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Japans Christen heute

eigene AufnahmeEs ist anerkennenswert, daß in Japan gerade erst in den Glauben eingeführte Gemeinden einige Grundelemente dieses Glaubens ohne Priester und Sakramente und trotz Verfolgung über 250 Jahre erhalten konnten. Wenigsten so weit, daß ihre Mehrheit diesen Glauben wiedererkannte als die Missionare zurückkehrten, sich von den inzwischen aufgenommenen Irrtümern lossagte und in volle Gemeinschaft eintrat. Aber ein nachahmenswertes Modell für eine basisorientierte Kirche ohne Autorität und Hierarchie ist die Geschichte der versteckten Christen Japans nicht, ganz und gar nicht. Tatsächlich hat es die Kirche in Japan nicht vermocht, diese frühe Einwurzelung des Glaubens in Teilen des Volkes nach der endgültigen Religionsbefreiung Ende des 19. Jahrhunderts für eine erneute missionarische Anstrengung nutzbar zu machen.

Das hängt zum Teil mit Faktoren zusammen, die außerhalb des Einflusses der japanischen Katholiken liegen – auch nach Ende der Christenverfolgung war das gesellschaftliche Klima im autoritär-nationalistischen Japan der Zeit bis 1945 für die Mission extrem ungünstig. Nach 1945 haben auch die dann einsetzende Modernisierung und Verwestlichung daran nichts geändert. Die traditionellen Religionen Japans scheinen zwar als Volksglaube mit nachgerade bayuwarisch-farbenfrohen Zügen dem Säkularisierungsdruck etwas besser widerstanden zu haben als das Christentum in Europa – aber für japanische Christen fand sich darin keine Nische. Heute gehört vielleicht 1 Prozent der 120 Millionen Japaner einer christlichen Gemeinschaft an, weniger als die Hälfte davon sind Katholiken. Zum Vergleich: Im Nachbarland Korea, das nach Kultur, Geschichte und Religion viele Ähnlichkeiten zu Japan aufweist, sind es etwa 30 % Christen.

Ein Grund dafür mag sein, daß im insularen Japan ein konfuzianischer (also seinem Wesen nach nicht religiöser) Gemeinschaftsgeist noch stärker ausgeprägt ist als im übrigen Ostasien: Man entfernt sich nicht von den Sitten und Anschauungen der Verwandten, Nachbarn und Freunde. Ein anderer Grund dafür mag darin bestehen, daß die Jesuiten, die zwar nicht als einzige in der Japanmission aktiv waren, aber doch eine führende Rolle spielten, anscheinend von Anfang an fast alles falsch gemacht haben, was man überhaupt falsch machen kann. Sie passten sich der Umgebung an und überschritten dabei Grenzen, die sie besser eingehalten hätten.

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Das begann beim unklugen Taktieren und Paktieren jesuitischer Missionare mit Regionalfürsten und ging bis dahin, daß sie anfänglich den Dreifaltigen Gott mit dem Namen der des Urgrund-Buddhas Dainichi-Nyorai (Mahavairocana) bezeichneten. Damit verwischten sie die tiefgehenden Unterschiede zwischen dem in Japan verbreiteten esoterischen Buddhismus und dem Christentum – und lösten bei religiös interessierten Japanern eine bis auf den heutigen Tag feststellbare Reaktion „Das haben wir doch selbst schon“ aus.

Die populären Buddhistischen Schulen Ostasiens sind im Unterschied zu den südindischen Formen des Buddhismus sehr stark vom Glauben an Erlösergestalten bestimmt, die sich als mächtige Gnadenbringer den Gläubigen zuwenden und sie durch Aufnahme in das Paradies des „Reinen Landes im Westen“ aus dem Kreislauf von Tod und Wiedergeburt befreien. Diese Bodhisattvas haben ihre Gnadenkraft durch eine Art Selbst-Aufopferung erworben: In einem heroischen Akt verzichten sie für sich auf den Eingang ins Nirvana, bis sie alle leidenden Wesen ihres Zeitalters ihrerseits auf den Weg zur Überwindung jedes Leidens geführt haben. Das kann man schon auf ungute Weise mit christlichem Glauben vermengen, tatsächlich ist es denkbar, daß sehr früh in Indien und China Gedanken von „Thomaschristen“ in diese Ideenwelt eingeflossen sind.

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Aber die Bodhisattvas sind keine Götter, Mahavairocana/Dainichi ist nicht Gott, der allmächtige Schöpfer des Himmels und der Erde, und Amida Buddha, der gnädige Herrscher des reinen Landes, ist nicht Christus. Je höher man in die dünne Luft buddhistischer Spekulation und „Theologie“ aufsteigt, umso stärker wird in diesen Gedankengebäuden der a-theistische (nicht „anti-theistische“) Grundzug des buddhistischen Denkens erkennbar: Das alles sind letztlich keine Wesenheiten eigener Existenz, sondern (hilfreiche) Illusionen des um Selbsterlösung ringenden Menschengeistes – der selbst die größte und verhängnisvollste aller Illusionen darstellt.

Man kann den frühen Jesuiten kaum zum Vorwurf machen, daß sie dieses enorm vielfältige und von vielen Schulen in verschiedenen Sprachen (Pali – Sanskit – Chinesisch – Tibetanisch – Koreanisch – Japanisch) entwickelte und überlieferte Gedankengebäude nicht von Anfang an durchschaut haben. Aber ihr frommer Aktionismus hat sie – von durchaus erwähnenswerten Ausnahmen abgesehen – auch später immer wieder davon abgehalten, dem das Gewicht beizulegen, das man ihm beilegen sollte. Sie stürmten stets an die Peripherie – und darüber hinaus. Konkret im Falle Japans: Sie überschätzten wohl die eher im äußeren Bereich liegenden Gemeinsamkeiten und Ähnlichkeiten und setzten sich über grundlegende Unterschiede hinweg. Und der Buddhismus ist in vieler Hinsicht hervorragend ausgerüstet, andere Religionen auf synkretistische Weise in seine Grundstrukturen einzubeziehen. Auf seiner Reise durch Indien hat er die ganz indische Götterwelt aufgenommen und „verdaut“, später tibetanische Magie, chinesischen Universismus, koreanischen Schamanismus und den damit verwandten japanischen Animismus einbezogen oder zur Koexistenz neutralisiert.

Bild: Über Onepeterfive aus http://sjweb.info

Daher ist es keine wirkliche Überraschung, den Jesuitengeneral Arturo Sosa in der typischen Gebetshaltung der Buddhisten als Teilnehmer einer Tempelzeremonie abgebildet zu sehen – ebenso wenig wie es eine Überraschung war, seinen Vorgänger Adolfo Nicolás Pachon davon reden zu hören, die „Evangelisierung Japans (sei) nur durch Allianz mit Buddhismus und Shintoismus“ zu erreichen. Das wird ein höchst interessantes „Evangelium“ werden.

Immerhin, ein Positives würde eine solche Allianz haben: Bei der häufigeren Mitfeier buddhistischer Zeremonien könnten sogar die Jesuiten wahrnehmen, daß dabei der gelb gewandete Offiziant über weite Strecken seinen Gläubigen den Rücken zuwendet – selbst im höflichen Japan. Schließlich weiß er, welchen Respekt er seinen Kultbildern schuldig ist.

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