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Frankreichs Bischöfe gegen die Überlieferung

Bild: https://fsspversailles.org/2020/07/05/photos-de-la-premiere-messe-de-labbe-guillaume/Im vergangenen März hatte die Gottesdienstkongregation sich mit einer Umfrage an die Bischöfe der Weltkirche gewandt und sie gebeten, ihre Erfahrungen mit der Praxis der vor 14 Jahren durch Summorum Pontificum rehabilitierten „alten Messe“ in ihren Bistümern mitzuteilen. Nun ist die von der französischen Bischofskonferenz zusammengestellte Kollektivantwort auf diese Anfrage bekannt geworden und hat in den Kreisen der Tradition einiges Aufsehen erregt. Dabei kann der Inhalt dieser Antwort eigentlich niemanden überraschen: Die französische Bischofskonferenz, die in diesem Fall sicher für die überwiegende Mehrheit der ihr angehörenden Bischöfe spricht, ist gegen alles, was mit der überlieferten Liturgie zu tun hat. Gegen Summorum Pontificum, gegen die Überlieferte Lehre, gegen alle Katholiken, die sich dem unter Berufung auf das 2. Vatikanum auch in Frankreich durchgesetzten Säkularisierungskurs der Kirche nicht unterwerfen wollen. Das ist ihre Haltung seit über 50 Jahren, und niemand konnte erwarten, daß sie ausgerechnet im 8. Jahr des Pontifikates von Franziskus davon abgehen könnten.

So nicht zu erwarten, aber durchaus aufschlußreich war der eher formale Umstand, daß die Bischofskonferenz als Urheber der Antwort an Rom auftritt, wo doch die Diözesanbischöfe um ihre konkreten Erfahrungen in den Bistümern angefragt worden waren. Anscheinend war man sich in der Zentrale – die übrigens bei weitem nicht so gut ausgestattet und schlagkräftig ist wie ihr deutsches Gegenstück – nicht sicher, daß genug Bischöfe die Parteilinie in der erwünschten Sturheit vertreten würden und hat die Sache an sich gezogen – der „demokratische Zentralismus“ leninschen Angedenkens regiert auch hier. Wenn die Antworten in der Zusammenfassung an Konkretheit und damit an Aussagekraft für die Analyse in der Glaubenskongregation verlieren – umso besser. Auch in Frankreich gibt es einen starken „antirömischen Affekt“, und auch dort versuchen die säkularistischen Kräfte sich einerseits immer mehr von Rom zu lösen und andererseits alle Bistümer auf ihre Einheitslinie zu verpflichten. In Italien ist die nationale Bischofskonferenz ebenso vorgegangen, und wenn das in Deutschland bis jetzt noch nicht geschehen ist, dann wohl hauptsächlich deshalb, weil die Säkularisten hier in erster Linie den „Synodalen Weg“ als Transmissionsriemen für die Durchsetzung ihrer Agenda betrachten und die überlieferte Liturgie ohnehin weitgehend „eingehegt“ zu haben glauben.

Die amerikanische Website „LifeSiteNews“ hat unter Datum vom 2. Februar eine ausführliche Besprechung des französischen Dokuments gebracht, dessen Originalversion Sie hier als PDF herunterladen können. Hier geht es weiter Da das Papier praktisch nichts Neues enthält, beschränken wir uns auf eine kurze Auflistung der wichtigsten Einwände, die die Bischofskonferenz gegen die überlieferte Liturgie vorzubringen hat. Dabei ist zu beachten, daß diese Einwände sich ausschließlich gegen die Priester und die Gemeinden aus dem Zuständigkeitsbereich der Glaubenskongregation und früher Ecclesia Dei richten. Die Piusbruderschaft, deren Gottesdienste gut die Hälfte der traditionsorientierten Katholiken Frankreichs besucht, gilt der Bischofskonferenz als „schismatisch“ und daher nicht der Betrachtung wert. Doch zu den wesentlichen Einwänden:

  • Die Gemeinden der überlieferten Liturgie führen ein Eigenleben und stellen so für die Einheit der Kirche eine schmerzhafte offene Wunde dar.

