Motu Proprio: Summorum Pontificum

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Zusatzinfo

Kein Gruppenprivileg, sondern eine Aufgabe für alle

Der Status von „Summorum Pontificum“ in Ordnung und Gesetzgebung zur Liturgie

10. 8. 2010

Der Kommentar des Kirchenrechtlers Gero P. Weishaupt zu Summorum Pontificum, der bislang nur im Internet zu lesen war, ist Anfang dieses Monats unter dem Titel „Päpstliche Weichenstellungen“ auch als Buch erschienen. Das Vorwort zu dieser Ausgabe schrieb der Präfekt der Signatura, Erzbischof Raimond Burke. Wir dokumentieren den Text im vollen Wortlaut.

Erzbischof Burke, Präfekt der Signatura

Das Apostolische Schreiben Summorum Pontificum, das am 7. Juli 2007 von Seiner Heiligkeit, Papst Benedikt XVI., in der Form eines Motu Proprio veröffentlicht wurde, stellt einen bedeutenden Beitrag zur Umsetzung der Lehre über die heilige Liturgie durch das Zweite Vatikanische Konzil dar. In der unmittelbaren Nachkonzilszeit wurde diese Lehre häufig zum Opfer einer abwegigen Hermeneutik der Diskontinuität, wodurch leicht der falsche Eindruck entstand, daß die vom Konzil geforderte liturgische Reform mehr einen Bruch als eine Entwicklung des höchsten Ausdrucks des Lebens der Kirche bedeutete. Diejenigen, die dieser falschen Hermeneutik anhingen, hoben tatsächlich hervor, daß es kein Verhältnis der Kontinuität zwischen dem Missale Romanum des seligen Papstes Johannes XXIII. und dem Missale Romanum des Dieners Gottes Papst Paul VI. gäbe.

Tatsächlich lehrt die Liturgiekonstitution Sacrosanctum Concilium jedoch die organische Einheit der heiligen Liturgie, die erhabenster Ausdruck des Lebens Christi in seiner Kirche ist. Deshalb kann sie niemals einem radikalen Bruch unterworfen werden, ohne daß es sich dabei um einen Verrat an der sakramentalen Gegenwart Christi und an seinem Wirken im liturgischen Leben der Kirche handelte, der größten geistlichen Schaden seines ganzen mystischen Leibes, aber auch jedes einzelnen seiner Glieder zur Folge hätte. Der damalige Kardinal Joseph Ratzinger hat diese Wahrheit in klarer und überzeugender Weise in einem Vortrag anläßlich der Liturgischen Tagung in Fontgombault, im Juli 2001 dargelegt:

Zitat: „Das Vorwort des Missale Pauls VI. sagt ausdrücklich, daß dies ein Missale derselben Kirche ist, das sich in ihre Kontinuität einfügt. Und um zu unterstreichen, daß es keinen essentiellen Bruch gibt, daß Kontinuität und Identität der Kirche bestehen, scheint es mir unabdingbar, die Möglichkeit aufrechtzuerhalten, gemäß dem alten Missale zu zelebrieren, als Zeichen der fortdauernden Identität der Kirche. Das ist für mich der fundamentale Grund: Das, was bis 1969 die Liturgie der Kirche war, die heiligste Sache für uns alle, kann nicht nach 1969 – mit einem unglaublichen Positivismus – zu einer völlig unakzeptablen Sache werden. Wenn wir glaubwürdig bleiben wollen, um dieses Schlagwort der Modernität zu gebrauchen, ist es absolut notwendig anzuerkennen, daß das, was vor 1969 fundamental war, es auch danach bleibt: Es ist dieselbe Heiligkeit, dieselbe Liturgie.“

Summorum Pontificum ermöglicht deshalb, in Übereinstimmung mit der Wahrheit von der Identität und Kontinuität der heiligen Liturgie in ihren historischen Formen, eine gegenseitige Bereicherung zwischen den Missalia des seligen Papstes Johannes XXIII. und des Dieners Gottes Papst Paul VI., indem es die beiden Formen des einen Römischen Ritus für die ganze Kirche vorlegt.

Damit nun das Motu Proprio Summorum Pontificum all das erreichen kann, was der Höchste Hirte der Kirche durch seine Veröffentlichung beabsichtigt, ist es ganz wesentlich, den kanonischen Status und den Platz des Motu Proprio innerhalb des Gesamtes der liturgischen Ordnung und Gesetzgebung der Kirche klar zu verstehen. Zu diesem Zweck hat Dr. Gero P. Weishaupt eine sorgfältige kanonistische Studie von Summorum Pontificum unternommen, deren Ergebnis uns nun in diesem Band vorliegt.

