Es wird ernster - Bischof Fellay warnt vor Abgleiten in den Sedisvakantismus
- Details
- 11. Mai 2012
Aktuelle Ereignisse erfordern eine Fortsetzung des Beitrags über die offenbar unmittelbar bevorstehende Rekonziliation der Piusbruderschaft. Seit gestern kursieren im Internet zwei interne Schreiben der FSSPX: Ein Brief der Bischöfe de Galarreta, Tissier de Mallerais und Williamson an das Generalat, Datum 7. April, und eine Antwort darauf von Bischof Fellay unter dem Datum vom 14. April. Hier gibt es PDF-Kopien der auf französisch verfassten Briefe samt einer englischen Inhaltsangabe. Eine sorgfältige Übersetzung des Briefes von Msgr. Fellais bringt Rorate Caeli - dort wird wohl bald auch der erste Brief übersetzt erscheinen.
Ihren Ursprung haben die Briefe offenbar, wie aus einigen Ungeschicklichkeiten bei der erstmaligen Online-Stellung der Dokumente hervorgeht, in England, wie Recherchen von Rorate Caeli ergeben haben. Dabei ergaben sich auch Anzeichen dafür, daß der erste Brief an das Generalhaus in einer Entwurfsfassung veröffentlicht wurde, die nicht unbedingt mit der tatsächlich abgeschickten identisch ist.
Inhaltlich bietet der erste Brief für Kenner der Diskussionen in der Bruderschaft keine großen Überaschungern. Die drei Bischöfe bekräftigen danach die Position, daß es in der Kirche auch unter Papst Benedikt XVI. keine wirkliche Entwicklung zum besseren gegeben habe. Jede Einigung mit Rom würde die Fähigkeit der FSSPX unterhöhlen, das Konzil zu kritisieren und sich als einzige wirklich glaubenstreu gebliebene Kraft zu behaupten. Der letzte Absatz sagt dann:
Seien Sie wachsam! Sie führen die Bruderschaft in eine unheilbare Spaltung, und wenn Sie einer Einigung zustimmen, wird das mächtige zerstörerische Kräfte innerhalb der Gemeinschaft entfesseln, denen sie nicht gewachsen sein wird. Da sich die Sachlage nicht geändert hat und die Bedingung des Generalkapitels von 2006 () nicht erfüllt ist, hören Sie auf unseren Gründer, er war vor 25 Jahren im Recht, und das ist er auch heute. Stimmen Sie für die Bruderschaft keiner alleine auf das Praktische gerichteten Einigung zu.
Die Antwort des Generalhauses ist unterzeichnet von Bischof Fellay sowie dem ersten und zweiten Assistenten Pfluger und Nély. Sie schlägt einen außerordentlich ernsten Ton an, dem zu entnehmen ist, wie stark die Spannungen in der Bruderschaft inzwischen geworden sind - und auch wie entschlossen das Generalat zu sein scheint, die ausgestreckte Hand des Papstes zu ergreifen. Sie sehen in der von den Dreien gegebenen Situationsbeschreibung einen auffälligen Mangel an Verständnis für den übernatürlichen Geist der Kirche, und folgern:
Bei der Lektüre Ihres Briefes fragt man sich, ob Sie wirklich noch daran glauben, daß die sichtbare Kirche, deren Sitz Rom ist, tatsächlich die Kirche unseres Herrn Jesus Christus ist. Eine Kirche, die zwar schrecklich entstellt ist, a planta pedis usque ad verticem capitis, aber eine Kirche, deren Haupt trotz allem immer noch unser Herr Jesus Christus ist. Man hat den Eindruck, daß Sie so empört sind, daß sie es nicht länger für möglich halten, daß es sich um die wahre Kirche handelt. Anscheinend ist es für Sie fraglich geworden, ob Benedikt XVI noch der rechtmäßige Papst ist. Und falls er es ist, ob Jesus Christus noch durch seinen Mund sprechen kann."