  • Die Gemeinden vertreten ein rückwärts gewandtes Gesellschaftsbild, ja sind vielfach sogar monarchistisch eingestellt.

  • Die Priester der traditionellen Gemeinschaften verweigern die Konzelebration und respektieren unzureichend die Diözesanbischöfe

  • Die theologische Ausbildung der Priester entspricht nicht den modernen Erkenntnissen der theologischen und pastoralen Wissenschaften. In der Katechese stützen sie sich auf veraltete Katechismen und entfernen sich weit von dem, was „normalerweise“ in den Kirchen Frankreichs gelehrt wird.

  • Priester und Gemeinden stehen in kritischer Distanz zur Lehre „des Konzils“ und verweigern dem Lehramt des gegenwärtigen Papstes, wie er es z.B. in „Amoris Laetitia“ niedergelegt hat, den Gehorsam.

Als zukünftige Maßnahmen empfiehlt das Papier, die überlieferte Liturgie da, wo aus pastoralen Gründen unumgänglich, vermehrt durch Diözesanpriester feiern zu lassen und den Einfluß der altrituellen Gemeinschaften zurückzudrängen. Eine Ausweitung des „Angebots“ an alten Messen komme nicht infrage. Außerdem sollte die neue Leseordnung und der neue Kalender auch für den alten Ritus vorgeschrieben werden, die Ekklesiologie und Pastorallehre „des Konzils“ müsse auch in den altrituellen Gemeinschaften durchgesetzt werden. Die Priester dieser Gemeinschaften sollten verpflichtet sein, auch im Novus Ordo zu zelebrieren (und so helfen, den Priestermangel im aussterbenden Diözesanklerus auszugleichen). In einem Wort: Rückkehr zum Status der überlieferten Liturgie zum der Willkür der Bischöfe ausgelieferten Indult von 1988.

So weit, so schlecht und so unoriginell. Das ganze Papier atmet den Geist der 70er Jahre und erweckt angesichts der heutigen Situation in Kirche und Gesellschaft den Eindruck, als ob die Verfasser aus der Zeit gefallen wären - gefangen in einer Zeitschleife von der Eröffnung „des Konzils“ bis zur Promulgation der Liturgiereform durch Paul VI. 

Daran sollen sich unsererseits zwei Fragen anschließen:

1) Wie ist es zu verstehen, daß die Autoren des Dokuments bei der Bischofskonferenz anscheinend gar nicht wahrnehmen, daß sowohl Konzilsrezeption als auch Liturgiereform nicht die Erfolge gebracht haben, die man sich – vielleicht – 1966 davon versprechen konnte?

2) Wie groß ist die Gefahr, daß die von ihnen vorgeschlagenen Maßnahmen in Rom aufgegriffen und umgesetzt werden und das im letzten Jahrzehnt vielerorts stark aufgeblühte Leben von Gemeinden in Treue zur überlieferten Lehre und Liturgie abwürgen?

Zu verstehen ist da ehrlich gesagt nicht viel: Wie auch in Deutschland verschließen die Funktionäre der Bischofskonferenz entschlossen die Augen vor der tatsächlichen Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte und beharren auf dem längst von der Wirklichkeit dementierten Traum vom neuen Frühling.Sie sind gegen jede Realitätswahrnehmung immunisierte Ideologen und haben die Kirche in eine geistige Lähmung und Sterilität geführt, in der „Erneuerung“ nur noch als Übernahme sämtlicher säkularer Maßstäbe gedacht werden kann. Dem entsprechen auch die wenigen Priester, die noch zum Dienst in einer französischen Diözese bereit sind. Den meisten von ihnen fehlt jedes Sensorium dafür, daß die Kirche Christi in ihrem Wesen und in ihrem Ziel nicht von dieser Welt ist.

