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Warum die guten Früchte des Konzils ausgeblieben sind

Bei einem Vortrag 2011Soviel kann man schon jetzt sagen: Das erwartete Jubelfest zum 50. Jahrestag der Konzilseröffnung will sich trotz aller darauf gerichteten Anstrengungen der Konzilsgeister nicht einstellen. Die kritischen Stimmen, die bei aller Treue zum Lehramt  der Kirche einschließlich ihrer Konzilien nicht bereit sind in den Chor der Bejubler des angeblichen „neuen Pfingsten“ einzustimmen, sind nicht mehr zu überhören. Der emeritierte Freiburger Dogmatiker Prof. Dr. Joseph Schumacher hat am 9. November in Osnabrück eine illusionslse Bestandsaufnahme vorgetragen. In ungewöhnlich deutlichen Worten - teils unter konkreter Nennung von Namen und Buchtiteln - benannte er Mitglieder der Theologenzunft als Hauptverantwortliche dafür, daß die Beschlüsse und Dokumente des Konzils vielfach nicht umgesetzt oder sogar ins Gegenteil verkehrt worden seien.

Die entscheidende Lösung der Frage nach dem Grund dafür, dass die guten Früchte des Konzils ausgeblieben sind, ist die, dass heute in der Theologie, auch in der katholischen, vielfach ein oberflächlicher Agnostizismus oder Positivismus dominiert, dass heute viele katholische Theologen lehren, es gebe keine Wahrheit in der Theologie, zumindest könne sie nicht erkannt werden, in der Theologie gebe es nur Meinungen und Argumente für diese Meinungen, Argumente, die sich jedoch morgen als falsch erweisen könnten. Sie sprechen hier von Überzeugungen, bedenken dabei jedoch nicht, dass Überzeugungen, von denen man annimmt, dass sie sich morgen als falsch erweisen können, keine Überzeugungen sind. Das Dogma wird in der Theologie und in der Verkündigung weithin nicht mehr als Aussage über eine übernatürliche Wirklichkeit verstanden, sondern als Betroffenheit, als subjektive Erfahrung und als religiöses Erlebnis, als Ausdruck des vom Menschen gewonnenen Bewusstseins seiner Beziehung zu Gott, als Symbol des Göttlichen. Da hat der Glaube dann keinen realen Wert mehr, sondern nur noch einen psychologischen. Konsequenterweise werden dann die Sakramente nur noch als Rituale betrachtet.

Die Theologie ist heute vielfach in den Dienst mächtiger Interessen getreten, persönlicher Vorteile und der Vermeidung von persönlichen Nachteilen. Ein bedeutender Aspekt ist dabei die Rechthaberei, weil ethische Bedenken keine Rolle mehr spielen oder kaum noch. Hier solidarisiert man sich de facto vielfach ohne Bedenken mit dem Bösen. (S. 21)

Der Unglaube, die Disziplinlosigkeit und die Unmoral breiten sich in erschreckendem Maß aus in der Kirche. Das so genannte Memorandum von 2011 macht das Ausmaß des Verfalls der Kirche und der Theologie überdeutlich. In meiner Replik auf das Memorandum schrieb ich damals: „Wenn das Memorandum darüber jammert, dass der Glaube mehr und mehr zurückgeht, so sollte man seine Architekten daran erinnern, dass an dieser Verdunstung des Glaubens gerade jene Theologie schuld ist, wie sie und ihre Mitstreiter sie Jahrzehnte hindurch gelehrt haben. Das war eine Theologie der Willkür, eine Theologie, die sich subjektivi-stisch verfremdet und so den Boden unter den Füßen verloren hat, die im Grunde nur noch von ihrer finanziellen Dotation lebt“ Und: „Seit Jahrzehnten vertreten nicht wenige Theologie-Professoren eine anthropologische Wende in der Theologie und sehen in der Distanz von der Kirche und in zynischen Bemerkungen über die Amtsträger der Kirche, speziell über den Träger des Petrusamtes, ein Qualitätssiegel der akademischen Theologie. Zugleich wollten sie mit dieser Praxis die Freiheit ihrer Wissenschaft dokumentieren, die in nicht wenigen Fällen schon lange zur Ideologie degeneriert war“. Im Memorandum heißt es: „wir schweigen nicht länger“. De facto haben sie nicht geschwiegen, die Theologen, sondern mehr als eine Generation von Priesteramtskandidaten und angehenden Religionslehrern und Pastoralhelfern nicht im Glauben der Kirche unterrichtet und, soweit er vorhanden war zerstört. Vor allem haben sie immerfort agitiert und ihre Kirchendistanz auf niedrigstem Niveau artikuliert.

