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Wie „birituell“ wird Augsburg?

Bild: Wikimedia Commons, Otto Schemmel, CC BY-SADie Nachricht, daß der Augsburger Bischof Bertram Maier am Samstag 10 Diakone für die Petrusbruderschaft geweiht hat, ist eine sehr gute Nachricht. Uns scheint, Qualität und Gewicht dieses Ereignisses sind bisher in Tradiland noch nicht angemessen zur Kenntnis genommen worden, auch von einem Dank an den Bischof war bisher wenig zu hören.

Natürlich, in normalen Zeiten wäre es kaum der Rede wert, daß ein Ortsbischof im Priesterseminar einer in seiner Diözese nach Recht und Gesetz tätigen Gemeinschaft das Weihesakrament spendet. Aber die Zeiten sind nicht normal, und es ist noch kein ganzes Jahr her, daß TC die Botschaft brachte, daß einflußreiche römische Kreise und wohl auch der Papst selbst sich zum Ziel gesetzt haben, die Tätigkeit der „altrituellen“ Gemeinschaften einzuschränken und diese selbst eher früher als später „abzuschaffen“. Der überlieferte Ritus – nichts anderes sagt die von theologischen und liturgiehistorischen Analphabeten ersonnene Formel vom ritus modernus als der einzigen lex orandi der römischen Kirche – soll aus dem Leben der Kirche verschwinden. Dieses Ziel wird zwar angesichts des Zusammenbruchs, den die dem Geist des ritus modernus verschriebenen Bereiche der Kirche derzeit erleben, und angesichts der Widerstandsfähigkeit der Gemeinden und Gemeinschaften der überlieferten Lehre, nicht zu erreichen sein – aber der böse Wille ist unverkennbar.

Unter diesen Umständen ist es keine Selbstverständlichkeit, daß – erstmals seit vielen Jahrzehnten – ein amtierender Diözesanbischof das Selbstverständliche tut.

Hier geht es weiter Er hat Seminaristen einer der doch offiziell zum Aussterben vorgesehenen Gemeinschaften die – nach heute geltendem Kirchenrecht – Eingangsstufe des Ordo-Sakramentes erteilt, und er tat das im Rahmen eines Pontifikalamts im überlieferten Ritus und nach dem angeblich „abgeschafften“ Pontifikale des von Benedikt XVI. bestimmten Stichjahres 1962. Und er tat noch mehr: Gleich zu Beginn seiner dringend zur Lektüre empfohlenen Predigt bat Bischof Meier um Verständnis dafür, daß er „(noch) nicht ganz sicher sei in der Feier nach dem Pontificale Romanum von 1961/62)“. Das (im Text seiner Predigt auf der Bistumsseite in Klammern stehende) „noch“ läßt vermuten, daß Bischof Bertram künftige Wiederholungstaten nicht ausschließt. Offenbar hat er die Absicht, das, was selbstverständlich sein sollte, in seinem Jurisdiktionsbereich auch zur Selbstverständlichkeit zu machen.

Bevor wir auf weitere Teile seiner Predigt eingehen, hier noch einige Gedanken zur Bitte um Verständnis für mögliche Unsicherheit in der Feier nach den überlieferten Büchern. Gläubigen, die dabei waren, sind keine größeren Unsicherheiten aufgefallen, und möglicherweise wird die Schwierigkeit einer Feier im alten Ritus für den Zelebranten gerade bei einem Pontifikalamt auch gelegentlich überschätzt. Der Bischof ist bei diesen Feierlichkeiten geradezu umzingelt von Mit-Offizianten, die ihm kaum Raum lassen, sich etwa in eine falsche Richtung zu bewegen, und es gibt zwei Zeremoniare, die nichts anderes zu tun haben, als die Offizianten und insbesondere den Bischof diskret, aber nachdrücklich dazu zu bringen, genau das zu tun, zu sagen oder vorzulesen, was die Rubriken von ihnen verlangen. Sichtbare Fehler erfordern dabei schon fast mehr Anstrengung, als das Richtige zu tun.

Schwieriger ist es vermutlich für einen in der überlieferten Liturgie ungeübten Zelebranten, sich der doch deutlich unterschiedlichen Spiritualität und dem ganz anderen Geist des alten Missales anzupassen, ja zu unterwerfen. Für Subjektives, das in den Augen vieler Befürworter des ritus modernus zu dessen stärksten Seiten zählt, ist im vetus ordo wenig Raum: Hier agiert immer und für alle sichtbar der Priester nicht als  „Vorsteher“ oder gar Moderator einer Gemeindeversammlung, sondern als alter Christus. Das auf rechte Weise zu verinnerlichen, auf den in der Ausbildung immer so nachdrücklich betonten „Augenkontakt mit dem Publikum“ zu verzichten, ist für viele moderne Zelebranten sicher eine größere Herausforderung als die Befolgung der Handzeichen des Zeremoniars. Und nebenbei bemerkt: Auch die Fähigkeit zum sinnerfassenden Umgang mit den lateinischen Texten des Pontifikales fällt für einen Bischof vom Weihejahrgang 1985 nicht vom Himmel, das will vorbereitet sein.