Weder einzelne katholisch gebliebene Bischöfe noch „Rom“ werden diesen Zug der fortschreitenden Verweltlichung aufhalten können – wobei hinsichtlich „Roms“ immer dringender auch die Frage zu stellen ist, ob an der Spitze überhaupt noch der Wille vorhanden ist, diese Verweltlichung aufzuhalten. Daß die Kraft dazu vorhanden wäre, muß auf jeden Fall bezweifelt werden – schließlich ist es eine irritierende Tatsache, daß diese anscheinend so entschlossen auf dem Weg aus der Kirchlichkeit herausgehenden Bischöfe samt und sonders von „Rom“ ernannt und eingesetzt worden sind. Und das nicht erst in den letzten 8 Jahren, sondern seit vielen Jahrzehnten.

Der Wille und die Fähigkeit zur Bewahrung und Verteidigung des Glaubens – von seiner Ausbreitung gar nicht zu reden – sind auch im Zentrum der Kirche nur noch in Restbeständen vorhanden. Die Frage danach, was das alles mit „dem Konzil“ zu tun hat, wird sich durch keinen Versuch zur Dogmatisierung des „Pastoralkonzils“ auf Dauer abwenden lassen. Die Unterscheidung zwischen einem „wahren und guten Konzil“ der recht verstandenen Dokumente und einer schlechten und entstellenden Rezeption in der kirchlichen Praxis läßt sich angesichts der weltweiten und teilweise mit brachialer Gewalt erfolgten Durchsetzung dieser verfehlten Rezeption nicht aufrecht erhalten: Ein guter Baum bringt keine schlechten Früchte; nicht Jahr für Jahr, ein halbes Jahrhundert lang und länger.

Das einzige hoffnungsvolle Element in dieser desolaten Situation ist, daß unter solchen Umständen weder römische noch diözesane Instanzen in der Lage sein werden, das gegen erbitterte Widerstände bewahrte und in den letzten 20 Jahren neu erstandene geistige Leben der traditionsorientierten Gemeinden und Gemeinschaften so auf Säkularisierungskurs zu bringen, wie ihnen das nach 1966 möglich war. Angesichts eines halben Jahrhunderts der Demontage und Selbstdemontage des Lehramts auf allen Ebenen sind auch die stets zum Gehorsam neigenden „Frommen“ nicht mehr so fügsam wie ehedem. Angesichts der Tatsache, daß viele Hirten und Lehrer bereits weit aus der Gemeinschaft der Kirche aller Zeiten herausgetreten sind, verliert die Drohung, ausgestoßen zu werden, auch für die Konservativen an Schrecken: Wer hier „drinnen“ und wer hier „draußen“ ist, kann nicht mehr wie im Mittelalter per Bannbulle dekretiert werden – zumindest nicht mit der Aussicht auf allgemeine Akzeptanz.

Für die bisher alles in allem erfolgreich sowohl um Glaubens- als auch um „Rom“-Treue bemühten Priestergemeinschaften der Ecclesia-Dei-Tradition mag es da stellenweise zu Zerreißproben kommen. Eine hundertprozentig erfolgreiche Domestizierung und Zerschlagung ist selbst bei den so schändlich und gesetzlos aufgelösten Franziskanern der Immakulata nicht gelungen. Bei den ganz anders in der Welt stehenden Priestergemeinschaften sollte das noch viel weniger gelingen.

Vor allem aber sind die Laien des 21. nicht mehr zu vergleichen mit den braven und nichts Böses argwöhnenden Pfarrkindern des 20. Jahrhunderts, die sich zu Recht kaum vorstellen konnten, daß ihre Oberhirten ihnen Steine statt Brot aufdrängen würden. Viele von Ihnen haben große Opfer gebracht und viel Kraft dafür aufgewandt, für sich und ihre Familien eine katholische Umgebung aufzubauen, in der man nicht bei jeder Predigt die nächste Verkündigung einer Häresie befürchten und bei jeder Sakramentenspendung darum beten muß, daß sie auch gültig ist. Diese Gemeinden sind – weder in Frankreich noch in Deutschland – nicht bereit, den Mehrheiten der Bischofskonferenzen in die Apostasie zu folgen. Und sie werden – das kann seit 1988 als erwiesen gelten – auch immer Priester und Bischöfe finden, die sie in der Treue zum Evangelium unterstützen.

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