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Regularisierung in Zeiten der Regellosigkeit

Bild: icc.id.sspx.orgGerüchte und Berichte über eine angeblich noch in diesem Jahr zu erwartende Anerkennung der Piusbruderschaft durch Rom werden lauter. Wir hatten bereits im Februar über entsprechende Entwicklungen berichtet. Die Diskussion hat durch den im vergangenen Monat auch international bekannt gewordenen Rundbrief von P. Schmidberger an Fahrt aufgenommen. Einen aktuellen Blick in die Gerüchteküche erlaubt katholisches.info. An den Spekulationen darüber, wie wahrscheinlich eine solche Anerkennung ist und zu welchem Zeitpunkt sie stattfinden könnte, wollen wir uns mangels harter Informationen nicht beteiligen.

Diese Zurückhaltung bedeutet nicht, eine einseitige Anerkennung für ausgeschlossen zu halten – ganz und gar nicht. Ein derartiges Vorgehen würde durchaus zum Stil des jetzigen Pontifikats passen, der durch spektakuläre persönliche Gesten bei gleichzeitiger weitgehender Mißachtung traditioneller Verfahrensweisen und eine betonte Geringschätzung rechtlicher Normen gekennzeichnet ist. Und genau an dieser Stelle setzen die Bedenken an, die sich angesichts der diskutierten Entwicklung beim besten Willen nicht unterdrücken lassen.

Um nur einige der hier aufgeworfenen Fragen zu benennen:

Wie soll die Bruderschaft künftig zu Bischöfen kommen? Eigene Bischöfe sind die unaufgebbare Voraussetzung für die weitere Existenz der Priesterbruderschaft. Die Weigerung Roms, der Bruderschaft einen oder mehrere Bischöfe zu „gewähren“, führte 1988 zu den irregulären und von Rom mit schärfsten Sanktionen bedachten Weihen durch den mit gutem Recht um die Fortführung seines Werkes besorgten Erzbischof Lefebvre. Die seinerzeit geweihten Bischöfe kommen nun, so schreibt auch P. Schmidberger, ihrerseits in das Alter, in dem sie sich vor die gleiche Situation gestellt sehen.

Dabei ist es für die Bruderschaft kein Trost, ansehen zu müssen, daß auch die in voller Einheit mit dem Papst stehenden traditionellen Gemeinschaften keinen „eigenen“ Bischof haben, sondern für ihre Priesterweihen auf Bischöfe angewiesen sind, die ihrerseits von Rom abhängig sind. Und während die römische Linie unter Papst Benedikt in dieser Hinsicht durch ein gewisses Laissez faire gekennzeichnet war, haben die zuständigen Stellen im aktuellen Pontifikat die Zügel fest angezogen: Wie es heißt, wurden die dafür in Frage kommenden Bischöfe streng ermahnt, keine Priester über den Bedarf und die Verwendungsmöglichkeiten ihrer eigenen Bistümer hinaus zu weihen. Durch die Kontrolle über die Weihevollmacht behält Rom – wer oder was auch immer das sei – die Möglichkeit, den regulären Gemeinschaften der Tradition jederzeit die Existenzgrundlage zu nehmen. Was ohne ausreichende rechtliche Grundlegung durch einen Federstrich gewährt wurde, kann auch jederzeit durch einen Federstrich wieder kassiert werden.

Das ist keine unbegründete Befürchtung. Die Zerschlagung der Franziskaner der Immakulata ist ein starkes Signal dafür, daß die Erben der Revolution der 60er Jahre im römischen Apparat die Tradition nur als zwar unerwartet zählebige, aber letztlich zum Aussterben verurteilte Altlast hinnehmen. Die Zeit soll es richten. Und daher kann vom damals eroberten Gelände auch nicht ein Fußbreit aufgeben werden. Um mit Erich Honecker zu sprechen: Vorwärts immer – Rückwerts nimmer. Der Ausgang ist bekannt.

Das Mindeste, was die Piusbruderschaft in dieser Perspektive akzeptieren könnte, wäre eine Rechtsstellung ähnlich den Ordinariaten aus der anglikanischen Tradition. Doch damit wären längst nicht alle Frage rund um die Stellung der Bischöfe behoben. Auch die Ordinariate werden von vielen in Rom als Übergangslösung angesehen, die sich mit dem Aussterben der eigentlichen Konvertiten erledigen soll. Die Frage, wie man als einfacher Katholik unter die Jurisdiktion eines Ordinariats kommt, ist umstritten – die Ortsbischöfe in England nutzen alle ihnen zur Verfügung stehenden Mittel, um die Entwicklung zu behindern. Sie konferieren lieber mit anglikanischen oder episkopalen Bischöfen und Bischöfinnen „auf Augenhöhe“, als traditionstreuen Katholiken welcher Herkunft auch immer, Spielräume im „eigenen Haus“ zu gewähren.

