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Das Dokument „Placuit Deo“

Bild: Radio Vatikan, 1.Juli 2017In der vergangenen Woche hat die Glaubenskongregation als erstes Dokument unter ihrem neuen Präfekten Luis Ladaria Ferrer S.J. das Schreiben „Placuit Deo“ veröffentlicht. Gegenstand des Dokuments ist die Frage, worin das Heil des Menschen besteht und wie der Mensch dieses Heil erreichen kann. Der Text wird als Brief der Glaubenskongregation an die Bischöfe bezeichnet und nimmt als solcher keinen besonders hohen Rang in der Hierarchie von Erklärungen des Lehramtes ein.

Das Dokument hat widersprüchliche Aufnahme gefunden. Katholisch.de sieht darin eines „der zentralen theologischen Dokumente der Amtszeit von Papst Franziskus“. Das sonst meistens ähnliche Auffassungen äußernde Kölner „Domradio“ konstatiert, es habe „bei Beobachtern eine gewisse Ratlosigkeit“ ausgelöst. Katholisches Info stützt sich auf die Interpretation des traditions- und glaubensfeindlichen englischen Blattes „The Tablet“, das in dem Schreiben eine Weiterführung der eher wirren Kritik des Papstes am „Neo-Pelagianismus“ und eine direkte Verurteilung der Kritiker von Amoris Laetitia erkennen will. Zum Sedisvakantismus neigende Beobachter waren schnell dabei, eine lange Liste „Schwerer Irrtümer“ aufzustellen, die sie in dem Text gefunden haben wollen – dazu später noch ein Wort.

Aus dieser gemischten Aufnahme abzuleiten, daß Placuit Deo ein weiteres Dokument der Widersprüchlichkeit und Traditionsvergessenheit des aktuellen Pontifikats darstelle, wäre allerdings voreilig. Der Text greift zwar mit „Neo-Pelagianismus“ und „Neo-Gnostizismus“ zwei der beliebtesten Schlagworte von Franziskus auf, die in seinem Munde zweifellos als Spitze gegen seine innerkirchlichen Kritiker gemeint sind. Es gibt diesen Begriffen jedoch einen Inhalt, der sie zu dieser Verwendung weitgehend ungeeignet macht. Dazu greifen die Verfasser zunächst auf die historischen Formen der genannten Irrtümer und deren Entstehungszusammenhang zurück. Dann suchen sie nach ähnlichen Erscheinungen in der Gegenwart, wobei sie betonen, daß es dabei nur um Ähnlichkeit und nicht um die Wiederkehr eines gleichartigen Phänomens handeln könne.

Kernaussage dabei ist:

In unseren Tagen gedeiht ein Neu-Pelagianismus, gemäß dem das radikal autonome Individuum vorgibt, sich selbst zu erlösen, ohne anzuerkennen, dass es im Tiefsten seines Seins von Gott und von den anderen abhängig ist. Das Heil wird deshalb von den Kräften des Einzelnen oder von rein menschlichen Strukturen erwartet, die aber nicht imstande sind, die Neuheit des Geistes Gottes aufzunehmen. Eine Art von Neu-Gnostizismus propagiert ihrerseits ein rein innerliches, im Subjektivismus eingeschlossenes Heil, das darin bestünde, dass sich der Verstand «über das Fleisch Christi hinaus zu den Geheimnissen der unbekannten Gottheit erhebt».

Andrea Cagliarducci von Monday Vatican sieht darin mit guten Gründen ein Verständnis dieser Begriffe, das absolut ungeeignet ist, die Tradition zu diskreditieren, und geht sogar so weit, eine Umkehrung der Blickrichtung zu konstatieren:

Diejenigen, die am meisten vom Gewissen des Einzelnen und seiner Erforschung sprechen, lösen sich oft vom Gedanken an Bekenntnis und Umkehr und zielen auf eine selbst-, also vom Menschen, bewirkte Erlösung. Vielleicht kann man neo-pelagianische Tendenzen eher bei denen feststellen, die sich als die elastischen Verkünder von Barmherzigkeit darstellen, als bei den unerbittlichen Verteidigern der Lehre.

Cagliarducci geht davon aus, daß die Verfasser von Placuit Deo damit genau das getroffen haben, was Papst Franziskus selbst ursprünglich gemeint habe und ausdrücken wollte. Ob und wieweit das zutrifft, muß dahingestellt bleiben. Tatsache ist jedenfalls, daß das Dokument die benannten Schlagworte tatsächlich so, wie jetzt beschrieben, versteht und einordnet, und das in weitaus größerer Eindeutigkeit, als man sie von vielen Aussagen dieses Pontifikats bisher gewöhnt ist.

Auch in anderen neuerdings verunklarten Punkten erweist sich das Dokument als deutliche Bekräftigung der bisherigen Lehre. Gleich zu Anfang bezieht es sich auf Dominus Jesus mit der Aussage des Bekenntnisses, daß Jesus der einzige Erlöser des ganzen Menschen und der ganzen Menschheit ist. Das 5. Kapitel „Das Heil in der Kirche, dem Leib Christi“ liest sich stellenweise wie eine Paraphrase des alten Lehrsatzes „Extra Ecclesiam nulla salus“. Es schließt mit den bemerkenswerten Worten:

Dank der Sakramente können die Christen in Treue zum Fleisch Christi und folglich in Treue zur konkreten Ordnung der von ihm geschenkten Beziehungen leben. Diese Ordnung von Beziehungen erfordert in besonderer Weise die Sorge um alle Menschen in ihren Leiden, vor allem durch die leiblichen und geistlichen Werke der Barmherzigkeit.

Hier erscheinen die von vielen derzeit fast ausschließlich ins Zentrum gestellten  Werke der Fürsorge für die Verbesserung des irdischen Lebens im einzig richtigen Zusammenhang – und ganz nebenbei wird auch noch Amoris Laetitia eingeordnet, wenn der Empfang der Sakramente mit der „Treue zur konkreten Ordnung der von (Christus) geschenkten Beziehungen“ verbunden wird.

Wie kann es angesichts dieser klar erkennbaren Grundausrichtung des Dokuments dazu kommen, darin eine Widerspiegelung sämtlicher im Bergoglianismus propagierten Entstellungen des Glauben zu sehen, wie das z.B. hier in 20 Punkten erfolgt? Einige dieser Punkte haken tatsächlich bei nicht ganz wasserdicht gefassten Aussagen ein, wie man sie früher spontan „richtig“ gelesen hätte, die aber im Zeitalter einer mit gewollten Unklarheiten oder neuartiger Terminologie operierenden Sprache Verdacht und Abwehr erregen können. Andere sind einfach nur lächerlich, wenn es gleich im zweiten Punkt heißt: „Die englische Übersetzung folgt dem Sprachgebrauch der gottlosen Atheisten, die Begriffen wie „göttliche Natur“ oder „Mittler“ die den Katholiken vertraute Großschreibung verweigern.“ Insgesamt enthalten sie keine diskussionswürdige Substanz.

Hier offenbart sich eine andere Form der „sprungbereiten Feindseligkeit“, die Papst Benedikt XVI. seinerzeit beklagt hat - diesmal aus der anderen Richtung. Das enthält eine deutliche Warnung für alle, die das gegenwärtige Pontifikat zu Recht sehr kritisch begleiten. Der Generalverdacht macht es unmöglich, Unterschiede zu erkennen und damit die ganze Realität wahrzunehmen.

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