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Kampffeld „Biritualismus“?

Bild: Screenshot aus dem verlinkten VideoDas 40-minütige Video von Taylor Marshall enthält einige höchst wichtige Überlegungen zur anstehenden Neufassung von Summorum-Pontificum, die hier nur in geraffter Form referiert werden können. Jeder, dessen Englischkenntnisse auch nur halbwegs zureichen, sollte sich das Video unbedingt ganz anschauen – die automatische Transskription, die man in den „Einstellungen“ aktivieren kann, ist hilfreich zum Einhören. Eine der Aussagen betrifft den Inhalt der zu erwartenden Neuregelung. Dabei geht es „Rom“ – so Marshall – nicht darum, die alte Liturgie erneut „abzuschaffen“ – das würde Konflikte heraufbeschwören, die man dort aus vielerlei Gründen zumindest jetzt nicht will. Es geht auch nicht primär darum, den Zugang zur Liturgie, zumindest nicht für Laien, grundsätzlich einzuschränken. Erstrangiges Ziel wäre die „Domestizierung“ der überlieferten Liturgie, die sich wider Erwarten dem ihr vorausgesagten und verordneten Absterben verweigert. Dabei ginge es vor allem darum, den in letzter Zeit verstärkt sichtbar gewordenen Tendenzen zur Entstehung einer altrituellen „Parallelkirche“ einen starken Riegel vorzuschrieben. Marshall spricht hier von „exclusivity“ und „latin-mass only-ism“, die sich nach Ansicht der Kirchenführung in den „Gemeinden, vor allem aber den Gemeinschaften“ der überlieferten Form ausgebreitet hätten – emblematisch ausgedrückt in der Verweigerung von Konzelebration und „Biritualismus“.

Dieser Befund selbst ist schwerlich zu bestreiten. Die Frage allerdings welche Ursachen und Motive zu dieser Entwicklung geführt haben und ob es darunter nicht auch gute Gründe gibt, stellt Taylor zumindet in diesem Video nicht.

Daß solche Separierungstendenzen nicht nur eine Gefahr für den organisatorischen Zusammenhalt der Kirche darstellen, liegt auf der Hand. Es ist der Leib Christi selbst, der hier zerquält wird, und es stehen auch hier Seelen und ihr ewiges Heil auf dem Spiel. An einer Stelle spitzt Marshall zu: „Man kann auch in den Himmel kommen, wenn man eine Zeit lang an der Messe im Novus Ordo teilnimmt – wenn man sich gegen die Nächstenliebe versündigt und in Stolz und Hochmut verharrt, eher nicht.“

Das ist ein Punkt. Mit einigermaßem gutem Gewissen in die Spaltung einwilligen kann nur, wer die Kirche unter dem Papst bereits weitgehend verloren gegeben hat und ihren Repräsentanten den guten Willen oder zumindest die Fähigkeit abspricht, den Auftrag Christi an seine Jünger zu erfüllen: Weide meine Schafe, weide meine Herde. Auch hier wären wir dann wieder bei der Frage nach den Ursachen und Motiven hinter der Entwicklung, die bei vielen Altrituellen dazu geführt hat, Berührungen mit der „Konzilskirche“ ängstlich und mißtrauisch, manchmal aber auch überheblich, nach Möglichkeit zu vermeiden.

Hier geht es weiterNun ist Marshall weit davon entfernt, in den erwarteten Schritten zur vollen „Wieder-Eingemeindung“ der Altrituellen den Ausdruck pastoraler Fürsorge für die armen rigiden und zurückgebliebenen tridentinischen Seelen zu sehen. Deutlich beschreibt er den taktischen Vorteil, den die Kirchenführung sich davon versprechen kann, wenn sie nicht die Liturgie an sich oder gar die ganze Tradition zum Streitpunkt macht, sondern (scheinbare) Details wie die Konzelebration oder den Biritualismus, also quasi praktische und disziplinar zu behandelnde Fragen. So vermeidet sie sowohl den offenen Widerspruch zu Papst Benedikt als auch das gefährliche Feld doktrinärer Diskussionen. Elegant schiebt sie der Gegenseite den schwarzen Peter zu, sich gegen die Einheits- und Versöhnungsangebote der liebenden Mutter Kirche zu sperren, und platziert nebenbei in den Priestergemeinschafte der Tradition eine ganze Serie von Sprengsätzen, die diese wohl kaum unbeschadet überstehen können. Das Ziel der Operation wäre, den traditionalistischen Bereich in all seinen Gruppierung quasi vertikal zu zerlegen: In einen „einheitswilligen“ und von daher integrationsbereiten und pflegeleichten Flügel und in eine „hardcore-Abteilung“, die man unter dem Beifall der Öffentlichkeit als „schismatisch“ abspalten kann.

Von daher sieht Marshall starke Belastungs- und echte Zerreißproben vor allem auf die Priestergemeinschaften und jeden einzelnen Priester der Tradition zukommen. Für den „rigiden Rest“ skizziert Marshall dann die Perspektive einer gänzlich von der römischen Kirche abgespaltenen Gemeinschaft oder Gruppe von Gemeinschaften, mit der man bestenfalls ökumenische Beziehungen unterhält wie mit den Orthodoxen: Unschädlich außerhalb der eigenen Reihen platziert und ohne größeren Einfluß auf die Entwicklungen im eigenen Machtbereich.

Unabhängig davon, inwieweit die hier von Taylor Marshall geäußerten Vermutungen letztlich zutreffen, wirft er in diesem Beitrag existentielle Fragen auf, denen sich die traditionellen Bewegungen in Zukunft verstärkt werden stellen müssen. Fragen, beginnend bei der Möglichkeit eines Kompromisses zur einmal im Jahr stattfindenden Konzelebration der Chrisammesse über die Frage der Kommunionspendung an Politiker, die ihren Wahlkampf als Abtreibungsbefürworter geführt haben, bis zu der Frage, wieweit es überhaupt noch eine kirchliche Einheit gibt, wo die Bätzinge und Genns das große Wort führen – von der „Inkarnation“ der Zweiten Person der heiligen Dreifaltigkeit in der Erdgöttin Pachamama ganz zu schweigen.

Der Frage ist nicht mehr auszuweichen: Was wiegt schwerer und was hat mehr Kraft, das Gewissen zu binden: Die Einheit der Kirche mit sich selbst in der Tradition von zwei Jahrtausenden oder die Einheit in der Gegenwart unter einem Kirchenregiment, das bereit zu sein scheint, jede Tradition und letztlich die Lehre Christi selbst dem Zeitgeist zu opfern, wenn dieser das nur lange und laut genug fordert.

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