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Ein klägliches Schauspiel

Bild: Catolicismo.comDas dürfte selbst für einen Papst mit dem Sendungsbewußtsein eines südamerikanischen Caudillos nicht einfach so wegzustecken sein: Zunächst erläuterte Kardinal Burke im Interview mit The Wanderer detailliert, wie er sich die angekündigte „Brüderliche Zurechtweisung“ wegen der Unklarheiten in Amoris Laetita vorstellt. Dann trat der renommierte britische Theologe Aidan Nichols O.P. mit dem Vorschlag an die Öffentlichkeit, ein Verfahren zur Korrektur mißverständlicher päpstlicher Äußerungen im Kirchenrecht zu verankern. Der einflußreiche amerikanische Kirchenrechtler Edmund Peters stimmt ihm darin zu. Offensichtlich sehen beide dafür heute größeren Bedarf als jemals zuvor, denn in tausend Jahren Kirchenrecht ist bisher noch niemand auf den entsprechenden Gedanken gekommen.

Zu allem Überfluss ist jetzt ein Artikel von Kardinal Brandmüller bekannt geworden, der in der August-Ausgabe der von Nichols Ordensbruder Ockenfels herausgegebenen Zeitschrift „Die neue Ordnung“ erschienen ist (hier als PDF). Der auch als einer der Unterzeichner der 5 Dubia hervorgetretene Kardinal und früherer Professor für Kirchengeschichte behandelt darin das Thema des päpstlichen Glaubensbekenntnisses, das Päpste von den aller frühesten Zeiten bis ins 20. Jahrhundert zu verschiedenen Anlässen abgelegt haben – entweder, um Zweifel an ihrer eigenen Rechtgläubigkeit zu zerstreuen, oder um in einer Glaubenskrise Zeugnis dafür abzulegen, was der wahre Glaube der Kirche und des Papstes ist.

Brandmüller schlägt in seinem Artikel einen beeindruckenden Bogen von der Amtseinsetzung des Petrus – nachdem dieser bekannt hatte: „Du bist der Messias, der Sohn des Lebendigen Gottes“ - bis zum 1968 von Papst Paul dem VI. miterarbeiteten, als Motu Proprio erlassenen und öffentlich vorgetragenen „Credo des Gottesvolkes“. Paul VI. hatte damit seinerzeit auf die vielfältigen theologischen Auseinandersetzungen, die die Kirche während und nach dem 2. Vatikanum zerrissen, geantwortet. Neben den traditionellen Glaubenswahrheiten hatte er bei der Abfassung damals besonderen Wert darauf gelegt, die aktuell um- und bestrittenen Punkte breit darzustellen und in größtmöglicher Klarheit abzuhandeln. Dementsprechend unbeliebt ist das „Credo des Gottesvolkes“ bei vielen ihr eigenes Chaos-Lehramt beanspruchenden Theologen. In Deutschland ist es kaum publiziert worden und weitgehend unbekannt geblieben. Es eignet sich wie übrigens sämtliche Enzykliken und Lehrschreiben dieses Papstes zu dogmatischen Gegenständen auch heute noch als sicherer Grund für die Erkenntnis dessen, was katholisch ist – und was nicht.

Doch noch einmal zurück zu Kardinal Brandmüllers mit einer Vielzahl von Literaturverweisen fachlich abgesicherten 8-seitigen Aufsatz „Der Papst: Glaubender – Lehrer der Gläubigen“. Ein besonderes Glaubensbekenntnis des Papstes tritt danach in zwei Formen auf: In der frühen Zeit von Gregor dem Großen bis ins 10. Jahrhundert als vor der Wahl abzulegende Professio fidei, mit der die Kandidaten einander und den Wählern ihre Rechtgläubigkeit versicherten, später zur Zeit des großen abendländischen Schismas dann in feierlicher Eidesform nach erfolgter Wahl. Diese Erklärung enthält neben der Verpflichtung auf die Beschlüsse aller anerkannten Konzilien auch einen Abschnitt, in der sich der Gewählte ausdrücklich dazu verpflichtet, die Lehre und die Edikte seiner Vorgänger zu bestätigen und zu bewahren.
Den wesentlichen Inhalt seiner historischen Betrachtungen fasst Kardinal Brandmüller dann in zwei Absätzen zusammen:

Blicken wir nun zurück, so zeigt es sich, daß alle die erwähnten Professiones fidei der Päpste – jene des Liber Diurnus, die der Konzilien von Konstanz, Basel und Trient wie schließlich jene Pauls VI. jeweils Reaktionen auf ernste, bedrohliche Krisen des Glaubens waren. Antworten der Päpste auf Gefährdungen des genuinen katholischen Glaubens in je gewandeltem historischem Kontext.

Und:

Unter wesentlich anderen, doch für die Einheit der Kirche gleichermaßen bedeutenden Umständen – nämlich des Schismas – verabschiedete das inzwischen tatsächlich ökumenisch gewordene Konzil von Konstanz am 9. Oktober 1417 sein Dekret über die vom neugewählten Papst zu leistende Professio fidei „Quanto Romanus Pontifex“ samt dem Text dieser Professio. Das Konzil befand sich am Vorabend der endlich möglichen Wahl eines neuen, allgemein anerkannten Papstes vor dem – hoffentlich gelingenden – letzten Schritt hin zur Wiedervereinigung der Kirche, mit der nach vier Jahrzehnten der Verwirrungen und Konflikte neue Einheit und Frieden erhofft wurde. Im Rückblick auf diese schlimme Zeit war die Notwendigkeit eines festen Bezugspunktes, in der Gestalt des neuen Papstes, und seines öffentlichen Glaubensbekenntnisses evident.

In dieser Tradition und mit der gleichen Funktion sieht Brandmüller dann auch die Professionen Pauls IV. unmittelba nach dem tridentinischen Konzil im 16. und Pauls VI. nach dem zweiten vatikanischen Konzil im 20. Jahrhundert, um dann mit dem Satz zu schließen:

Wer immer diesen historischen Befund im Lichte unserer Gegenwart bedenkt, mag sich fragen, welche Folgerungen sich daraus für die Kirche unserer Tage ergeben könnten.

Die in engem zeitlichen und sachlichem Zusammenhang folgenden Interventionen der Kardinäle Burke und Brandmüller sowie des Dominikanertheologen Nichols sind in Rom allem Anschein nach nicht ohne Wirkung geblieben. Der Papst selbst zieht es weiterhin vor, zu schweigen, oder Predigten zu Fragen der internationalen Politik zu halten. Aber einer seiner engsten Vertrauten und der Ghostwriter der zweifelhaftesten Passagen von Amoris Laetitia, der argentinische Erzbischof Victor Manuel Fernandez, hat sich in einem auf der Website der Deutschen Bischöfe referierten Artikel in die Bresche geworfen: Unklarheiten gibt es nicht und nirgendwo, und wer etwas anderes sagt, verfällt in intellektuellen Pelagianismus und wird zum Häretiker. 

Es ist ein klägliches Schauspiel.

Der vollständige Artikel, der inzwischen in englischer Übersetzung vorliegt, eröffnet noch weitaus beunruhigendere Perspektiven. Er scheint die gesamte Lehre der Kirche - auch zu den in den 10 Geboten und aus dem Munde Christi klar bezeichneten Gegenständen - für „entsprechend den konkreten Umständen“ revidierbar zu erklären scheint.

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