Bereichsnavigation Themen:

Näher, oh mein Gott, zu Dir

Zeitgenössische Darstellung - ©akg-imagesDer Gedanke, über Liturgie zu sprechen, erscheint in diesen Tagen und Wochen immer mehr wie der (nur als Gerücht überlieferte) Versuch der Stewarts auf der Titanic, die Deckstühle auf dem Oberdeck ordentlich aufzustellen, als das Wasser schon die unteren Decks überspülte. Nur, daß heute niemand mehr eine Bordkapelle hört, die „Nearer, my God to Thee“ spielt – was freilich auch nur ein Gerücht ist.

Kein Gerücht hingegen ist es, daß die unglaubliche Attacke des Jesuiten-Zentralorgans Civiltà Cattolica auf die konservativen Christen in den Vereinigten Staaten, die dann in popularisierter Form auch noch von Osservatore Romano übernommen wurde, in Nordamerika beträchtliche Unruhe auszulösen beginnt. Wo das enden wird, ist derzeit noch nicht absehbar, aber Stellungnahmen wie die von Robert Royal auf The Catholic Thing, Maureen Mullarkey auf Rorate Caeli einerseits und die Jubelrufe aus dem linkskatholischen Lager wie von Michael Sean Winters im National Catholic Reporter lassen vermuten, daß diese Spaltung kaum noch zu heilen ist. Ende letzten Jahrfes kolportierte die Internationale Presse als (angebliche) Aussage von Papst Franziskus  „Nicht ausgeschlossen, dass ich als derjenige in die Geschichte eingehen werde, der die katholische Kirche gespalten hat.“ Das könnte früher eintreten, als damals absehbar.

Erst vorgestern haben wir quasi als Stimmungsindikator" auf die Leserzuschriften zum Nachruf Benedikts auf Kardinal Meisner auf der amerikanischen Website „OnePeterFive“ hingewisen. Sie zeigen, wie tief die Verwirrung und der Schmerz unter vielen Katholiken über die unverständlichen Worte und Gesten aus Rom gehen. Heute können und müssen wir ein ähnliches Beispiel aus dem deutschen Sprachraum anführen: Das in Österreich stationierte, aber im ganzen deutschen Sprachraum viel gelesene Portal „kath.net“ sah sich gestern veranlaßt, zwei Artikel zur Unterstützung des Kurses der Bergoglio-Fraktion zu veröffentlichen. Unter der Überschrift „Schönborn greift ‘Dubia-Kardinäle‘ an“ wiederholte der Wiener Kardinal die offenkundige Unwahrheit, daß es keinerlei Zweifel über den glaubenstreuen Inhalt der in den Dubia problematisierten Passagen von Amoris laetitia geben könne. Gleichzeitig blies der Theologe Bernhard Meuser – bekannt geworden als einer der Autoren und Initiatoren des YOUCAT-Projektes – unter der Überschrift „Der ‚unsägliche‘ Papst“ zu einer pauschalen Attacke gegen alle Kritiker der Unklarheiten des gegenwärtigen Pontifikats.

Meusers Text selbst kann hier nicht diskutiert werden. In einem Punkt kann man ihm sogar durchaus Recht geben: Es gibt in der Tat auch unsachliche und sogar von Feindschaft gezeichnete Kritik an Franziskus, einige Blogs sind dabei, in den Sedisvakantismus abzudriften. Doch das sind Randerscheinungen. Die überwiegende Mehrzahl der kritischen Stimmen kommt von Katholiken, die sich an die überlieferte Lehre der Kirche halten wollen und zutiefst verletzt und verunsichert von dem sind, was sie als Aufweichung oder Außer-Kraft-Setzung dieser Lehre wahrnehmen. Und als lehr- und glaubenstreue Katholiken sind sie selbstverständlich bemüht, dem gegenwärtigen Inhaber des Petrusamtes den schuldigen Respekt zu erweisen – auch wenn es sie schmerzt. Und genau von diesem Ton des Schmerzes, der Ratlosigkeit und der Bitte um Klarheit getragen sind buchstäblich alle der bis jetzt an die 140 Leserzuschriften, die zusammen auf die Beiträge Schönborns und Meusers eingegangen sind. Mag sein, daß die Redaktion andere, die sich vielleicht im Ton vergreifen, gelöscht hat.

Die überwiegende Mehrzahl dieser Zuschriften spricht sich ganz eindeutig gegen die von den Autoren der Beiträge vorgebrachten Zumutungen aus. Bloß weil Schönborn Kardinal ist, findet er – von Einzelstimmen abgesehen – noch lange nicht Zustimmung und Unterstützung für seinen Versuch, aus Schwarz Weiß zu machen. Und Meusers „(Franziskus) ist nun der Papst – und ich werde zu ihm halten, auch wenn er goldene Eier klaut. Der Papst ist der Papst, und niemand sonst.“ verfällt der wohlverdienten Lächerlichkeit.

Das Pontifikat Franziskus‘ - vielleicht liegt darin sein eigentlicher Sinn – konfrontiert die glaubenstreuen Katholiken mit einer so historisch neuartigen Situation: Ein Papst weigert sich, die ihm aufgetragene Vollmacht des Bindens und des Lösens auszuüben – „wer bin ich denn, zu urteilen“ - und lässt zu, daß Unklarheiten entstehen, wo die Lehre der Kirche nach Christi Auftrag und Auslegung der Väter keine Unklarheiten erlaubt. Wo die Hirten den Befehl „weide meine Lämmer, weide meine Schafe“ mißachten, bleibt die Herde sich selbst überlassen. Das berechtigt sie nicht, auf eigenwillige und „kreative“ Weise nach neuen Wegen zu suchen, wie das die Modernisten schon seit über einem Jahrhundert – und gegen den Widerstand der bisherigen Päpste – tun. Aber solange die Herde an dem festhält, „was immer, überall und von allen geglaubt worden ist“ (Vinzenz von Lerins), kann sie kaum in die Irre gehen.

Nachsatz: Der Modernismus bemüht ein pervertiertes Verständnis des Satzes von Vinzenz von Lerins, um unter Berufung auf einen angeblichen „Sinn des gläubigen Volkes“ die Anpassung an den Zeitgeist voranzutreiben: Die Leute glauben halt nicht mehr an die Unauflöslichkeit der Ehe. Dazu hat schon Papst Benedikt mehrfach das Nötige gesagt, wenn er darauf aufmerksam macht, daß das „Volk Gottes“ seinen Ort nicht nur in der Gegenwart, sondern in der Gesamtheit der Zeit hat: Die Kirchenväter und Kirchenlehrer der Vergangenheit und die zahllosen Heiligen, die Christi Lehre mit ihrem Leben und ihrem Blut bekräftigt haben, gehören untrennbar dazu. Anders als die Titanic hat die Kirche einen Anker außerhalb der Gegenwart, der ihren Untergang verhindert.

Zusätzliche Informationen