Motu Proprio: Summorum Pontificum

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Missverständnisse

Auf dieser Seite werden populäre Missverständnisse - manchmal handelt es sich auch um absichtsvolle Fehldarstellungen - in möglichst kurzer Form dargestellt. Für einzelne dieser Stichworte wird es auch ausführliche Einzelartikel geben. Die Seite wird ständig erweitert.

Die "lateinische Messe" ist wieder erlaubt

Hier liegen gleich mehrere Irrtümer in der Luft:

  1. Die lateinische Sprache war (und ist) auch nach Beschluss des 2. Vatikanischen Konzils die liturgische Sprache der katholischen Kirche. Es wurde lediglich erlaubt, den Nationalsprachen mehr Raum zu geben. Latein war auch die offizielle Sprache der Liturgie nach dem Messbuch von 1970 - daß die lateinische Sprache dennoch praktisch fast völlig aus der Liturgie verschwunden ist, stellt eine Fehlentwicklung dar, die von Papst Benedikt mehrfach bedauert worden ist. Im Zuge der aktuellen Diskussionen bahnt sich jetzt eine Entwicklung an, daß auch die "neue Liturgie" wieder öfter in lateinischer Sprache gefeiert wird.
  2. Die jetzt offiziell als "älterer Gebrauch" (usus antiquior) bezeichnete Form der römischen Liturgie unterscheidet sich nicht nur durch die reguläre Verwendung der lateinischen Sprache von der neuen Form des Jahres 1970. Diese Form betont die Kontinuität zur Tradition der Kirche und hat eine andere Leseordnung und einen anderen Kalender als die neue Form.
  3. Wie der Papst jetzt ausdrücklich bestätigt hat, war der "ältere Brauch" nie verboten und genießt volles Recht als gültiger Ausdruck der Liturgie der Kirche.

Aber Latein versteht doch heute kein Mensch mehr.

Nun, dafür gibt es Übersetzungen in praktischen zweisprachigen Ausgaben - da kann man jederzeit verfolgen, was da in der fremden Sprache geschieht. Und gerade in Zeiten der Globalisierung, die Menschen aus verschiedenen Ländern zusammenbringt, ist es durchaus sinnvoll, eine gemeinsame gottesdienstliche Sprache zu haben: Jeder ist in jedem Gottesdienst auf der ganzen Welt zuhause.

Der eigentliche Wert des Latein als Sprache für den Gottesdienst liegt jedoch nicht im praktischen Bereich. Es ist eine Illusion, anzunehmen, die Geheimnisse, deren die Kirche in der Feier der hl. Messe gedenkt, würden daduch leichter verständlich, daß sie in einer "verständlichen" Sprache ausgedrückt werden. Die Verwendung des Latein als sakrale Sprache schafft Abstand und bewirkt eine Verfremdung - dadurch wird immer wieder darauf hingewiesen, daß es einer besonderen Anstrengung bedarf, sich den Inhalten, um die es hier geht, zu nähern.


Die "tridentinische Messe" stammt aus dem 16. Jahrhundert

Der Auftrag des Konzils von Trient (1545-1563) bestand keinesfalls darin, eine neue Form der Messfeier zu erarbeiten. Es ging im Gegenteil darum, die während der Wirren der Reformationszeit vielfach entstandenen zweifelhaften Neuerungen zu beseitigen und das Messbuch wieder auf den Stand der katholischen Lehre zu bringen. Dieser Auftrag wurde getreulich ausgeführt, und das so entstandene Messbuch Pius V. unterschied sich schließlich nur in wenigen Einzelheiten von dem Missale der vorhergehenden Jahrhunderte. Tatsächlich geht die sogenannte "tridentinische Messe", die jetzt als "ältere Form" bezeichnet wird, in wesentlichen Bestandteilen bis auf das 5. Jahrhundert zurück.

Das "neue" Messbuch Pius V. wurde auch keineswegs verpflichtend für die ganze Kirche eingeführt: Alle Ortskirchen und alle Gemeinschaften, die Bücher verwandten, die älter als 200 Jahre waren - d.h. mit ausreichendem Sicherheitsabstand vor den Reformationswirren entstanden waren - durften ihre Bücher und die dem entsprechenden Riten behalten. Von dieser Erlaubnis wurde auch umfangreich Gebrauch gemacht - zu einer stärkeren Vereinheitlichung kam es erst im späten 18. und vor allem im 19. Jahrhundert.


Bei der alten Messe wendet der Priester der Gemeinde den Rücken zu

Das kann so aussehen, ja. Die Bedeutung dieser Aufstellung ist aber eine ganz andere: Der Preister wendet sich nicht etwa von der Gemeinde ab, sondern Priester und Gemeinde wenden sich gemeinsam Christus zu. Seit Alters her gilt der Osten (oriens), der Sonnenaufgang, als Zeichen der Hoffnung, und so erwartet schon die alte Kirche die Wiederkunft Christ im Osten und wendet sich zum Gebet in diese Richtung. Schon früh wurden daher auch die Kirchen so gebaut, daß Priester und Gemeinde sich gemeinsam "zum Herrn hin" orientieren, konnten. Wie in einer feierlichen Prozession gehen und stehen Priester und Gemeinde in Richtung auf den geografischen oder liturgischen Osten


Die Laien werden von der Teilnahme ausgeschlossen

Dieser Einwand beruht auf der Vorstellung, daß man nur dann "richtig" an der heiligen Messe teilnehme, wenn man sich "einbringt", wie man vielleicht an einer Theateraufführung teilnimmt: Man trägt oder singt etwas vor, agiert im Altarraum, übernimmt zum Zeichen der Gleichberechtigung der Laien Aufgaben, die früher „Privileg“ des Priesters waren.

