Ein Kardinal spricht Klartext
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- 01. April 2017
18. Kölner Liturgische Tagung III
Warum auch immer Kardinal Sarah seine Teilnahme an der 18. Liturgischen Tagung in Herzogenrath absagen mußte – sein am Freitag verlesenes Grußwort machte ihn so präsent, wie er auch bei persönlicher Anwesenheit kaum präsenter hätte sein können. In Form, Tonlage und Länge war dieses Grußwort ein ausgewachsener Tagungsbeitrag – und was für einer. Wir präsentieren und kommentieren hier einige der wichtigsten Aussagen des Kardinals nach der dankenswerter Weise schnell vorgelegten deutschen bzw. englischen Übersetzung des französischen Originals in der Tagespost. Dabei gehen wir davon aus, daß sich bei einer unter weniger Zeitdruck erfolgenden Übersetzung noch einige Varianten in Aspekt und Tonlage ergeben werden.
Inhaltlich behandelt der Kardinal in seinem Eröffnungsvortrag zwei Bereiche: Zunächst den aktuellen Stand des liturgischen Lebens der Kirche und den Weg, der dahin geführt hat, und dann - zumindest in Ansätzen - Schritte und Voraussetzungen zu einer Überwindung dieses von ihm selbst als „Desaster, Verwüstung und Schisma“ beschriebenen Zustandes. Wir sind bereits aus der Zeit, als Josef Ratzinger noch Präfekt der Glaubenskongregation war, starke Worte der Kritik am Niedergang der Kirche nach dem Konzil gewöhnt. Robert Kardinal Sarah, der sich in vielem eng an Denken und Lehre Ratzingers/Benedikts anschließt, trägt der Tatsache Rechnung, daß die Dinge in weiten Bereichen seitdem noch weitaus schlimmer geworden sind und macht Aussagen, die viele Katholiken bis jetzt kaum zu denken, geschweige denn auszusprechen wagten.
Als Antriebskraft vieler „Reformen“, die nach dem Konzil durchgezogen wurden, macht er ein einziges Motiv aus, geboren aus der Angst, den Anschluß an eine unbegriffene ,neue Zeit' zu verpassen: „ Man wollte unbedingt ein als vollkommen negativ und überholt wahrgenommenes Erbe beseitigen, um eine Kluft aufzutun zwischen dem, was vor und dem, was nach dem Konzil existierte.“ Dem setzt er „die absolute und radikale Zurückweisung jeglicher Hermeneutik des Bruchs und der Diskontinuität“ entgegen. Sein Ausgangspunkt dabei ist die Liturgie, doch seine Forderung richtet sich auf den gesamten Inhalt von Glauben und Lehre. Der Glaube selbst ist in einer tiefen Krise, und das „nicht nur bei den Gläubigen, sondern auch und vor allem bei zahlreichen Priestern und Bischöfen“, denen er vorwirft die seit jeher geltende vom Konzil noch einmal ausdrücklich bekräftigte Lehre der Kirche nicht zu kennen – oder wahrnehmen zu wollen.
In einer Weise, wie man das bisher selten gehört hat, kritisiert er die unerträgliche Phrasendrescherei vom „neuen Frühling“ und setzt dem die Fakten entgegen, den „Relativismus bei der Vermittlung der Glaubens- und Morallehre, schwere Missbräuche, die Entsakralisierung und Banalisierung der Heiligen Liturgie sowie die rein soziale und horizontale Sicht der Mission der Kirche.“ Seine Vorwürfe gipfeln in der unerhörten, aber zweifellos berechtigten Aussage „Man wirft dem politischen Europa vor, seine christlichen Wurzeln aufzugeben oder zu verleugnen. Doch wer zuerst seine christlichen Wurzeln und seine christliche Vergangenheit aufgegeben hat – das ist mit Sicherheit die nachkonziliare katholische Kirche.“
Den vor 10 Jahren erfolgten Erlaß von Summorum-Pontificum sieht Kardinal Sarah als Versuch Papst Benedikts, den durch die revolutionäre Lesart des Konzils entstandenen Bruch wieder zu heilen, oder besser gesagt, die Voraussetzungen für eine Heilung zu schaffen – getreu der Einsicht, daß die Art unseres Gottesdienstes entscheidend ist für die Art unseres Glaubens. Um das zu konkretisieren, schlägt der Kardinal einen dreifachen Weg vor, den er unter dem Kürzel „Stille – Anbetung – Ausbildung“ skizziert:
Zunächst also die heilige Stille, ohne die man Gott nicht begegnen kann. In meinem Buch La force du silence schreibe ich folgendes: „In der Stille erwirbt sich der Mensch seine Erhabenheit und seine Größe nur dann, wenn er kniet, um auf Gott zu hören und ihn anzubeten“ .
