Ein Bischof für Pius?
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- 22. Januar 2019
Unter der einigermaßen aufgeregten Überschrift „Papally Approved? Unexpectedly, a New Bishop for the Society of Saint Pius X“ berichtete Rorate Cæli am 20. Januar über die in Europa schon seit längerem bekannte Tatsache, daß der Churer Bischof Huonder nach seiner bevorstehenden Emeritierung seinen Wohnsitz in einem Institut der Piusbruderschaft nehmen wird: Im Institut Sancta Maria in Wangs, Kanton St. Gallen – das ist eine Internatsschule für Jungen. Diese Entscheidung habe der Bischof – was wenig überraschend kommt – in Absprache mit dem Vatikan bzw. dem Papst selbst getroffen.
Ein „Bischof für die Piusbruderschaft“ wird Vitus Huonder mit dieser Wahl seines Alterssitzes sicher noch nicht, und selbst wenn er es würde, könnte ein solcher Akt die Bruderschaft nicht aus dem Dilemma der drohenden Überalterung ihrer 1988 irregulär geweihten Bischöfe befreien – mit dann 77 Jahren wäre er der älteste in der Reihe. Ob Huonder in den kommenden Jahren überhaupt bischöfliche Aufgaben in der Bruderschaft übernehmen wird, bleibt abzuwarten. Eine Überraschung wäre es nicht.
Jedenfalls wird man kaum fehlgehen, in der offensichtlich mit römischer Zustimmung erfolgten Wahl von Huonders Wohnsitz einen weiteren Schritt in der seit Jahren zu beobachtenden Annäherung zwischen Rom und der Bruderschaft zu sehen. Die bisherigen Stationen waren im wesentlichen die Aufhebung der Exkommunikationen (2009), die Erteilung der Beichterlaubnis und zur Assistenz bei der Spendung des Ehesakraments (2015) sowie die soeben erfolgte Absorption von Ecclesia Dei in die Glaubenskongregation als „Verhandlungspartner“ für die Bruderschaft. Nach alledem kann heute nicht mehr gesagt werden, daß die Bruderschaft außerhalb der kirchlichen Disziplin stehe – ihr genauer Status innerhalb der kirchlichen Ordnung ist jedoch nach wie vor ungeklärt.
Falls Rom sich dazu bereit findet, einen oder mehrere reguläre Bischöfe als Weihbischöfe für die FSSPX agieren zu lassen, wie sich das aus der „inoffiziellen Entsendung“ von Bischof Huonder zur Bruderschaft herauslesen läßt, verliert die Frage nach künftigen Bischöfen ein wenig von ihrer Sprengkraft. Eine dauernde Lösung kann darin nicht bestehen – es ist weder zu erwarten noch wünschenswert, daß auch zukünftige Pontifikate institutionellen Strukturen so wenig Bedeutung beimessen wie das gegenwärtige und es vorziehen, in Grauzonen zu operieren. Das kann auch kaum im Interesse der Bruderschaft liegen. Sie braucht einen klaren Status, um auf Dauer im Rahmen der Kirche bestehen zu können. Das wird schwer genug zu erreichen sein, da Unklarheit nicht nur in den Institutionen, sondern vor allem in der Lehre, geradezu das Markenzeichen dieses Pontifikats darstellt.
Auch die Perspektive der Gemeinden und Gemeinschaften, die innerhalb der gesetzlichen Strukturen der Kirche die überlieferte Liturgie pflegen, scheint im Licht der aktuellen Entwicklungen wieder in eine Grauzone zu rücken. Die Gemeinschaften haben mit Ecclesia Dei ihren primären Ansprechpartner verloren, und es ist nicht auszuschließen, daß künftig auch die Gottesdienstkongregation, die Kleruskongregation oder die Ordenskongregation Ansprüche erheben, für Angelegenheiten der „Altrituellen“ zuständig zu sein. Ebenfalls ihren Ansprechpartner und eine wichtige Berufungsinstanz verloren haben Gruppen von Gläubigen oder Diözesanpriester, die ohne eine engere Bindung an eine der vormaligen „Ecclesia-Dei-Gemeinschaften“ die alte Liturgie feiern wollen. Es ist gut möglich, daß vielerorts die Bischöfe, die in ihrer überwiegenden Mehrzahl die überlieferte Liturgie als Hindernis für ihre Säkularisierungsbestrebungen betrachten, jetzt noch stärker als bisher darangehen, Gläubige und Priester, die die Tradition bewahren wollen, an den Rand – oder darüber hinaus – zu drängen. In diesem Zusammenhang wird es aufschlußreich sein, wen der Vatikan als Nachfolger Huonders in Chur einsetzen wird.
Die hier bereits zitierte erste Stellungnahme der FSSPX läßt befürchten, daß eine derartige „Ausdifferenzierung“ zumindest Teilen der Bruderschaft durchaus willkommen sein könnte, um ihrerseits eine Art „Alleinvertretungsanspruch“ als Repräsentant der überlieferten Liturgie und Lehre durchzusetzen. Das müßte die Stellung der traditionsorientierten Katholiken in der Kirche des Mainstreams empfindlich schwächen - und zwar unabhängig von Liturgie und Ritus. Es könnte letztendlich dazu führen, daß entgegen allen derzeit demonstrierten Einigungsbemühungen eine institutionelle Trennung näher rückt. Das wäre dann im günstigsten Fall die Entstehung einer eigenen Rituskirche „sui iuris“ und im wahrscheinlicheren Fall die Ersetzung des bereits bestehenden verdeckten Schismas durch ein offenes Schisma.