. Und da das so groß und raumgreifend angekündigte „Jubiläum 500 Jahre Reformation“ in diesen Tagen eher sang- und klanglos zu Ende geht, werfen wir noch schnell einen Blick auf die entsprechenden Beiträge der UVK. Summorum Pontificum bleibt uns als Dauerthema noch länger erhalten.
Erster Beitrag zum Reformationsgedenken ist eine Betrachtung von Gerhard Kardinal Müller zur Frage „Was bedeutet Reform in der Kirche“? Der Text geht zurück auf eine Ansprache, die der Kardinal am 16. Oktober anläßlich der Entgegennahme der Ehrendoktorwürde der Päpstlichen Universität Johannes Paul II in Krakau gehalten hat. Das setzt einen Kontext, der es unmöglich macht, die Rede nicht auch und vor allem in Bezug auf aktuelle Reformbestrebungen zu lesen.
Im historischen Rückblick widerspricht Kardinal Müller der beliebten These, die in der Kirche die Hauptmacht eines rückständigen, welt- und letztlich menschenfeindlichen Verständnisses sieht, das durch die Reformation zugunsten eines weitgehend säkular verstandenen Fortschritts aufgebrochen worden sei. Reform versteht er unter Rückgriff auf den Römerbrief als den Impuls, sich eben nicht dieser Welt anzugleichen, sondern das Denken zu reformieren und zu erneuern „damit ihr prüfen könnte, was Gottes Wille ist; was ihm gefällt, was gut und vollkommen ist“ (Röm 12,2). Den Reformatoren des 15. und 16. Jahrhunderts gesteht er durchaus zu, daß sie dieses Verständnis teilten – von daher seien sie mit ihren persönlichen Absichten nicht so weit von der Kirche entfernt, wie das angesichts der tatsächlich eingetretenen Entwicklung erscheinen könne.
Für viele „Reformer“ der Gegenwart sieht er das kritischer:
Gegenwärtig versteht man unter den Reformen, die für notwendig gehalten werden, eher eine Verweltlichung der Kirche. Die nicht lebbaren Gebote Gottes sollen auf Ideale reduziert werden, die jeder nach seinem Wissen und Gewissen anstreben kann, aber keineswegs muß, um mit sich ins Reine zu kommen oder im irdischen Sinn sich glücklich zu fühlen. Die Kirche dient nicht mehr der Welt auf ihrem Weg zu Gott, sondern dient sich ihr an, damit sie sich als eine von vielen gesellschaftlichen Initiativen nützlich macht und somit iohr Existenzrecht unter Beweis stellt“.
Von daher widmet sich der Kardinal im zweiten Teil seiner Ausführungen in einigen Punkten sehr detailliert aktuellen „Reform“-Ideen. Auch hierzu ein Zitat:
Wenn heute von der Reform der Kirche oder von den Reformen in der Kirche die Rede ist, ergibt sich sofort die Frage, was wir tun können und machen sollen. Wir veranstalten einen Dialogprozess, wir beauftragen eine Beraterfirma, die sich in der Wirtschaft und im Bankenwesen glänzend bewährt hat (…) Wir Organisieren irgendeine Aktion in der Pfarrei und Diözese und gründen eine weitere Kommission... Das alles ist zu pelagianisch gedacht. Man meint: Erst müssen wir etwas tun, damit wir bei den Menschen etwas erreichen und damit am Ende schließlich der Heilige Geist seinen Segen dazu gibt. Der Apostel Paulus setzt aufgrund seiner Lehre vom Primat der Gnade vor dem Tun umgekehrt an: Nicht wir sollen uns der Welt angleichen.... Wir sollen unser Denken examinieren und reformieren, damit wir Gottes Willen erkennen und, indem wir ihm gehorchen, gut und vollkommen werden.“
Der auf Müller folgende Beitrag von Robert Mildenberger behandelt das Thema „Luther und die Philosophie“. Ausgangspunkt von Mildenbergers Darstellung ist die Feststellung, daß Luther aus seiner Sicht der von Grund auf verderbten Menschennatur auch die Vernunft und die vernunftgestützte Philosophie verworfen hat und damit die Zugangswege des Menschen zu Gott und zur Erlösung entscheidend einschränkte. Wirklich neu oder gar revolutionär sei diese Haltung allerdings nicht gewesen – Mildenberger sieht Luther in dieser Hinsicht in der Tradition des Ockhamistischen Nominalismus.
Im Gegensatz zu romantischen Traditionen, die Luther als einen Vordenker moderner Rationalität gegen mittelalterlich-klerikalen Obskurantismus darstellen, verweist er auf Luthers Gegnerschaft zum aristotelischen Denken und darauf, daß er damit das philosophische Denken in Deutschland auf zwei Jahrhunderte beeinträchtigt und nahezu wirkungslos gemacht habe. Im Einzelnen diskutiert er die Berechtigung dieses Vorwurfs anhand eines Detailkommentars zu den Thesen 31 – 40 der Heidelberger Disputation von 1518. Die Einzelheiten dieser Diskussion sind wohl nur für Spezialisten nachvollziehbar – deshalb hier gleich ein Sprung zum Fazit dieses Abschnitts:
Luthers Thesen in seiner Heidelberger Disputation gehen nicht von einem philosophisch informierten Standpunkt aus, sondern, benevolent verstanden, von rein theologischen Anliegen. Die Ewigkeit der Welt widerspricht dem Glaubenssatz von Gottes schöpferischer Allmacht. Die Unsterblichkeit des intellectus scheint im Widerspruch zur Unsterblichkeit der Seele und zur Auferstehung des Leibes zu stehen... Ein genaueres Studium der Aristoteleskommentare des Thomas von Aquin (…) würde zeigen, daß Aristoteles konstruktiv zum Verständnis der geistigen und materiellen Schöpfung Gottes beiträgt und somit ein Verbündeter, keineswegs ein Feind des Glaubens ist.
Im weiteren Verlauf seiner Betrachtung lenkt Mildenberger die Aufmerksamkeit des Lesers auf den Nominalismus, der nach zeitweiliger Zurückdrängung im Zuge der Entstehung moderner Naturwissenschaft derzeit eine mächtige Renaissance erlebt: Der geradezu diktatorisch herrschende Subjektivismus, Relativismus und (Rechts)Positivismus haben dort starke Wurzeln. Es ist eine bemerkenswerte Entwicklung, daß der rationalitäts-skeptische Luther als einer der stärksten Wegbereiter der – in ihrem Selbstverständnis – allein der Vernunft verpflichteten Moderne gilt und in dieser Moderne nun die antirationalistischen und antiphilosophischen Tendenzen im Denken des Reformators erneut übermächtig hervortreten.
Den 3. Beitrag zum Abschluß des „Lutherjahres“ in der aktuellen UVK bildet der 2. Teil des ausführlichen Artikels von Heinz-Lothar Barth „Papst Franziskus‘ erstaunliche Aussagen zum Lutherjubiläum 2017 und die Wahrheit über die Reformation“. Der erste Teil war in der vorhergehenden Ausgabe abgedruckt. Wegen seine Umfangs muß dieser Text einer Einzeldarstellung vorbehalten bleiben – wegen seines Aktualitätsbezuges bildet er jedoch ein starkes zusätzliches Argument, sich die beiden letzten Ausgaben der UVK zu beschaffen.
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