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Das entstellte Konzil

Bild: ArchivWo immer sich jemand auf das II. Vatikanum beruft, müssen wir mit drei Entstellungen rechnen:

  • Die Behauptung, DAS KONZIL habe etwas angeordnet, das in Wirklichkeit dort gar nicht oder aber im entgegengesetzten Sinne entschieden worden ist. Beispiele dafür in der Liturgie sind der „Volksaltar“ oder die lateinische Liturgiesprache.
  • Das zweite sind die vielen Unklarheiten, Doppeldeutigkeiten oder eindeutigen Widersprüche in den Konzilstexten, aus denen alles oder nichts abgeleitet werden kann - bestes Beispiel dafür ist die Forderung der Liturgiekonstitution,„Es sollen keine Neuerungen eingeführt werden, es sei denn, ein wirklicher und sicher zu erhoffender Nutzen der Kirche verlange es“ (n. 23).
  • Das dritte ist der immer lautstärker widerholte Versuch, jede zeitgeistige Idee, die man aus einem Text DES KONZILS herauslesen kann, zum Maßstab zu machen, von dem aus alles was vorher gelehrt und angeordnet worden ist, in Frage gestellt werden kann. Aus der bescheiden als Pastoralkonzil angekündigten Kirchenverammlung des vorigen Jahrhunderts wird so ein Superdogma, das bedingungslosen Gehorsam verlangt. 

Schwer zu sagen, welche dieser drei Entstellungen die verheerendsten Auswirkungen hat. 

Als Neu- oder besser als Wiederentdeckung macht derzeit die Doktorabeit von Msgr. Florian Kolfhaus aus dem Jahr 2006 die Runde, in der der Autor untersucht hat, was das Selbstverständnis dieses Konzils als „Pastoralkonzil“ für den Stellenwert der dort verabschiedeten Dokumente bedeutet. „Wiederentdeckerin“ der Arbeit ist Maike Hicksonn mit einem Artikel auf LifeSiteNews, der leider von ihr oder der Redaktion unter der Überschrift veröffentlicht wurde: Wie diese Dissertation üder das 2. Vatikanum die römische Entscheidung beeinflusste, die Exkommunikation der Bischöfe der Piusbruderschaft aufzuheben. Auch das deutsche Referat von Maikes Artikel auf katholisches.info folgt diesem Vorbild und fördert so eine verengte Wahrnehmung der Bedeutung von Kolfhaus’ Arbeit: Nicht jeder interessiert sich für die Hintergründe der von Papst Benedikt 2009 erklärten Aufhebung der Pius-Bischöfe.

Hier geht es weiterTatsächlich reicht die Bedeutung der Arbeit von Kolfhaus weit über diesen besonderen Fall hinaus. Der Autor hat nicht nur theoretische Überlegungen darüber angestellt, was mit dem kirchengeschichtlich neuen Ausdruck „Pastoralkonzil“ wohl gemeint sein könnte, sondern hat die Kommentare und Begleitpapiere der Theologen, die den Wortlaut von Unitatis Redintegratio, Dignitatis Humanae und Nostra Aetate ausformuliert haben, penibel aufgearbeitet und damit den authentischen Sinn dieser Dokumente und die von den Autoren gewollte Art der Verbindlichkeit erschlossen.

Die in deutscher Sprache verfaßte Dissertation – die von der Päpstlichen Universität Gregoriana übrigens wegen ihrer „Abweichung von der Parteilinie“ zunächst gar nicht angenommen werden sollte – ist schließlich 2010 im Lit-Verlag für wissenschaftliche Literatur in Münster erschienen und bietet – wie die meisten Dissertationen – für Nicht-Fachleute kein reines Lesevergnügen. Da trifft es sich gut, daß Kolfhaus selbst eine gut lesbare Zusammenstellung seiner wichtigsten Befunde verfaßt und 2013 in der Zeitschrift „Die neue Ordnung“ veröffentlicht hat – wo man sie kostenlos herunterladen kann.

Danach ist klar, daß die Konzilsväter nicht nur keine neuen Lehren verkünden wollten sondern sich auch vollständig darüber im Klaren waren, daß die – durchaus mit lehramtlicher Autorität ausgestatteten – Dokumente in ihr damaliges Heute gesprochen waren und eben nicht die überzeitliche Bedeutung haben sollten, die ihnen seitdem von den auf Umstuz sinnenden Konzilsgeistern angedichtet worden ist.

In den Worten von Kolfhaus aus seinem Artikel in der Neuen Ordnung:

Aus den Akten wird deutlich, daß man – wenigstens gilt das für die Dekrete und Erklärungen – keine dogmatischen bzw. doktrinären Aussagen treffen wollte, sondern auf die Praxis zielte. Am Anfang der Konzilsarbeiten (mehr noch in den von der Kurie erarbeiteten Schemata) herrschte die Absicht vor, zu lehrmäßigen Aussagen zu kommen. Das ändert sich aber sehr bald, und man entwickelte Texte, die einen anderen, in gewisser Weise völlig neuen Charakter haben. Die Reden, mit denen Johannes XXIII. und Paul VI. das Konzil eröffneten bzw. schlossen, bringen deutlich zum Ausdruck, daß den Konzilsteilnehmern, zu Beginn und nach Abschluß des Vaticanum II, nichts ferner lag als eine Veränderung des überlieferten Glaubens. Das Konzil wollte ein pastorales sein, d. h. orientiert an den Bedürfnissen seiner Zeit, ausgerichtet auf das Leben der Kirche in der Gegenwart. Offenbar mußten die Päpste aber dies schon damals explizit feststellen, um einer abweichenden Konzilshermeneutik den Boden zu entziehen. Leider hatten sie damit nur begrenzt Erfolg, wie die Auseinandersetzungen um die rechte Interpretation des Konzils in den vergangenen Jahrzehnten beweist.

Diese Einsicht ist auch schon in der Vergangenheit ausgesprochen worden, nicht zuletzt mehrfach von Papst Benedikt. Neu ist, und dadurch gewinnt die Erinnerung an die Arbeit von Kolfhaus ihr besonderes Gewicht, daß es sich dabei nicht nur um eine Ansicht von Theologen handelt, denen andere Theologen eine andere Ansicht entgegenstellen können, sondern um eine aus den Akten des Konzils selbst auf 256 Seiten mit wissenschaftlicher Genauigkeit belegte Tatsachenfeststellung. Der Argumentation mit DEM KONZIL als Superdogma ist damit der Boden entzogen, wer dennoch bei dieser in reformatorischen Kreisen so überaus beliebten Version bleiben will, macht sich damit als der unwissenschaftliche Ideologe kenntlich, der er tatsächlich ist. Für die Alltags-Argumentation muß man sich freilich nicht auf die 250 Seiten der Dissertation stützen – da reichen die 9 Seiten der Zusammenfassung in der Neuen Ordnung völlig aus.

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