Wahrheit und Barmherzigkeit
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- 02. Juli 2015
Das vergangene halbe Jahr hat einige bemerkenswerte Entwicklungen hinsichtlich der rechtlichen Stellung der Priesterbruderschaft St. Pius gebracht. Auffälligstes Anzeichen war die Anerkennung der Bruderschaft als Einrichtung der katholischen Kirche durch den argentinischen Staat, die erst auf Intervention des damaligen Kardinals Bergoglio und später des Vatikans ermöglicht worden sein soll. Diese staatliche Anerkennung betrifft zwar lediglich den steuerlichen Status der Bruderschaft in Argentinien und ist kirchenrechtlich irrelevant. Aber die römische Intervention hat, soweit sie denn tatsächlich stattgefunden hat, zweifellos klimatische Auswirkungen auf die Position der Bruderschaft innerhalb der Kirche.
Andere klimatische Entwicklungen deuten genau in diese Richtung. Bereits im Dezember war S.E. Walter Kardinal Brandmüller bei einem inoffiziellen Besuch des Priesterseminars der FSSPX in Zaitzkofen auch mit Bischof Fellay zusammengetroffen. Thema des Gespräches war, unter anderem, die Lehrautorität des Zweiten Vatikanischen Konzils. Am 16. Januar hatte Weihbischof Schneider Das Seminar zum hl. Pfarrer von Ars in Flavigny besucht; am 11. Februar traf er sich im Seminar Thomas von Aquin in Winnona in den USA mit Bischof Fellay und weiteren Priestern der Bruderschaft. Bei diesen Treffen handelt es sich jedenfalls nicht nur um private Besuche. Wie die FSSPX mitteilte, sind diese Treffen eine Fortführung der „erweiterten und weniger Formellen Gespräche", auf die sich Bischof Fellay und Kardinal Gerhard Ludwig Müller als Präfekt der Glaubenskongregation (und Präsident von Ecclesia Dei) im September 2014 verständigt hatten. Dann ist da die Einsetzung von Bischof Fellay als Richter erster Instanz für die Untersuchung eines Disziplinarfalls in der Bruderschaft. Damit erkennt der Vatikan ganz offiziell seine letzte Zuständigkeit für die Bruderschaft an und ebenso Bischof Fellay als deren zuständigen Oberen - und vermeidet es gleichzeitig, einen eigenen Beauftragten für die Angelegenheit einzusetzen. So geht Diplomatie, wenn man auf Kooperation und nicht auf Konflikt setzt.
Offenbar wird das diplomatische Spiel derzeit von beiden Seiten gepflegt. Bei der Gelegenheit einer Glockenweihe für die Kapelle einer Schule in Chateauroux gab Bischof Fellay Ende Juni ein Intervierw, in dem er den aktuellen Stand der Dinge zwar nicht überoptimistisch, aber doch überaus abgewogen und in konstruktivem Ton zusammenfasste. Sehr positiv wertete er die vom Präfekten der Gottesdienstkongregation Robert Kardinal Sarah ins Gespräch gebrachte Möglichkeit, die überlieferten Gebete des Offertoriums als Option in den Neuen Ritus aufzunehmen. Als großes aktuelles Problem bezeichnete er die Behandlung der Franziskaner der Immakulata durch die Ordenskongregation und den bisherigen Administrator – hier deutet sich durch die Neubesetzung der Position eine Entschärfung an. Gleichzeitig räumte er ein, daß es auch im Umfeld der Bruderschaft Scharfmacher gibt, die jeden Ausgleich blockieren. Namentlich erwähnte er die „Resistance“ des aus der FSSPX ausgeschlossenen Bischofs Williamson, der er unkatholisches Denken und sektiererisches Verhalten vorwarf. Ausdrücklich verwahrte sich Bischof Fellay gegen Versuche, der FSSPX eine Art Alleinvertretungsanspruch zur Rettung der Seelen zu unterstellen oder einen solchen in ihrem Namen erheben:
„In solchen Äußerungen kann ich mich nicht wiedererkennen. Festigkeit in der Lehre ist tatsächlich unabdingbar, denn der Glaube steht nicht zur Verhandlung. Der Glaube ist als ein Ganzes von Gott gegeben, und wir haben kein Recht, eines aus den offenbarten Wahrheiten auszuwählen und anderes abzulehnen. ... Der Missionar muß die Stimme des Glaubens auch außerhalb vernehmbar machen und gleichzeitig versuchen, die, die bereits glauben, im Glauben zu s tärken. Wir können uns nicht nur an die Gläubigen der Bruderschaft richten. Die Fackel erleuchtet die Welt, und das Licht des Glaubens scheint mit Wärme. Der Glaube muß von Nächstenliebe und Barmherzigkeit getragen werden – so sehe ich den Missionar.“
Zum Abschluß des Interviews gab Bischof Fellay seinen Lesern einen etwas orakelhaften Satz mit, den wir hier nur weitergeben, aber nicht interpretieren wollen: „Meiner Ansicht nach stehen wir am Vorabend bedeutender Ereignisse, die wir noch nicht genau beschreiben können. Ich möchte alle um ihr Gebet bitten und schließe mit dem Blick auf Gott, der uns immer Hoffnung gibt.“