Nicht vom Himmel fällt auch eine Predigt wie die am Samstag in Lindenberg gehaltene. Sie ist inhaltlich wie formal das Musterbeispiel eines Versuches, das, was unter den oben dargestellten Umständen ganz und gar nicht normal ist, als Ausdruck von Normalität darzustellen und jeden Anschein einer unangebrachten Belehrung in der einen oder der Provokation in der anderen Richtung zu vermeiden. Dabei beschränkt sich Bischof Meier in seiner Predigt nicht nur auf die in dem besprochenen „noch“ angedeutete Möglichkeit, weitere Weihen oder Zelebrationen im alten Ritus durchzuführen. Im Anschluß an sein Zitat aus einer 2013 von der Petrusbruderschaft an Papst Franziskus zu seiner Wahl als Nachfolger Petri gerichteten Gratulation führt er aus:

Auf diesem Fundament können wir weiterbauen. Ich danke dem Herrn für das harmonische Miteinander in Wigratzbad und auch an den Orten im Bistum Augsburg, wo Mitglieder ihrer Priesterbruderschaft segensreich wirken. Das Band unserer Einheit ist Jesus Christus, der uns in seinen Dienst gerufen hat. Daher ist heute eine Gelegenheit der Freude und der Hoffnung für Ihre Gemeinschaft, für Ihre Heimatländer, für unsere Diözese und für die ganze Kirche.“

Das ist zwar nicht sehr konkret – aber wie ein Bekenntnis zu den römischen Absichten, die altrituellen Gemeinschaften immer stärker einzuschnüren und die alte Liturgie schließlich ganz aus dem Leben der Kirche herauszudrängen, klingt es ganz und gar nicht. Beginnen wir beim Nachdenken über die darin angedeuteten Möglichkeiten mit dem, was wir bereits als Realität vor Augen haben: Für einen Samstagvormittag im vergangenen Mai war der Bischof von Augsburg quasi „birituell“. Und das in einer durchaus auf die Zukunft gerichteten Weise – eine Zukunft, in der die Petrusbruderschaft unübersehbar ihren Platz hat. Wäre es da so völlig unvorstellbar, daß auch die Petrusbruderschaft oder einige ihrer Mitglieder für einen Gründonnerstag oder wann immer die Chrisammesse stattfindet, ebenfalls punktuell „birituell“ würde? Im Sinne dessen, was Meier in Fortsetzung des oben gebrachten Predigtabschnittes ausgeführt hat:

Von diesem Weihealtar aus soll eine Botschaft ausgehen: Diese Feier ist ein Zeugnis für die Einheit und die Katholizität, für die Petrus in der Gestalt seiner Nachfolger der oberste Garant ist. Die Kirche macht im Rahmen dieser Feier die tröstliche Erfahrung, ihre eigene Lebendigkeit und den Reichtum ihrer geistlichen Gaben wachsen zu sehen.

In diesem Geist scheint manches möglich zu sein, und das gegenwärtige Pontifikat, das sichtlich seinem Ende zugeht, aber auch die Unwägbarkeiten um die Nachfolge, könnten das kaum verhindern, wenn Bistum und Bruderschaft an einem Strang ziehen. Und Augsburg ist nicht irgendein Bistum, sondern als Standort des europäischen Seminars von zentraler Bedeutung für die FSSP. 

Trotzdem wäre ein solcher Augsburger Religionsfrieden 2.0 natürlich von durchaus begrenzter Bedeutung, institutionell ebenso wie geographisch. Und es gibt nicht nur in Deutschland genug Bischöfe, denen zuzutrauen ist, daß sie einen verlängerten Liturgiekrieg mit dem Ziel des Endsieges für den möglichst von Priester*innen gefeierten novus ordo jedem liturgischen Frieden vorziehen. Die Gemeinschaften und die Angehörigen der altgläubigen Gemeinden werden sich also auf unruhige Zeiten, jähe Überraschungen (Lindenberg war eine solche Überraschung, eine erfreuliche) und schnelle Strategiewechsel einstellen müssen. In A wird es Kooperation geben, in B prekären Waffenstillstand und in C offene Konfrontation – und ein Papst der das alles zusammenhalten wollte, wäre nicht zu beneiden.

Konfrontation, wie sie in TC von höchster Stelle verkündet wurde, ist möglicherweise unvermeidlich und muß daher auch als Option in alle Planungen einbezogen werden. Wenn die Weihen von Lindenberg aber die Erkenntnis fördern, daß auch Kooperation möglich und wo immer möglich der Konfrontation vorzuziehen ist, könnte der 28. Mai zu einem Datum von wegweisender Bedeutung werden.

Dafür, daß er diese Möglichkeit sichtbar gemacht hat, ist Bischof Bertram sehr zu danken.

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