Motu Proprio: Summorum Pontificum

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Zusatzinfo

Der Kampf um das Konzil

Konzilien und so - was ist eigentlich das Verbindliche am 2. Vatikanum?

18. 3. 2002

Fr Seán Finegan von Valle Adurni - nicht zu verwechseln mit His Hermeneuticalness Fr Tim Finigan - hat sich mit der Frage beschäftigt, die derzeit vielen zu schaffen macht: Was hat das 2. Vatikanum eigentlich beschlossen? Was nimmt man an, wenn man sich zu seinen Lehren bekennen will oder soll? Hier seine vorläufigen Überlegungen, eine Fortsetzung ist angekündigt. Fr Finegan ist Pfarrer im südenglischen Sussex.

Oft zwingen historische Umstände die Kirche dazu, Dinge zu durchdenken, die bis dahin nie durchdacht worden sind. In unserer Zeit wirft der Fall der Piusbruderschaft die Frage auf was denn eigentlich ein Konzil ausmacht, welche Verbindlichkeit seinen Lehren zum Glauben und zur Disziplin zukommt, und in welchem Umfang die Gläubigen sich ihm unterwerfen müssen, damit sie als katholisch bzw. als rechtgläubig gelten können. Müssen Bischof Fellay und seine Getreuen jeden Punkt und jedes Komma eines jeden Konzisdokumentes unterschreiben, um als Katholiken gelten zu können?

Nun, dazu einige unsystematische Überlegungen.

Beim 2. Vatikanum

1. Das Wort ‚Konzil‘, ‚Ratsversammlung‘ ist sehr unpräzise. In der frühen Kirche gab es alle möglichen Arten von ‚Ratsversammlungen‘, denen man mehr oder weniger hohe Autorität zuschrieb. Einmal im 4. Jahrhundert erklärte eine kleine Bischofsversammlung von ich denke 24 Bischöfen unter dem Vorsitz von Athanasius von Alexandrien ein halb-arianisches Konzil von etwa dreihundert Bischöfen für unrechtmäßig. Ein anderes Kriterium der Verbindlichkeit betrifft die Ökumenischen Konzilien. Das sind Ratsversammlungen der Ökumene, der ganzen Welt – oder zumindest der Teile der Welt, die man für bedeutend hielt – und das bedeutete faktisch des römischen Reichs. (Ich habe nie etwas davon gehört, daß Christen aus Irland oder Persien an einem der frühen ökumenischen Konzile beteiligt gewesen wären, aber vielleicht weiß es jemand anderes besser). Allgemein gilt die Ratsversammlung von Nicaea 325 als das erste ökumenische Konzil. Aber was verleiht dieser Versammlung größere Autorität als den anderen zahlreichen Versammlungen, die damals stattfanden. Hielten die Teilnehmer es für besonders autoritativ, weil dort mehr Bischöfe versammelt waren als zuvor? Der Westen war eher schwach vertreten, und das Verhalten einiger Teilnehmer in der Folgezeit (Etwa Eusebius‘ von Nikomedia) legen die Antwort nahe, daß sie ihm keine solche besondere Autorität zumaßen.

Eine mögliche Antwort wäre, daß die Teilnahme des Bischofs von Rom eine conditio sine qua non ist, um einem Konzil universelle Verbindlichkeit zuzuschreiben. Jedenfalls ist es zutreffend, daß die Päpste bzw. ihre Repräsentanten an allen als ökumenisch verstandenen Konzilien teilgenommen haben – aber auch an einigen Ratsversammlungen, die nicht als ökumenische Konzilien gelten.

Es gibt auch Teile von ökumenischen Konzilien, die heute keine Beachtung mehr finden. Das betrifft größtenteils Fragen der Disziplin, aber auch solche waren teilweise mit einem Anathema bewehrt. Wie steht es um deren Verbindlichkeit? Was ist mit einem Bischof, der gegen das Verbot verstößt, das Bischofsamt in einer anderen Diözese zu übernehmen – das wurde in Nicaea als analog zum Ehebruch verurteilt. Aber selbst einer der Teilnehmer von Nicaea, Eusebius von Nicomedia, der übrigens auch schon vor Nicomedia einen anderen Bischofssitz innegehabt hatte, übernahm kurz nach dem Konzil den Stuhl von Konstantinopel.

Beim 1. Vatikanum

2. Das nächste Problem ist das der Unterscheidung von Abhandlungen und Lehraussagen (canones). Die meisten Konzilien strukturierten ihre Texte in Form von Abhandlungen, denen kanonische Lehraussagen folgten. Diese Lehraussagen gelten allgemein als der Teil, der für Katholiken zu glauben verbindlich ist, sie enthalten in der Regel ein ‚anathema sit‘, das diejenigen verurteilt, die eine entgegengesetzte Ansicht vertreten. Die vorangestellte Darlegung ist wichtig, aber sie verlangt nicht die vollinhaltliche Anerkennung, die der Lehraussage zukommt.

Beim 2. Vatikanum ist das anders: Der Sel. Papst Johannes XXIII. hatte erklärt, es solle ein ‚Pastoralkonzil‘ sein und keine mit einem Anathema bewehrten Lehraussagen treffen. Die Folge ist, daß wir jetzt nur Abhandlungen haben und keine Lehraussagen. Und nun gibt es Leute, die den gesamten Texten des 2. Vatikanums volles dogmatisches Gewicht und unfehlbare Verbindlichkeit zusprechen wollen – dazu wäre es wohl nie gekommen, wenn man verbindliche Lehraussagen formuliert hätte.

Das ist eine extrem wichtige Feststellung. Während die allgemeinen Ausführungen der Texte früherer Konzilien oft relativ offen, modern gesagt, diskursiv, formuliert sind, bemühen sich die mit dem Anathema bewehrten Lehraussagen um äußerste Präzision, so daß jeder genau wissen konnte, was das Konzil sagen bzw. als unzulässig verurteilen wollte. Genau diese Klarheit fehlt den Texten des 2. Vatikanums in allzuvielen Fällen.

3. Ein zusätzliches Problem ist, daß diejenigen, die jetzt so streng auf der wörtlichen Unterwerfung unter das 2. Vatikanum bestehen, sich wahrscheinlich viel weniger an seinen Wortlaut halten als Bischof Fellay. Ich denke, daß Bischof Fellay weitaus mehr von dem, was diese Dokumente enthalten, glaubt und lehrt als diejenigen, die ihn kritisieren und herabsetzen. Was seine Gegner unter dem 2. Vatikanum verstehen sind nicht die Dokumente dieses Konzils, sondern der nachkonziliare ‚Geist des Konzils‘.


Soweit also Fr Seán Finegan - sobald die versprochene Fortsetzung erscheint, wollen wir sie hier gerne anschließen. Als kleine Ergänzung unsererseits und zur Illustration hier eine der Lehraussagen des 1. Vatikanischen Konzils, die 1870 in eindeutiger Form als verbindliche Lehre der Kirche formuliert worden ist:

Zitat: Wer sagt, es sei möglich, daß man den von der Kirche vorgelegten Glaubenssätzen entsprechend dem Fortschritt der Wissenschaft gelegentlich einen anderen Sinn beilegen müsse als den, den die Kirche verstanden hat und versteht, der sei ausgeschlossen.“

(Die Allgemeine I. Kirchenversammlung im Vatikan (1. Vatikanisches Konzil bzw. Vaticanum I), 3. Sitzung, 1870, Lehrsätze über die religiöse Erkenntnis)