In seinem Vorwort erklärt Weishaupt seine Absicht, durch den vorliegenden Kommentar zum richtigen Verständnis und zur korrekten Umsetzung der bedeutenden Gesetzgebung des Motu Proprio beizutragen. Er bietet uns damit in aller Bescheidenheit eine unverzichtbare Hilfe für die “liturgische Versöhnung” innerhalb der Kirche, nach der Intention des Höchsten Hirten und Gesetzgebers der Kirche.

Im ersten Kapitel seines Kommentars stellt Weishaupt den kanonischen Status von Summorum Pontificum dar. Es handelt sich um einen neuen legislativen Text, der in der gewöhnlichen Form päpstlicher Gesetzgebung, einem Apostolischen Schreiben, motu proprio, d. h. auf Grund der eigenen Initiative des Römischen Pontifex, erlassen wurde.

Als Akt universeller Gesetzgebung ist dieser für die gesamte Kirche weltweit verbindlich. Summorum Pontificum ist damit nicht Ausdruck eines Gunsterweises gegenüber irgendwelchen Personen oder Gruppen, sondern eine Gesetzgebung zum Zweck der Wahrung und Beförderung des Lebens des ganzen mystischen Leibes Christi und der höchsten Ausdrucksform dieses Lebens, nämlich der heiligen Liturgie. Der gesamten Gemeinschaft der Kirche ist damit die Verpflichtung auferlegt, ihre liturgische Tradition zu bewahren und zu pflegen, um so einerseits die Rechte derjenigen Einzelpersonen und Gruppen zu schützen, die sich der Liturgie, die nun als “Außerordentliche Form des Römischen Ritus” bezeichnet wird, geistlich verbunden wissen, um aber andererseits ebenso ihr liturgisches Leben durch die rechtmäßige Feier beider Formen des Römischen Ritus zu bereichern. Kurz: Summorum Pontificum bestimmt die universale Disziplin für die Verwendung der Außerordentlichen Form des Römischen Ritus, in Übereinstimmung mit der Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils, das im Rahmen der mehr als 2000-jährigen Tradition der Kirche, d.h. im Sinne einer “Hermeneutik der Kontinuität” zu verstehen ist, wie sie Papst Benedikt der XVI. in seiner Ansprache an die Kurie vom 22. Dezember 2005 dargelegt hat.

Aufbauend auf dem Werk anderer Kanonisten legt Weishaupt überzeugende Argumente dafür vor, daß das Missale Romanum von 1962 niemals abgeschafft worden war, wie Papst Benedikt XVI. dies ebenso klar bestätigt hat. Der Kommentar zeigt auf, daß die Apostolische Konstitution Missale Romanum vom 3. April 1969 und die ihr folgende liturgische Gesetzgebung keine ausdrückliche Klausel enthalten, welche die Unterdrückung des Missale Romanum von 1962 vorgesehen hätte. Durch die allgemeine Erlaubnis der Verwendung des Missale Romanum von 1962 in Summorum Pontificum, erklärt Papst Benedikt XVI. für die gesamte Kirche, daß de iure beide Formen, die Form des Meßbuches des seligen Papstes Johannes XXIII. und die Form, die sich im Meßbuch des Dieners Gottes Papst Paul VI. findet, in der Kirche Bestand haben. Die Gesetzgebung durch Summorum Pontificum ist daher der klare Ausdruck der von der Liturgie- konstitution Sacrosanctum Concilium des Zweiten Vatikanischen Konzils geforderten Reform.

Im zweiten Kapitel seines Kommentars beantwortet Weishaupt eine Reihe praktischer Fragen, die sich hinsichtlich der Umsetzung von Summorum Pontificum stellen und sich aus jüngeren Änderungen der Disziplin der Feier der Sakramente ergeben, wie bspw. die Fragen bezüglich weiblicher Meßdiener oder Laien, die den Dienst von Lektoren oder außerordentlichen Spendern der Hl. Kommunion versehen. Zur Klärung dieser Fragen wendet der Kommentar zutreffend zwei allgemeine kanonistische Prinzipien an.

Das erste Prinzip fordert, daß die liturgischen Normen, die 1962 in Kraft waren, für die Zelebration der Außerordentlichen Form des Römischen Ritus sorgfältig zu beachten sind, denn diese Normen schützen die Integrität des Römischen Ritus, wie er im Meßbuch des seligen Johannes XXIII. enthalten ist. Das zweite Prinzip besagt, daß die nachfolgende liturgische Disziplin nur dann auch in die Außerordentliche Form einzuführen ist, wenn diese Disziplin ein Recht der Gläubigen berührt, das sich unmittelbar aus dem Taufsakrament ergibt und dem ewigen Heil ihrer Seelen dient.

