Motu Proprio: Summorum Pontificum

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Zusatzinfo

Wie ich die alte Messe lieben lernte

Berichtet von Dr. med Stefan Schilling, Trier

Während des II. Vatikanischen Konzils 1963 geboren, habe ich die überlieferte Liturgie in meiner Kindheit nicht mehr bewusst kennen gelernt. Groß geworden bin ich in einer „gut katholischen“ Familie in einer modernen Mainzer Vorortgemeinde. In meinem Elternhaus war regelmäßiger Kirchgang selbstverständlich, aber natürlich keineswegs im überlieferten Ritus, sondern in der neuen postkonziliaren Liturgie Papst Pauls Vl.

Vor der Epistel

In der in den 60iger Jahren neu gebauten Mainzer Siedlung gab es zunächst viele Jahre keine Kirche sondern lediglich ein Pfarrheim, das neben dem Gottesdienst genauso auch für z.B. Karnevalsveranstaltungen genutzt wurde; lediglich Stühle, keine Bänke - natürlich auch keine Möglichkeit zum Knien. Für den Kirchbau war in der Mainzer Diözese zunächst (angeblich) kein Geld vorhanden. Besucht habe ich ein bischöfliches Gymnasium in Mainz - auch hier gab es natürlich keinerlei kritische Gedanken zu dem liturgischen Umbruch in Folge des Konzils zu hören. In der Freizeit war ich bei BDKJ Georgspfadfindern aktiv - auch hier häufig konfrontiert mit selbst gebastelten „Ringbuchmessen“ und vielfältiger „liturgischer Kreativität". Niemand hat die „erneuerte“ Liturgie in Frage gestellt, weder in meinem familiären noch in meinem sozialen Umfeld - es gab für mich einfach keine andere liturgische Variante. Die Hl. Messe wirkte auf mich häufig banal und profan - eine andere gab es aber (anscheinend) nicht.

Mit dem älter werden habe ich mich allerdings zunehmend gefragt, ob es sich bei diesen ganzen „Messangeboten“ eigentlich noch in erster Linie um Gottesdienste handelte oder ob sich die profilierenden Menschen - Priester wie Laien - nicht oft allzu sehr selbst in den Mittelpunkt stellten und den Blick auf das wesentliche Geschehen der Hl. Messe längst verloren hatten. Kaum ein Augenblick für ein eigenes stilles Gebet, für ein zur Ruhe kommen, für Anbetung - jeder Moment musste mit Aktionismus gefüllt sein. Selbst in „normalen“ Gemeindegottesdiensten fand man in Mainz kaum eine Hl. Messe, die liturgisch einer anderen Hl. Messe des gleichen Sonntags glich- fast jeder meinte immer wieder was Eigenes und Neues schaffen zu müssen, eben selbstgemachte „Ringbuchliturgie".

 

Zusammen mit Studienfreunden habe ich mich daher zunehmend nach ruhigeren, berechenbareren, „echten“ Gottesdiensten gesehnt, in denen die handelnden Menschen in den Hintergrund und Gott wieder in den Mittelpunkt des Geschehens gerückt wurde. Hin und wieder sind wir dann nach Kiedrich im Rheingau gefahren - hier wurde in der Kirche seit langer Zeit ein spezieller Choral gepflegt; die Hl. Messen waren sehr würdig und feierlich gestaltet, der Priester hielt sich korrekt an das Messbuch - wohlgemerkt im „Neuen Ritus".

Etwa zu dieser Zeit habe ich für mich entschieden keine Handkommunion mehr zu empfangen. Der Glaube an die Realpräsenz ließ sich für mich mit den zahlreichen beobachteten Missbräuchen in der Praxis der Handkommunion nicht mehr in Übereinstimmung bringen.

Als ich dann erstmalig in der Nähe von Frankfurt durch Anregung eines Freundes die Hl. Messe im überlieferten Ritus besuchte schien mir alleine schon der Umgang mit dem Leib Christi überzeugend und stimmig - sorgsame Verwendung des Korporale, Geschlossenhalten der Finger des Priesters nach der Wandlung bis zur Purifikation, Patene, Mundkommunion usw. Hier brauchte man die Realpräsenz keinem zu erklären - hier wurde der Glaube daran in zahlreichen Gesten und Zeichen für jeden Messbesucher sichtbar. Form und Inhalt des Glaubens stimmten hier völlig überein. Erst viel später stieß ich auf das bekannte Wort - lex orandi, lex credendi; das Gesetz des Betens bestimmt das Gesetz des Glaubens. Die äußere Form ist halt eben gerade nicht egal - sie prägt die innere Haltung, sie prägt den Glauben.

