Zeugnisse der Apostasie III
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- 11. Februar 2018
Auch in den vergangenen acht Tagen gab es Nachrichten aus Apostasien reichlich. Das begann am Samstag vor einer Woche mit der bemerkenswerten Erkenntnis von Kardinal Marx, dem Vorsitzenden der deutschen Bischofskonferenz also, daß eine kirchliche Segnung homosexueller Paare durchaus möglich sei. Darauf dazu wird noch zurückzukommen sein.
Der anschließende Sonntag brachte dann die alarmierende Meldung, im Text des Katechismus (englische Ausgabe) seien einige besonders brisante Stellen geändert worden - homosexuelle Tendenzen würden nun nicht mehr als „objektiv ungeordnet“, bezeichnet, sondern als „nicht frei gewählt“ anerkannt. Genauere Recherchen ergaben dann, daß es sich bei der entschärften Fassung um eine frühere Version der Übersetzung aus dem Jahr 1994 handelte, die - obwohl längst durch eine korrektere Übersetzung ersetzt – immer noch in einem Winkel der vatikanischen Website zugänglich war. Sowas kommt vor und muß keine böse Absicht sein, aber ein Mahnzeichen gibt es allemal: Digitale Dokumente sind mit einem Mausklick veränderbar, und man tut gut daran, sich das, was wirklich wichtig ist, in zuverlässigen Ausgaben schwarz auf weiß ins Bücherregal zu stellen.
Montag war frei, aber Dienstag der 6. gab dem Kanzler der Päpstlichen Akademie der Sozialwissenschaften, Bischof Marcelo Sánchez Sorondo, die Gelegenheit, die Welt mit seinem Gesellschaftsbild vertraut zu machen. Im Interview mit einer spanischen Zeitung überschlug sich der Würdenträger in Lobpreisungen für die Volksrepublik China: „Dort gibt es keine Elendsvierte, es gibt keine Drogen, junge Leute nehmen keine Drogen“ – statt dessen gebe es ein „positives Nationalbewußtsein“ . Tatsächlich, so der Bischof, verwirkliche China die Päpstliche Enzyklika „Laudato si“ besser als viele andere Länder und übernehme durch seine Verteidigung des Pariser Klimaschutzabkommens „eine moralische Führungsrolle, die andere aufgegeben haben“.
Nun war uns „Laudato si“ ja schon immer etwas unheimlich – aber daß uns ausgerechnet China als Musterbeispiel seiner Anwendung vorgestellt wird, kommt doch etwas überraschend.
Der gleiche 6. Februar brachte die Bestätigung der zuvor bestrittenen Information, daß sich derzeit eine vom Papst eingesetzte Kommission mit der Enzyklika Humanae Vitae von Paul VI. befasst. Angeblich geht es dabei nur um die Aufhellung der Entstehungsgeschichte dieses Dokuments – wir werden ja sehen, was dabei herauskommt.
Einen Hinweis gibt ein Tweet der Päpstlichen Akademie der Naturwissenschaften vom 7. des Monats. Der verwies ohne weitere Kommentierung auf einen Artikel des bekannten katholischen Leitorgans New York Times, der sich mit dem neuesten Modegag in Sachen Empfängnisverhütung beschäftigte: Immer mehr Menschen seien sich „in großer Klarheit dessen bewußt, daß ein ein Kind zu haben das kostenträchtigste ist, das man der Umwelt antun“ könnne und die deshalb künstliche Mittel zur Empfängnisverhütung einsetzten. Später schoben die päpstlichen Tweeter dann noch die Erklärung nach: „pro life“ zu sein bedeute auch, sich gegen den Klimawandel, Waffenhandel und eine ungerechte Weltwirtschaft einzusetzen – dies sei der ganzheitliche Ansatz von Papst Franziskus, dem unbedingt zu folgen sei. (Quelle)
Das passt bestens zu einer am gleichen Tag gemeldeten Rede des neuernannten Vorsitzenden der unlängst „gleichgeschalteten“ ehemaligen Akademie für das Leben und die Familie, Erzbischof Vincenzo Paglia. Auf einer Tagung der Vereinigung der Pfarrer und Pfarrvikare des Franziskanerordens von Italien und Albanien in Assisi erklärte Paglia ein weiteres Mal die „liberale“ Interpretation der umstrittenen Passagen von Amoris Laetitia zur einzig zulässigen und verlangte:
Mit Amoris laetitia fordert Papst Franziskus von der ganzen Kirche eine Kursänderung (..)Wir haben uns nicht eine Frage zur Doktrin zu stellen, sondern zur Lebenswirklichkeit: Was ist in der Komplexität der Lebensgeschichten zu tun, die auf verschiedene Weise in Widerspruch dazu treten?“ (Quelle)
Wie das zu verstehen sei erläuterete am Freitag, den 9. Februar, dann der vom Papst im Blitzverfahren zum Kardinal und Erzbischof von Chikago beförderte Bischof Cupich den Zuhörern eines Vortrages im britischen Oxford.
Die Gewissensentscheidung (der Verheirateten) stellt Gottes persönliche Richtlinie für die besonderen Umstände ihres Lebens dar. Die Stimme des Gewissens, die Stimme Gottes … kann sehr wohl die Notwendigkeit bestätigen, in einer gewissen Entfernung vom kirchlichen Verständnis des Ideals zu leben und dennoch einen Menschen dazu berufen „eine neues Stadium des Wachstums zu erreichen und neue Entscheidungen zu treffen, die dazu führen, sich dem Ideal weiter anzunähern (AL 303)“ (Quelle).
Das muß man sich auf der Zunge zergehen lassen: Was in unaufgeklärten Zeiten mit so hässlichen Worten wie Unzucht oder Ehebruch belegt wurde und als „Sünde gegen Gottes Gebot“ galt, wird im Munde dieses Begriffsakrobaten zu einem „leben in einer gewissen Entfernung vom kirchlichen Verständnis des Ideals“ - selbstverständlich in Befolgung einer ganz persönlichen göttlichen Richtlinie. Und damit wären wir wieder bei Cupichs deutschem Gegenstück, dem Münchener Marx, der im Interview mit dem Bayrischen Rundfunk meinte, „neue Lebensumstände und neue Erkenntnisse“ stellten die Kirche vor Herausforderungen, die verlangten, die Priester müssten die Situation der einzelnen Menschen ernstnehmen und sie seelsorgerlich begleiten. "Da muss man auch ermutigen dazu, dass die Priester und Seelsorger den Menschen in den konkreten Situationen auch einen Zuspruch geben."
Was um Himmels willen soll das heißen - außer der irgendwie darin enthaltenen Botschaft „alles geht“. Dieses Wortgeklingel ohne jede Rücksicht auf das, was die Kirche im Auftrag ihres göttlichen Stifters zwei Jahrtausende lang vertreten und gelehrt hat, ist nur noch jämmerlich. Bei Figuren wie Marx oder Cupich, Sorondo oder Paglia, reicht es noch nicht einmal zum Häretiker. Da ist gar nichts mehr – nur die bedingungslose Bereitschaft zur Unterwerfung unter den Zeitgeist.