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Wer bin ich, zu urteilen?

Bild: WikipediaDer Ausgang des Gesprächs der deutschen Bischöfe in Rom zur Klärung der Frage des Kommunionempfanges für nicht-katholische Ehepartner kann nicht überraschen: Der Papst hat sich geweigert, eine Entscheidung zu treffen, und die Bischöfe aufgefordert, die Sache unter sich auszumachen, denn: „Der Dialog macht eine Gemeinschaft in Verschiedenheit möglich“ - wie ein am gleichen Tag in Rom vorgelegtes Grundsatzpapier zum Thema Synodalität pompös deklariert. (Quelle)

Nach der Verweigerung einer Antwort auf die Dubia ist das ein weiterer demonstrativer Verzicht des Papstes, das Lehramt – in dessen Wahrnehmung eine Grundfunktion seines Auftrages besteht – auszuüben. Und er geht jetzt sogar noch weiter: Da die von der deutschkatholischen Mehrheit abweichenden traditionstreuen Bischöfe sich mit ihrer Bitte um Klärung an die zuständige römische Glaubenskongregation gewandt haben, entzieht Franziskus mit seiner öffentlich mitgeteilten und begründeten Nichtentscheidung auch dieser Kongregation die Kompetenz, eine verbindliche Antwort zu geben.

Es zeigt sich: Das auf der ersten Auslandsreise von Franziskus vermeintlich nur in einem speziellen Zusammenhang gebrauchte Diktum „Wer bin ich, um zu urteilen“ hat programmatische Bedeutung und könnte als der eigentliche Wahlspruch über diesem Pontifikat stehen: Franziskus legt die ihm als Papst verliehene Schlüsselgewalt nieder und verweigert sie folgerichtig auch den bisher in seinem Auftrag handelnden Institutionen. Niemand soll mehr urteilen – die Unterscheidung von gut und Böse ist Verhandlungssache oder wird ganz abgeschafft – paradiesische Zustände.

Für das, was früher einmal die Lehre war, heißt das: Alles ist möglich, Verbindlichkeiten waren gestern. Wahrheit, Inhalte oder auch die Logik, daß nicht ein Ding und sein Gegenteil gleichzeitig zutreffen können, spielen keine Rolle mehr. Gewinner des daraus folgenden nie endenden „ergebnisoffenen Dialoge“ ist dann im konkreten Leben, wer seine Position am glaubhaftesten als „pastoral“ verkaufen – oder die stärksten Machtmittel zu ihrer Durchsetzung aufbieten kann. Wenn das dann, wie hier in Mitteleuropa zu befürchten, dazu führt, daß links der Oder etwas anderes gilt als rechts – dann sei es.

Allerdings: Das Konzept der "Gemeinschaft in Verschiedenheit" macht die Ausübung des Lehramtes und damit letztlich die Stellung und die Aufgabe des Bischofs von Rom selbst überflüssig. Diese Aushölung des Papstamtes hat freilich bei Franziskus eine entscheidende Ausnahme: Die Disziplinargewalt, das Vorrecht zur Einsetzung und Entlassung von Bischöfen, wird strikt gewahrt und skrupellos genutzt, um Freunde und Unterstützer in Amt und Würden zu bringen und so die Fortsetzung der Politik, die keine sein will, zu ermöglichen.

Wieweit dieser Versuches zur  Selbstabschaffung des Lehramtes und der Reduktion des Papstamtes auf die administrative Funktion der Bischofsernennungen gelingen kann, ist noch offen. Sein Erfolg hängt davon ab, inwieweit dies von den Gläubigen und den Bischöfen und Priestern hingenommen wird, oder ob sie bereit sind, ihre in der Tradition begründete Rechtgläubigkeit verteidigen. Dazu sind sie in keiner schwachen Position. Wer an den überlieferten Wahrheiten und Glaubenssätzen samt ihren „pastoralen“ Konsequenzen festhalten will, kann sich auf die ganze Lehrtradition der Kirche mit ihren Dogmen und Katechismen und nicht zuletzt auf ihre Liturgie stützen. Die Wahrer der Tradition können jeden, der Neuerungen einführen will, unter Begründungsdruck setzen. Der schlimmste Vorwurf, den sie sich dafür zuziehen können, ist der der „Rigidität“ oder die Verleumdung, dem in den „Anforderungen der Zeit“ zum Ausdruck kommenden „Offenbarungen des Geistes“ nicht willig genug zu folgen.

Wer davon ausgehen kann, den Anforderungen des Mensch gewordenen Wortes weiterhin treu zu bleiben, wird mit diesem Vorwurf leben können. Und er kann, wenn auch nicht beruhigt, sondern blutenden Herzens, zusehen, welche Früchte die hervorbringen, die sich den „Anforderungen der Zeit“ unterwerfen. Nach 50 Jahren auf diesem Weg kann es am Ausgang kaum noch einen Zweifel geben.

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