Womit die zweite große Frage angesprochen ist: Wie sollte sich das Verhältnis einer regularisierten Piusbruderschaft zu den Ortsbischöfen gestalten? Die Petrusbruderschaft, die seit nunmehr fast 30 Jahren in voller Einheit mit dem heiligen Stuhl steht, wird von den meisten Bischöfen an jeder seelsorgerlichen Tätigkeit in ihren Diözesen gehindert. Sie passt nicht in die vielerorts grassierenden Modernisierungskonzepte von der priesterlosen Wort-Gottes-Liturgie bis zur Frauenordination.

Ihr irregulärer Status hat die Piusbruderschaft bisher davor bewahrt, von Bischöfen abhängig zu sein, die jede katholische Kirchlichkeit längst aufgegeben haben – aber wie soll das nach einer Regularisierung aussehen? Können Piuspriorate in Diözesen arbeiten, ohne die Zustimmung des Ortsbischofes zu haben? Will und kann Rom widerstrebende Diözesanbischöfe dazu verpflichten, die Piusbruderschaft in ihrem Jurisdiktionsbereich tätig werden zu lassen? Wären die voll im Säkularisierungstaumel liegenden Funktionseliten der Ordinariate bereit, das stets umkämpfte Kirchensteuereinkommen ausgerechnet mit Priestern und Gemeinden zu teilen, die in buchstäblich allen Punkten etwas anderes vertreten als sie selbst? Die Fragen so zu stellen, heißt, sie zu verneinen.

Die einzige theoretische Möglichkeit zur Überwindung solcher Schwierigkeiten könnte darin liegen, der Piusbruderschaft – am Ende noch zusammengefasst mit den bisher Ecclesia Dei unterstehenden anderen ‚altrituellen‘ Gemeinschaften – den weitgehend unabhängigen Status einer autokephalen Teilkirche zu verleihen, die nur durch die seitens des Papstes ausgesprochene Anerkennung mit Rom verbunden wäre. Das wäre – wieder einmal – ein massiver Bruch mit der Tradition und könnte ein weiterer Schritt auf dem Weg einer Anglikanisierung der Kirche sein, in der verschiedene Teilkirchen mit unterschiedlicher Lehre, unterschiedlichem Sakramentenverständnis, unterschiedlicher Kirchendisziplin und unterschiedlicher Pastoral ein nur noch dem Namen nach bestehende lockere Föderation bilden.

Das Ende dieses Weges, das wohl nur wenige Jahrzehnte auf sich warten ließe, wäre dann ein bunter Strauß von „in versöhnter Verschiedenheit“ koexistierenden Gemeinden, die wenig mehr miteinander gemeinsam hätten als die gemeinsame Anerkennung durch einen Papst mit dem Wahlspruch: „Wer bin ich, zu urteilen?“ Vieles in der aktuellen Entwicklung des mißbräuchlich so genannten ökumenischen Gesprächs deutet genau in diese Richtung

In der Kirche der Studentengemeinde könnte dann eine vom Bischof unter Handauflegung beauftragte „Diakonin“ den „Lebensabschnittsbund“ eines homosexuellen Paares oder vielleicht auch einer polyamourösen Fünfergruppe segnen – das ganze vor dem Bild einer lebensspenden Quelle, das dort an die Stelle des patriarchalische Herrschaftsverhältnisse symbolisierenden und daher zu Recht überwundenen Kreuzzeichens getreten ist. In der den „Tridentinern“ überlassenen Friedhofskapelle würde dann die lateinische Messe gelesen und die Ehemoral nach den Büchern des hl. Alfons von Liguori gepredigt. Wiedersprüche blieben unbemerkt, da die Mitglieder der einen Gemeinde den Gottesdienst der jeweils anderen mieden wie der Gottseibeiuns das Weihwasser.

Die „aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen“ wären – soweit sie das wünschten – selbstverständlich ebenfalls voll mit von der Partie unter einem auf den „Vorsitz in der Liebe“ reduzierten Primat, und an den Rändern würden – wie ansatzweise nicht nur in Osnabrück – gemeinsame Kindergärten, Gebetshäusser und Rituale für die Abrahamitischen Gemeinschaften konzipiert. Die wahren Progressiven wären indes längst dabei, unter Mittäterschaft der bedeutendsten Theologen des Landes den „Punkt Omega“ in Amitabha Buddha und die Barmherzigkeit JHWHs Zebaoth im elefantenköpfigen Ganesha zu entdecken.

All dies hätte freilich keine besondere Bedeutung mehr, wenn es gar nicht mehr darauf ankommt, zu welcher Religion man gehört – oder ob überhaupt zu einer – sondern nur noch darum, sich in seiner Menschlichkeit anzuerkennen und das Wunder zu vollbringen „von einer Wüstre, die zu einem Wald wird“. (Franziskus am ‚Earth Day‘ vor den Focolari in Rom, Quelle.)

Ob und wieweit die Entwicklung in dieser Richtung vorangeht, hängt freilich letzten Endes nicht davon ab, daß die Piusbruderschaft „regularisiert“ wird oder nicht. Wo alle Regeln nur noch relative Bedeutung und Funktion haben, spielt auch das keine große Rolle mehr.  

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