Gabenbereitung

In der erneuerten Liturgie war dagegen anscheinend alles erlaubt: Texte neu hinzufügen oder eben weglassen, Kniebeugen ob und wann man wollte, Brechen der Hostie nach Gutdünken - nicht nach dem Messbuch usw. usw.. Lange war ich in meiner Jugend fest davon überzeugt, dass es überhaupt kein festes Messbuch geben könne - so variabel waren die Messformen. Auch die einschlägigen Schreiben der Päpste mit der Bitte nach würdiger Feier der Liturgie nach dem Missale von Papst Paul VI wurden sogar von den Bischöfen häufig nicht beachtet. Mir war klar, dass man auch den „erneuerten Ritus“ würdig und recht verwenden konnte, hin - und wieder habe ich das ja dankenswerterweise erleben dürfen, aber das war leider eher die Ausnahme als die Regel. Die „Alte Messe“ dagegen habe ich ausnahmslos als wahren Gottesdienst erlebt ohne Willkür von Priester oder Gemeinde. Ich weiß, dass in vorkonziliarer Zeit auch liturgische Lieblosigkeiten in der „Alten Messe“ vorkamen. Aber das ist eben heute nicht so, ich habe es zumindest zu keiner Zeit und an keinem Ort erlebt. Und die Wirklichkeit der Liturgie heute ist für mich für die Beurteilung maßgebend, nicht das, was angeblich früher manchmal an Missbräuchen auch in der „Alten Messe“ anzutreffen war.

Überzeugt hat mich bei der überlieferten Liturgie auch die gemeinsame Gebetsrichtung - nicht mehr der Priester stand im Mittelpunkt des Geschehens (auch wenn er das vielleicht gar nicht wollte), sondern er führte gleichsam wie der Leiter einer Prozession die Gemeinde in ihrem gemeinsamen Weg zum auferstandenen Christus hin. Endlich gab es auch wieder genügend Stille - gerade bei dem zentralen Teil der Hl. Messe, der Wandlung, um wirklich mitbeten und teilhaben zu können. Die gerade gewonnene Ruhe und Sammlung wurde nicht sofort wieder durch Händeschütteln oder gar Herumlaufen beim Friedensgruß zerstört. Eigenes Beten wurde nicht mehr „totgeredet"; das Hl. Geschehen stand im Mittelpunkt und nicht mehr die Person des Priesters oder profilierungssüchtige Laien.

Hier fühlte ich mich spirituell geborgen und zuhause; in diese Liturgie habe ich mich zunehmend verliebt - auch wenn sie für mich damals kaum erreichbar war. Diese Liturgie hat bei mir etwas im tiefsten Inneren berührt, was ich kaum in Worte fassen kann - vielleicht ist dies so etwas, was man auch „Gnade“ nennt.

Ich habe mich oft gefragt, warum die Kirche es nicht zuließ, neben der „erneuerten Liturgie“ auch die „Alte Messe“ zu besuchen. Das faktische Verbot des überlieferten Ritus hat mich umso mehr irritiert, als sonst so ziemlich alles an liturgischen Absonderlichkeiten erlaubt wurde (z.B. ein Technogottesdienst im Jahr 2000 veranstaltet von dem Trierer Priesterseminar, den „Deutschland sucht den Superstar“ Hit der „No Angels“ als Abschluss eines Firmgottesdienst bei Anwesenheit des Weihbischofs und vieles mehr).

Liturgisch schien alles möglich - nur bei der Bitte nach der überlieferten Liturgie wurde man behandelt, als habe man Unanständiges und Verwerfliches erbeten. Liturgische Eigenmächtigkeiten der Priester aller Art wurden von den Bischöfen nicht geahndet (zumindest konnte man davon nichts merken), aber wehe ein Priester einer „Altritusgemeinschaft“ plante eine Hl. Messe im überlieferten Ritus zu zelebrieren - sofort waren Bischöfe und Ordinariate zur Stelle und plötzlich in der Lage dies mit aller Härte ihrer Autorität zu unterbinden. Ich habe mir oft gewünscht, so mancher Bischof hätte auch nur einmal bei liturgischen Exzessen in der erneuerten Liturgie genauso rasch und eindeutig gehandelt. Dies habe ich aber leider nie erlebt.

