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Das Missale der Ordinariate

Bild: Personalordinariat des Stuhles PetriDen größten „Neuigkeitswert“ der in Ausgabe 2017-II der UVK präsentierten Vorträge auf der 18. Kölner Liturgischen Tagung im Frühjahr hat für uns die Vorstellung des Messbuchs der Personalordinariate der anglikanischen Tradition. Übernommen hatte diese Vorstellung Bischof Steven Lopes vom Personalordinariat des Stuhles Petri in Nordamerika, der selbst maßgeblichen Anteil an der an der Erarbeitung dieses Missales hatte, das seit 2015 unter dem Titel „Divine Worship: The Missal“ offiziell in Kraft ist. Dieser Titel ist der offizielle Titel, die Sprache dieses Missales ist Englisch in einer leicht altertümlichen, vom Alltag unterschiedenen aber dennoch ohne größere Mühe verständlichen Form.

Wir haben hier bisher über die Liturgie der Ordinariate hauptsächlich unter dem Aspekt berichtet, daß diese Liturgie eine Form der Meßfeier ermöglicht, die dem überlieferten Ritus sehr nahe kommt. Das ist richtig – aber nur ein Teil der Wahrheit. Bischof Lopes legt – sicher nicht ganz ohne nachvollziehbare kirchenpolitische Motivation – großen Wert auf die Feststellung, daß The Missal einerseits auf die aus dem 11. Jahrhundert stammenden spezifisch englischen liturgischen Traditionen von Sarum/Salisbury zurückgeht, andererseits aber „sein theologischer und den Rubriken entsprechender Kontext eindeutig die ordentliche Form des römischen Ritus“ ist. Tatsächlich gilt die „General Instruction of the Roman Missal“ des modernen Ritus auch für die Liturgie des Ordinariats, wobei The Missal freilich einen rubrizistischen Anhang für die zahlreichen Fälle enthält, in denen diese Liturgie vom aktuellen „Missale Romanum“ abweicht.

Eine dieser Abweichungen ist überaus bezeichnend: The Missal enthält neben dem Römischen Kanon nur noch einen weiteren, nämlich das sogenannte 2. Hochgebet – und zu dem ist ganz im Sinne der General Instruction angemerkt, daß er nur für Messen an Werktagen, für Kinder oder unter anderen besonderen pastoralen Notwendigkeiten zu verwenden ist. Ein anderes besteht darin, daß die Ordnung von The Missal in Übereinstimmung mit den Gewohnheiten der Anglikaner in Nordamerika die Feier der hl. Messe „ad Dominum“ zur Regel macht – ohne dabei zu verhindern, daß dort, wo sich wie vielfach in England die Richtung „ad Populum“ durchgesetzt hat, weiterhin entsprechend verfahren wird. Derlei ist wohl darunter zu verstehen, wenn Lopes von Beispielen spricht, „wie Divine Worship zur Erneuerung und Weiterentwicklung des Römischen Ritus beitragen kann“ - wenn man nicht auf Bruch, sondern auf Kontinuität setzt.

In seinen sehr materialreichen Ausführungen behandelt Bischof Lopes im Wesentlichen 4 Bereiche. Zunächst bestimmt er in einigen Grundelementen den Umfang und die Charakteristik des „anglican patrimony“, das die Katholiken des Ordinariats in die Einheit einbringen. Vor diesem Hintergrund beschreibt er dann in einiger Ausführlichkeit das, was er als „die Ordinariatsform des Römischen Ritus“ bezeichnet. Dabei macht er erneut deutlich, daß mit „Römischer Ritus“ hier die „ordentliche Form“ gemeint ist – freilich nur um später ausführlich die Elemente vorzustellen, bei denen sich die Ordinariate an der überlieferten Liturgie orientieren.

Zum Gedanken der Liturgiereform führt er aus: Im Fall von Divine Worship gibt es etwas, das ich eine doppelte Hemeneutik der Reform nennen würde, eine, die von der Reform des römischen Ritus im Anglikanismus herrührt – besonders durch Erzbischof Thomas Cranmer bei der Entwicklung der ersten Prayer Books von 1549 und 1552 – und erst dann die Reformen in der Folge des Zweiten Vatikanischen Konzils. Beide Reformen hatte wichtige Auswirkungen auf die Struktur und den Inhalt von Divine Worship.

Das erscheint einerseits insbesondere in Hinsicht auf die Rolle von Cranmer nicht ganz unproblematisch, zeigt aber andererseits, daß die betonte Berufung auf den „reformierten römischen Ritus“ nicht unbedingt auf weitgehende Kongruenz mit der „ordentlichen Form“ hinausläuft.

Bei der Vorstellung der Einzelheiten verstärkt sich dieser Eindruck noch.
Das Kirchenjahr der Ordinariate entspricht zwar nach Bischof Lopes weitgehend dem des Novus Ordo – verzichtet jedoch auf die Kategorie „Im Jahreskreis“, behält die Sonntage nach Epiphanie und die Vorfastenzeit bei und zählt im Sommer die Sonntage nicht wie Trient „nach Pfingsten“ sondern nach anglikanischer und protestantischer Tradition um eins versetzt „nach Trinitatis“. Die Quatembertage behalten ihren herausragenden Rang.

Die Feier des Triduums wurde in ihren Grundlinien der des Messbuchs von 1970 in der dritten Auflage angeglichen – die nebenbei bemerkt bereits einige Überspitzungen, die 1955 in das Missale des „alten Ritus“ eingeführt wurden, wieder abmildert. Die Rubriken hierzu sind so abgefasst, daß sie eine flexible Einbeziehung lokaler Traditionen ermöglichen. Ebenso wird während des ganzen Kirchenjahres eine Flexibilität zur Berücksichtigung der musikalischen Formen der sogenannten „kleinen Rubriken“ ermöglicht.

Insgesamt ergibt sich so das Bild einer „reformierten“ Liturgie, die zwar wesentliche Anliegen der Reformer der 60er Jahre aufgreift – aber ohne die Verabsolutierungen einerseits und Beliebigkeiten andererseits, die es so vielen erschweren, in der „neuen Messe“ die Messe der Tradition wieder zu erkennen. Falls der Gedanke einer Reform der Reform jemals wieder auf die Tagesordnung gesetzt werden kann - The Missal bietet dafür wertvolle Orientierungspunkte. 

Diese kurze Vorstellung kann nicht die ausführlicheren Darlegungen von Bischof Lopes in seinem Vortrag ersetzen – so wie diese kein Ersatz dafür sind, „The Missal“ und seine Rubriken im Original zur Kenntnis zu nehmen. Aber sie bieten wertvolle Hilfe zum Einstieg und können vor Mißverständnissen schützen. Das komplette Original ist nur als Druckasugabe erhältlich, aber das, was bei den Römern Ordo Missae heißt, gibt es unter https://congregationstathanasius.files.wordpress.com/2017/06/divineworshippewmissalweb.pdf kostenfrei zum Download.

Die UVK 2017-2, in der der Vortrag von Bischof Lopes abgedruckt ist, ist zu bekommen - am besten im Abonnement – über die Website der deutschen Una Voce

Zusätzliche Informationen