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FSSPX auf dem Weg ins Schisma?

Spalte in einer ZementwandDie heute verbreitete Meldung, Bischof Fellay werde in den nächsten Tagen eine öffentliche Antwort auf die „Doktrinelle Präambel“ geben, die einer scharfen Absage an „Rom“ gleichkomme, hat wenig Neuigkeitswert. Wer die Entwicklung seit dem letzten Frühjahr, als eine Einigung unmittelbar bevorzustehen schien, verfolgt hat, konnte beobachten, daß der Ton sich fast von Woche zu Woche verschärfte. Wo man vor einem Jahr noch von „schismatischen Tendenzen“ in einer Minderheit der Bruderschaft sprechen konnte, muß man jetzt davon ausgehen, daß diese Tendenzen zur Orientierung für eine Mehrheit geworden sind. Unterhalb der offiziellen Ebene, in Blogs und Diskussionsforen des Internets, vertreten selbsterklärte Freunde der Bruderschaft immer öfter Positionen, deren logische Fortführung der Sedisvakantismus ist – wenn sie nicht bereits dort angekommen sind.

Einige Erklärungen von Erzbischof Müller, dem neuen Präfekten der Glaubenskongregation, und das ebenso spektakuläre wie überflüssige Verbot Bischof Morerods, Priester der Bruderschaft in den Kirchen seines Bistums zelebrieren zu lassen, sind Anzeichen dafür, daß man in Rom die Verschärfung nicht nur zur Kenntnis genommen hat, sondern sie – zumindest von einigen Seiten – auch aktiv vorantreibt. Es bewahrheitet sich wieder einmal, was Papst Benedikt in seinem Begleitbrief an die Bischöfe zu Summorum Pontificum ausgeführt hat: „...daß in den kritischen Momenten, in denen sich die Spaltung anbahnte, von seiten der Verantwortlichen in der Kirche nicht genug getan worden ist, um Versöhnung und Einheit zu erhalten oder neu zu gewinnen; daß Versäumnisse in der Kirche mit schuld daran sind, daß Spaltungen sich verfestigen konnten.“

Eine bemerkenswerte Begleiterscheinung der Entwicklung ist, daß nun – offenbar wieder auf beiden Seiten – Gerüchte gestreut werden, die nicht weniger als eine weitgehende Rücknahme von Summorum Pontificum andeuten: Die Praxis der überlieferten Liturgie solle auf den Status einer absoluten Ausnahmeregelung für unbelehrbare Nostalgiker reduziert, die regelmäßige Teilnahme an der neuen Liturgie bzw. deren Zelebration „nach der Gewohnheit des jeweiligen Ortes“ für die Priester zur Pflicht gemacht werden.

Auch hier treffen sich zwei extremistische Positionen auf ungute Weise. Zweifellos gibt es in mehreren Bischofskonferenzen – darunter auch der deutschen – starke Kräfte, die genau darauf hin arbeiten, obwohl sie eigentlich wissen könnten, daß der Papst das von ihm nach reiflicher Überlegung erlassene Gesetz nicht in sein Gegenteil verkehren lassen wird. Aber Wille und Gesetz des Papstes interessieren sie schon längst nicht mehr.

Auf der anderen Seite erfüllt die Projektion solche Schreckensbilder auch für die Hardliner bei der Bruderschaft eine überaus nützliche Funktion: Sie erscheint geeignet, jene Mitglieder bei der Stange zu halten, die vor dem Gang ins Schisma oder gar in den Sedisvakantismus zurückschrecken und die, von Summorum Pontificum ermutigt, Fühler zu den Ecclesia Dei-Gemeinschaften ausgestreckt haben.

Das Tragische an dieser Zuspitzung ist, daß sie zu einem Zeitpunkt erfolgt, an dem die gesellschaftliche Leitkultur des Todes – ganz im Widerspruch übrigens zum so überaus optimistischen Weltbild des II. Vatikanums – der katholischen Kirche an allen Fronten den Kulturkampf erklärt, um sie zur Anerkennung ihrer Oberhoheit zu zwingen. Dabei sollte man sich allerdings hüten, die Frontverläufe dieses Kampfes ohne weiteres mit denen in der Auseinandersetzung über die rechte Form der Liturgie in eins zu setzen. Die schönsten Formen helfen nichts, wenn der Inhalt zerfällt. Und der Inhalt lässt sich schwer bewahren, wenn man die Form verkommen lässt.

Michael Charlier

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