Die Gefahr ist groß, damit den Sinn der Teilnahme an der heiligen Feier vollständig zu verfehlen. Die hl. Messe ist weitaus mehr als eine Aktivität der versammelten Gemeinde - sie ist die Erneuerung des Erlösungsopfers Christi. Die Initiative bei diesem kosmischen Drama geht nicht von der Gemeinde und auch nicht vom Priester aus - der eigentlich Handelnde ist immer Christus. Sich ihm im Gebet und in der Opfergesinnung anzuschließen ist die Form der Teilnahme, auf die es ankommt.


Der Papst dreht die Uhr vor das Konzil zurück

Hier ist eine Vorbemerkung angebracht: Das Konzil der Jahre 1962-1965 war das 2. Vatikanische Konzil und das 21. Konzil der Kirchengeschichte überhaupt. Es hat keine „alten Lehren abgeschafft“ und keine „neuen Lehren eingeführt“ - es war bemüht, das, was die Kirche schon immer gewusst und geglaubt hat, so auszudrücken, daß es für die Menschen der Gegenwart besser veständlich ist.

Während der gesamten Zeit des 2. Vatikanischen Konzils hat die Kirche allgemein und haben die Bischöfe des Konzils die heilige Messe nach dem "alten Gebrauch" gefeiert. Sie haben diesen Gebrauch nie verworfen, sondern den Auftrag erteilt, ihn schonend an die Bedürfnisse der Gegenwart anzupassen. Das dann von einer Kommission erarbeitete neue Messbuch, das von Papst Paul VI. 1969 allgemein eingeführt wurde, ging allerdings in einigen Punkten über den Auftrag des Konzils hinaus - so zu verfahren liegt durchaus in der Vollmacht des Papstes. Von vielen Theologen wurde es dann aber auch als Ausdruck einer neuen Lehre dargestellt und gleichzeitig haben sie das alte Messbuch als „überholt“ verworfen - beides war unzulässig.

Papst Benedikt hat jetzt als höchste Autorität der Kirche festgestellt, daß das neue Messbuch nicht als Bruch mit der Lehre und Praxis der Kirche vor dem 2. Vatikanischen Konzil verstanden werden kann, und er hat klargemacht, daß deshalb das alte Messbuch auch niemals „abgeschafft“ werden konnte. Beide Messbücher können verwandt werden, beide können und sollen weiterentwickelt werden, und in jedem Fall muß die Kontinuität zur gesamten Lehre und Tradition der Kirche gewahrt bleiben.


Die alte Messe ist judenfeindlich

Wenn man in der Politik gar nichts mehr in der Hand hat, kann man es ja noch einmal mit der Antisemitismus-Karte versuchen - und so entdeckten einige besorgte Menschen kurz vor Erlass des Motu Proprio zur Freigabe der alten Messe, daß in dieser Messe am Karfreitag ausdrücklich „für die Bekehrung der Juden“ gebetet würde - das erinnere an schlimme Zeiten und müsse das Verhältnis zu den Juden unerträglich belasten. Außerdem kritisierten sie, die Leseordnung des "usus antiquior" enthalte so gut wie keine Lesungen aus dem alten Testament.

Zur Leseordnung: An Sonn und Festtagen kommt das AT in der Tat nur selten vor - an Werktagen, insbesondere im Advent und in der Fastenzeit, umso mehr. Viel wichtiger ist aber etwas anderes: Die Gebete der "alten Messe" selbst bestehen zu einem guten Teil aus Versen des alten Testaments oder enthalten Anspielungen darauf; zwei Psalmen (42 und 25) sind zu großen Teilen im Messtext enthalten - beide gingen bei der Reform 1970 verloren. Das Supra quae des römischen Kanons stellt auf feierliche Weise das Opfer Christi in die Linie der Opfer des alten Bundes:

ZitatSchaue huldvoll darauf nieder mit gnädigem und mildem Angesichte, und nimm es wohlgefällig an, wie Du einst mit Wohlgefallen angenommen hast die Gaben Abels, Deines gerechten Dieners, das Opfer unseres Patriarchen Abraham, das heilige Opfer und die Makellose Gabe, die Dein Hoherpriester Melchisedech Dir dargebracht hat.

Unseres Patriarchen. Keinen „vorkonziliaren“ Katholiken mußte man mit großer Geste belehren: „Jesus war Jude“ - er wußte das, denn bis zur Reform von 1970 feierte die Kirche am prominenten Datum des 1. Januar das „Fest der Beschneidung des Herrn“.

Was das Gebet für die Juden am Karfreitag betrifft, so ist es auch in der neuen Messordnung enthalten, wenn auch in sehr dem "interreligiösen Dialog" verpflichteten Worten. Denn nur durch Christus ist Erlösung möglich, und dafür, daß sie das erkennen, zu beten, ist das beste, was man für die tun kann, denen man wohl will.