Sodann, die Anbetung: In diesem Zusammenhang verweise ich auf dasselbe Buch La force du silence, wo ich in Bezug auf meine geistliche Erfahrung folgendes schreibe: „Ich für meinen Teil weiß, dass die besten Augenblicke meines Tages in diesen unvergleichlichen Stunden zu finden sind, die ich auf den Knien in der Dunkelheit vor dem Allerheiligsten Sakrament des Leibes und des Blutes Unseres Herrn Jesus Christus verbringe. Ich bin wie in Gott versunken und von allen Seiten von seiner stillen Gegenwart umgeben. Ich möchte nur noch Gott angehören und in die Reinheit seiner Liebe eintauchen. Und dennoch ermesse ich, wie armselig ich bin, wie weit davon entfernt, den Herrn zu lieben, wie er mich geliebt hat – bis dass er sich für mich ausgeliefert hat“
Schließlich, die liturgische Ausbildung, von einer Glaubensverkündigung oder -katechese ausgehend, deren Maßstab der Katechismus der Katholischen Kirche ist, was uns vor möglichen mehr oder weniger gelehrten Hirngespinsten bestimmter Theologen bewahrt, denen es an „Neuerungen“ ermangelt.
An die Katholiken, die sich der überlieferten Liturgie verbunden sehen, richtet er in diesem Zusammenhang eine Mahnung:
In diesem Gesamtzusammenhang also und in einem Geist des Glaubens und der tiefen Verbundenheit mit dem Gehorsam Christi am Kreuz bitte ich euch demütig, Summorum Pontificum mit Sorgfalt anzuwenden – nicht als eine negative und rückschrittliche, in die Vergangenheit gerichtete Maßnahme, oder als etwas, das Mauern aufrichtet und ein Getto schafft, sondern als einen wichtigen und echten Beitrag zum gegenwärtigen und zukünftigen liturgischen Leben der Kirche, wie auch zur liturgischen Bewegung unserer Zeit, aus der immer mehr Menschen, insbesondere die jungen, soviel Gutes, Wahres und Schönes schöpfen.
Das ist keine leicht erfüllbare Anforderung: Beim gegenwärtigen Stand der allgemeinen Zerrüttung in Theologie und Gottesdienst sowie im Kirchenregiment insgesamt drängt alles dahin, sich auf Inseln zurückzuziehen und sich von dem, was „draußen“ scheinbar unabwendbar in den Zusammenbruch steuert, abzugrenzen. Da hat es bisher sicher an Phantasie und auch an Mut gefehlt, über diese aus gutem Grund wohlbefestigten Grenzen hinauszuwirken.
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Wesentliche Vorträge der Tagung, darunter auch das von Robert Kardinal Sarah, sind als Video bei Bonifatius-TV unter „Dokumentationen“ zu hören und zu sehen.
Der Vortrag hat große Aufmerksamkeit gefunden und wurde im Neztz vielfach zitiert und Kommentiert. Einen ziemlich irritierten Kommentar von KNA bringt katholisch.de und bettet ihn an 4. Stelle in eine Aufzählung von Links zu größtenteils Sarah-kritischen Artikeln ein.