Le Barroux und der „Ritus von 1965“
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- 13. Juli 2021
Die Nachricht von der Priesterweihe durch Kardinal Müller in Le Barroux im alten Ritus hat hier und da wieder den alten Vorwurf laut werden lassen, in diesem Kloster der Tradition werde ja „nur“ nach dem „Ritus von 1965“ zelebriert. Wer das über dreistündige Video sehr genau verfolgt, wird tatsächlich einige Abweichungen vom Gebrauch des Missales von 1962 feststellen. Gut zu sehen auf dem (von einer anderen Gelegenheit stammenden) Photo rechts von der Lesung, die „zum Volk hin“ erfolgt – oder sollte man nicht besser sagen: „zum Mönchschor hin“. Denn „Volk“, soweit es anwesend ist, hat seinen Platz noch ein gutes Stück weiter hinten im Kirchenschiff. Zum Thema „1965“ hier einige Informationen zum Vorder- und Hintergrund.
Die Liturgie in Le Barroux wird grundsätzlich nach dem Stand der Bücher von 1962 zelebriert – auch die hl. Messen, die alle Priestermönche regulär täglich an einem der Altäre der Kirche zelebrieren. Es gibt nur eine Ausnahme: In der Konventsmesse, und nur dort, gelten nach einem Rescript der Kommission Ecclesia Dei vom 22. Februar 1989 einige Sonderregelungen. Einige davon stimmen mit dem Gebrauch von 1965 überein (die dieser übrigens teilweise aus älterem monastischem Gebrauch übernommen hat). So gilt z.B. die Vorgabe, daß die Konventsmesse dann, wenn sie unmittelbar an eine Hore des Offiziums anschließt, direkt mit dem Introitus beginnt – ohne Stufengebete. Ebenfalls altem monastischem Gebrauch entspricht die mit diesem Rescript gestattete Praxis, daß der Zelebrant die oratio super oblata laut singt und das Paternoster von allen gemeinsam gesungen wird. Eine andere von Ecclesia Dei ausdrücklich nur als „Möglichkeit“ erwähnte Abweichung gegenüber 1962, die Einfügung von „preces universales“ vor dem Offertorium, wird unseres Wissens in Le Barroux regulär nicht praktiziert. Das „per ipsum“ und der Schlußsegen werden gesungen, das Schlußevangelium entfällt – auch das Rubriken, die zwar 1965 gegenüber dem Stand des 19. Jahrhunderts eingefügt worden sind, die aber eine lange mittelalterliche Tradition haben.
Ob diese Varianten von den Mönchen erbeten oder von der Kommission Ecclesia Dei verfügt worden sind, ist uns nicht bekannt. Ein Blick in die Geschichte des Klosters ergibt aber Anhaltspunkte. Die Ansiedlung in Le Barroux begann 1970 als zunächst einsiedlerische Außenstelle von Fontgombault, als der Benediktinerorden von schweren Auseinandersetzungen über die Liturgiereform erschüttert wurde. Es bildete sich schnell eine Gemeinschaft, die sich in den folgenden Jahren an Erzbischof Lefebvre anlehnte – und der und zumindest ein Teil seiner Gemeinschaft hatten keine Probleme, den Ordo von 1965 zu verwenden. Dieser Ordo ist zweifelsfrei ein Angehöriger der tridentinischen Ritusfamilie; welche verhängnisvolle Brückenfunktion zur Überleitung in den „Novus Ordo“, dessen Zugehörigkeit zu dieser Ritusfamilie zumindest zweifelhaft ist, er objektiv gespielt hat, ist erst später in der historischen Rückschau voll erkennbar geworden. Von daher gehören zumindest einzelne Riten von 1965 durchaus zur historisch gewachsenen Gestalt von Le Barroux.
Wenn die Nähe zu Erzbischof Lefebvre und seiner Bruderschaft aber der einzige Grund für die Affinität der Mönche zu einzelnen liturgischen Elementen von 1965 gewesen wäre, hätten sie diese Elemente vermutlich 1988 abgestoßen, als sie sich in der Auseinandersetzung um die unautorisierten Bischofsweihen von Lefebvre trennten und – quasi parallel zur Entstehung der Petrusbruderschaft – die Rekonziliation zur vollen Gemeinschaft mit Rom erreichten. Aber da gibt es noch tiefere Verbindungen, die freilich nichts mit „1965“ zu tun haben, sondern weit in die Liturgiegeschichte zurückreichen.
Die französische Tradition ist stärker als das in Deutschland der Fall ist (hier haben wir andere Differenzierungen), von einer Entgegensetzung zwischen einer eher höfisch geprägten „barocken“ und einer monastisch-asketisch geprägten Stil- und Spiritualitätsrichtung gekennzeichnet – die sich in Fontgombault und Le Barroux nicht zufällig in romanischem Stil der Kirchengebäude präsentiert. Tatsächlich ist die Kirche von Le Barroux soweit wir das sehen können 100% romanisch – und dabei zu 100% ein Neubau aus den 70er Jahren! Die monastisch-asketisch geprägte Richtung der Tradition in Frankreich sah 1965 in dem erneuerten Ordo samt neuem ritus servandus einen guten Teil ihrer Erwartungen an eine Liturgiereform erfüllt: Abkehr vom (vermeintlichen) barocken Überschwang der Nach-Trient-Zeit mit Wiederholungen, vielen Kniebeugen und Gesten aus längst vergangener Zeit, zugunsten einer schlichteren und gradlinigeren vermeintlich „mittelalterlicheren“ Form, die sich auf das Wesentliche konzentrierte. „Edle Schlichtheit“, wie von Sacrosanctum Concilium versprochen. Und wenn man 2021 nicht wüßte, in welcher verhängnisvollen Richtung diese „Schlichtheit“ dann weiterentwickelt wurde, könnte man ihnen vielleicht sogar Recht geben.
Ob solche Überlegungen bei der Gestaltung des „Hausbrauches“ von Le Barroux eine Rolle gespielt haben, wissen wir nicht. Es kann ebenso gut sein, daß die „65er-Elemente“ von Rom angeordnet wurden, um die Einbindung des Klosters in die „Gemeinschaft der lebendigen Tradition“ der Kirche zu unterstreichen. Wie auch die Petrusbruderschaft und die anderen Gemeinschaften der Tradition mußte Le Barroux die Gültigkeit und Rechtmäßigkeit des Novus Ordo von 1969 ausdrücklich anerkennen und kann auch seinen Priestern die Zelebration im Novus Ordo nicht generell untersagen. Die etwas eigentümliche Gestaltung des Altarraumes mag als Indiz dafür gelten, daß die Mönche sich hier zu einigen zumindest äußerlichen Konzessionen veranlaßt sahen.
Nur der Vollständigkeit wegen sei noch hinzugefügt, daß die Weihe vom 11. 7. dieses Jahres ebenso wie alle anderen Weihen in Le Barroux nach dem überlieferten Ritus in seiner traditionellen Form gespendet wurden – das Pontifikale des Novus Ordo wurde erst mit der Endstufe der Liturgiereform eingeführt und findet in den traditionellen Gemeinschaften von Pius bis Petrus unbeschadet der Anerkennung seiner Gültigkeit in der Regel keine Anwendung.