Elevatio nach der Wandlung

Nach dem Abschluss des Studiums, der Familiengründung und dem Umzug nach Trier habe ich dann 1993 erstmalig den mittlerweile verstorbenen Bischof Spital von Trier um die Ermöglichung einer „Indultmesse“ gebeten. Ein Bedarf wurde vom Bischof nicht gesehen, Hoffnung auf ein solches liturgisches Angebot wurde mir nicht gemacht. In Trier gab und gibt es Gott sei Dank noch Priester und Gemeinden, die auch in der Liturgie Papst Pauls VI „ordentliche“ Hl. Messen feierten, unsere Familie hatte eine solche Gemeinde gefunden, dort wurden unsere drei Töchter getauft. Unsere Familie lebt also schon lange beide Formen des römischen Ritus - die ordentliche und die außerordentliche Form (diese war allerdings über Jahre hinweg nur durch eine weite Autofahrt zu erreichen). Meine persönliche Präferenz liegt eindeutig bei der überlieferten Form des römischen Ritus - wann immer irgendwie möglich, versuche ich die Hl. Messe in dieser Form mitzufeiern. Wenn dies nicht geht, dann eine korrekt und andächtig gefeierte heilige Messe in der „ordentlichen“ Form des römischen Ritus; möglichst mit Latein und „in Fahrtrichtung“ - aber wo findet man schon so etwas. Nur die leider häufig anzutreffende „unordentliche“ Form der Willkürliturgie konnte und kann ich nicht mehr ertragen.

Als dann Bischof Marx 2002 nach Trier kam, habe ich mich mit der Bitte um die Hl. Messe im überlieferten Ritus auch an ihn gewandt. Im Verlauf des darauf folgenden Schriftverkehrs habe ich dann etwa 300 Unterschriften gesammelt, die die Bitte nach einem solchem Messangebot unterstützten. Nach über 2 Jahren Beratung im Ordinariat und zahlreichem weiterem Schriftverkehr wurde dann ab Ende 2004 endlich eine Indultmesse an Sonn - und Feiertagen in Trier erlaubt - 11 Jahre nach meiner ersten Bitte an den Trierer Bischof. Leider immer noch mit zahlreichen Einschränkungen versehen bzgl. Ort, Zeit u.a. - aber immerhin.

Dieses Messangebot hat sich in den vergangenen 3 Jahren in Trier trotz der Einschränkungen etabliert, mittlerweile ist auch ein eigener Priester für die Seelsorge im außerordentlichen Ritus in Trier zuständig.

Groß war dann am 07.07.2007 die Freude über das lange erbetete Motu Proprio des Hl. Vaters zur überlieferten Liturgie, auch für die Diözese Trier erwarten wir uns für die Zukunft weitere Normalität in der Verwendung des „usus antiquior“ des einen römischen Ritus. Der seit Jahrhunderten gefeierte überlieferte römische Ritus ist endlich wieder als außerordentliche Form des römischen Ritus anerkannt und hat damit nach mehr als 35 Jahren der de facto - Abschaffung wieder seinen festen Platz und sein volles Recht in der Kirche zurück erhalten. Auch die Liturgie Papst Pauls VI wird sich in Zukunft wieder zunehmend an diesem liturgischem Urmeter orientieren - und dies kann für die Liturgie insgesamt nur ein Gewinn sein! Jetzt ist nur zu hoffen, dass die Bischöfe das am 14.9.2007 in Kraft getretene Motu Proprio auch ohne Behinderungen umsetzen.

Dass derzeit keine Massen von Gläubigen die Hl. Messen in der außerordentlichen Form des römischen Ritus besuchen war vorherzusehen: wo sollen diese Gläubigen auch herkommen, nachdem dem Kirchenvolk über fast 40 Jahre liturgisches Wissen, Liebe zur lateinischen Kirchensprache, zur Kontemplation in der Hl. Messe, zum würdigen Kommunionempfang, zur sakralen Musik, zur besonderen Bedeutung der Hl. Messe als Opfermahl usw. weitgehend ausgetrieben wurde und sich auch die Kirchenbänke in Hl. Messen im ordentlichen Ritus erheblich geleert haben. Es ist für mich eher schon fast ein Wunder, dass die überlieferte Liturgie diese Zeit trotz z.T. massiver Verfolgung und Denunziation überhaupt überlebt hat. Die Zukunft wird zeigen, welchen Stellenwert die „Alte Messe“ finden wird. Wenn ich mir das Interesse gerade der jungen Priester und Seminaristen daran anschaue bin ich mittelfristig sehr optimistisch - die überlieferte Liturgie wird ihren Platz finden und segensreich wirken.

Die Bilder wurden bei verschiedenen Gottesdiensten im Institut St. Philipp Neri in Berlin aufgenommen. Copyright für Bilder 1, 2 und 4: Konzept und Bild / Cathrin Bach, die übrigen ISPN.