An einer späteren Stelle im Brief aus dem Generalhaus heißt es dann:
Sie werfen uns vor, wir seien naiv oder ängstlich, aber in Wirklichkeit ist es Ihr Verständnis von der Kirche, das zu menschlich und nachgerade fatalistisch ist. Sie sehen die Gefahren, die Intrigen - aber Sie übersehen den Beistand der Gnade und des Heiligen Geistes. Wenn man glaubt, daß der Heilige Geist die Angelegenheiten der Menschen leitet, ohne ihre Freiheit zu beeinträchtigen, dann muß man auch anerkennen, daß die Gesten guten Willens in den letzten sieben Jahren ebenfalls unter seiner Anleitung erfolgt sind. Diese Gesten bilden eine Linie - keine gerade Linie, aber dennoch eine Linie zugunsten der Tradition. Warum sollte sich das ändern, wenn wir das Äußerste tun, um uns als treu zu erweisen und unsere Gebete verstärken. Wird der liebe Gott uns in diesem äußerst kritischen Moment fallen lassen?
Weiterhin teilt das Generalhaus in diesem Schreiben mit, daß die Suche nach einer praktischen Übereinkunft nicht auf seine Initiative zurückgeht.
Im Interesse der Bruderschaft würden wir es weitaus vorziehen, den gegenwärtigen Staus quo auf mittlere Frist beizubehalten. Aber Rom ist nicht länger dazu bereit, das zu tolerieren.
Die vorgeschlagene Lösung einer Personalprälatur bedeutet keine Falle. Die Situation im April 2012 unterscheidet sich grundlegend von der von 1988. So zu tun, als ob sich nichts geändert hätte, verkennt die Geschichte. Zwar leidet die Kirche noch unter den gleichen Übeln, die Folgen sind vielleicht noch schlimmer und noch offensichtlicher als früher, aber gleichzeitig beobachten wir eine veränderte Haltung in der Kirche, die durch die Gesten und Taten Benedikt XVI. zugunsten der Tradition unterstützt wird. Diese neue Bewegung, die vor mindestens 10 Jahren eingesetzt hat, wächst ständig. Sie erreicht inzwischen eine gute Zahl (wenn auch noch eine Minderheit) von jungen Priestern und Seminaristen und sie schließt sogar eine kleine Zahl jüngerer Bischöfe ein, die sich deutlich von ihren Vorgängern abheben. Sie lassen uns vertraulich ihre Sympathie und Unterstützung wissen, aber sie werden noch durch die herrschende Linie in der Hierarchie, die das 2. Vatikanum begünstigt, zurückgedrängt. Doch diese Hierarchie verliert an Kraft. Diese Wahrnehmung ist keine Täuschung, und sie zeigt, daß es nicht länger illusorisch ist, an einen Kampf "innerhalb der Mauern" zu denken - auch wenn uns dessen Schwierigkeit durchaus bewußt ist.
In Rom konnte ich feststellen, daß man uns zwar nach wie vor große Geschichten vom Glanz des 2. Vatikanums auftischt, aber daß diese Geschichten mehr auf den Lippen der Leute, als in ihrem Kopf sind. Immer weniger glauben daran.
Den Abschluß des Briefes bilden Vorwürfe des Generalhauses an die drei Bischöfe, die den allein zur Leitung der Bruderschaft berufenen Generaloberen bei den schwierigen Gesprächen der letzten Monate nicht nur nicht unterstützt hätten, sondern versucht hätten, ihm ihren Willen aufzuzwingen, sogar mit Drohungen, sogar in der Öffentlichkeit. Als letzten Absatz dann auch hier eine ausgestreckte Hand:
Wir beten für jeden von Ihnen, daß wir uns in diesem Kampf, der noch lange nicht zuende ist, alle gemeinsam zur Höheren Ehre Gottes und die Liebe zu unserer Bruderschaft einsetzen mögen.