Wenn man heute an den theologischen Hochschulen und Fakultäten in Deutschland studiert, kann man im Grunde genommen den Glauben der Kirche nicht mehr kennen lernen, und man kann ihn hier, wenn man sich ihn angeeignet und ihn bis dahin gepflegt hat, nur kaum noch bewahren. Die Konsequenzen daraus zu ziehen, ist natürlich schwer für die Verantwortlichen. Aber sie müssten es.  (S. 22/23)

Zum Stellenwert des Konzils selbst in dieser Entwicklung merkt er an:

Es ist unverkennbar, dass nach dem II. Vatikanischen Konzil eine Welle der Säkularisierung die Kirche überflutet hat. Es ist jedoch davon auszugehen, dass diese Säkularisierungswelle auch ohne das Konzil der Kirche nicht erspart geblieben wäre, denn Negativentwicklungen gab es schon vor dem Konzil. Aber ohne das Konzil wäre die Entwicklung vielleicht weniger dramatisch verlaufen. Einen gewissen Beitrag zu dieser Entwicklung hat das Konzil mögli-cherweise dadurch geleistet, dass es zu optimistisch war im Hinblick auf die Glaubensbereitschaft der Menschen in unserer säkularen Welt. Vielleicht hat es auch zu sehr auf die äußeren Formen gesetzt. Auch hätte es vielleicht die Kontinuität der Glaubensentfaltung deutlicher herausstellen müssen. Mit Sicherheit gilt das für die nachkonziliare Kirche. Für einzelne Negativentwicklungen kann man das Konzil sicherlich verantwortlich machen, das Konzil und dessen nachkonziliare Interpreten, aber beileibe nicht für alle.

Zusammen mit der Säkularisierung setzte seit dem Ende des Konzils ein erschreckender Niedergang des kirchlichen Lebens ein. Auch ihn kann man nicht monokausal auf das Konzil zu-rückführen. Post hoc bedeutet nicht immer propter hoc. Möglicherweise wäre der Niedergang, wenn es das Konzil nicht gegeben hätte, noch eklatanter gewesen. Sicher ist, dass er schon vor dem Konzil zu erkennen war. Formal war das Allermeiste damals zwar noch fest gefügt, aber die Inhalte stimmten vielfach nicht mehr. Auch liturgische Willkürlichkeiten von  Priestern konnte man schon Jahre vor dem Konzil konstatieren. Und gegen den Zölibat wurde schon in den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts agitiert. Auch vor dem Konzil gab es moralische Exzesse bei Priestern und zynische Bemerkungen über die Kirche und ihren Glauben, vor allem wurde vieles Ernste veralbert. Schon lange vor dem Konzil gab es nicht wenige Priester, die dem eucharistischen Sakrament wenig Ehrfurcht entgegenbrachten und die das Bußsakrament nicht besonders ernst nahmen, als Empfänger oder als Spender des Sakramentes. In Ordnung war freilich noch die Theologie und ihre Darbietung in der Ausbildung der zukünftigen Priester, jedenfalls weithin, und der Zusammenhalt der Priester.

Die Verweltlichung der Kirche und der Verfall des kirchlichen Lebens haben ihre Geschichte. In den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts entwickelten sie sich mit dem steigenden Wohlstand. Seither liebäugelte die Kirche in wachsendem Maß mit der Welt und erstarrte das religiöse Leben in den Gemeinden. Das Konzil wandte sich dagegen, es wollte einen neuen Pfingststurm herbeiführen. Das ist ihm jedoch nicht gelungen, der Pfingststurm  ist sichtlich ausgeblieben. (S. 10/11)

Den ganzen überaus lesenswerten Text finden Sie auf der Website des Autors „Theologie heute“.

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