Die Anwendung dieser beiden Prinzipien auf die genannten Fälle führt zur Einsicht, daß weder der Altardienst von Personen weiblichen Geschlechts noch die Ausübung der Laiendienste des Lektors oder des außerordentlichen Spenders der Heiligen Kommunion zu den fundamentalen Rechten der Getauften gehören. Deshalb sind diese jüngeren Entwicklungen aus Respekt vor der Unversehrtheit der liturgischen Disziplin, wie sie im Missale Romanum von 1962 enthalten ist, nicht in die Außerordentliche Form des Römischen Ritus einzuführen. Der Kommentar legt hier eindrucksvoll dar, daß die gegenseitige Bereicherung beider Formen des Römischen Ritus nur dann möglich ist, wenn die den beiden Formen jeweils eigentümliche Disziplin entsprechend sorgfältige Beachtung findet.

Im dritten Kapitel stellt Weishaupt im Anschluß an Papst Benedikts XVI. Schreiben an die Bischöfe, das die Promulgation von Summorum Pontificum begleitete, Überlegungen hinsichtlich der Möglichkeiten einer weitergehenden Reform des nachkonziliaren Missales an. In diesem letzten Kapitel des Werks folgt der Kommentar dem Gedanken der „Reform der Reform“, dem der damalige Kardinal Joseph Ratzinger, besonders in dem bedeutsamen liturgischen Vortrag in der Abtei von Fontgombault im Juli 2001 Ausdruck verliehen hat.

Der Kommentar ist gründlich belegt und berücksichtigt die neueste kanonistische Literatur. Er ist daher ein wichtiges und verläßliches Instrument für das korrekte Verständnis und die Umsetzung der in Summorum Pontificum enthaltenen bedeutenden kanonischen Disziplin. Weishaupts kanonistische Analyse berücksichtigt zu Recht mit großer Aufmerksamkeit die Intention des Gesetzgebers, die sich klar und deutlich im Schreiben an die Bischöfe und in den reichhaltigen Schriften zu liturgischen Fragen des damaligen Kardinal Joseph Ratzinger findet.

Im Namen all derjenigen, die von den guten Früchten dieser wichtigen Studie zehren werden, bringe ich dem Autor gegenüber gerne meinen herzlichen Dank dafür zum Ausdruck, daß er mit großer Kenntnis und Sorgfalt das Apostolische Schreiben in der Form eines Motu Proprio Summorum Pontificum vorgestellt sowie seinen kirchenrechtlichen Rang und seinen Kontext in der liturgischen Ordnung der universalen Kirche dargelegt hat. Gerne hoffe ich, daß dieser Kommentar bald in andere Sprachen übersetzt werden wird, damit dieser wichtige Beitrag zur Umsetzung der liturgischen Disziplin der Kirche und besonders zu Summorum Pontificum dadurch zahlreichen Gläubigen zugänglich gemacht wird, vor allem jedoch den Bischöfen und den Priestern, ihren Mitarbeitern, welche die vornehmste Verantwortung für die rechte Ordnung des höchsten und vollkommensten Ausdrucks des Lebens der Kirche, nämlich der heiligen Liturgie, haben.

Möge uns der wertvolle Beitrag von Dr. Gero P. Weishaupt zum Studium der kirchenrechtlichen Ordnung der heiligen Liturgie helfen, die tiefe Weisheit der Worte Papst Benedikts XVI. immer besser zu verstehen, mit welchen er die in Summorum Pontificum enthaltene Disziplin der universalen Kirche anvertraut hat:

Zitat: „Es gibt keinen Widerspruch zwischen der einen und der anderen Ausgabe des Missale Romanum. In der Liturgiegeschichte gibt es Wachstum und Fortschritt, aber keinen Bruch. Was früheren Generationen heilig war, bleibt auch uns heilig und groß; es kann nicht plötzlich rundum verboten oder gar schädlich sein. Es tut uns allen gut, die Reichtümer zu wahren, die im Glauben und Beten der Kirche gewachsen sind und ihnen ihren rechten Ort zu geben.“

+ Raymond Leo Burke

Emeritierter Erzbischof von Saint Louis
Präfekt des Höchsten Gerichtshofes der Apostolischen Signatur
Rom, am Hochfest des Heiligsten Herzens Jesu, dem 11. Juni 2010