Wo jede Diskussion endet
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- 27. Juni 2018
Am Samstag den 23. Juni hat in Rom der von der Lepanto-Stiuftung veranstaltete „Studientag zum Modernismus in der Kirche“ stattgefunden. Das Einführungsreferat hielt Joseph Shaw von der Latin Mass Society in England - wie fassen die Hauptgedanken seiner Darlegungen zusammen.
Ausgangspunkt von Shaws Überlegungen ist die Einsicht, daß die gegenwärtigen Auseinandersetzungen in der Kirche, auch wenn sie vielen unterschiedliche Themen und Streitfragen berühren, letztlich auf eine Ursachenbündel zurückgehen, dessen Elemente eng miteinander verwoben sind:
Kurz gesagt geht es um das Problem der objektiven Wirklichkeit der Sakramente, die Natur der heiligmachenden Gnade, den Stellenwert von Tradition und Autorität in der Theologie und die Frage nach der Wahrheit im Glauben und der Morallehre selbst. Diese Probleme haben im historischen Kontext der modernistischen Bewegung, der Nouvelle Theologie, dann des Neo-Modernismus und schließlich in der Liturgiereform ihren prominentesten Ausdruck gefunden“.
Die verwirrende Fülle von teilweise einander widersprechenden „pastoralen“ Vorstößen zu einer Modernisierung der Kirche lassen sich alle auf Unklarheiten in diesen zentralen Bereichen zurückführen. Und gleichzeitig wird erkennbar, daß die Urheber dieser verwirrend vielfältigen Botschaften sich genau dieser Beziehung oft nicht oder nur unzureichend bewußt sind. „Wenn man sie dann auf diese Grundproblem hinweist, sind einige dieser Leute ehrlich verblüfft, als ob sie zuvor nie daran gedacht hätten.“ Zumindest zum Teil, so Shaws Überlegung, wird diese Oberflächlichkeit dadurch erleichtert, daß der pastorale Gestus, mit dem der Papst und seine Mitstreiter ihre Überlegungen vortragen, so überzeugend daherkommt, daß ihre Versicherung, die Grundlagen von Lehre und Glauben nicht antasten zu wollen, einerseits gerne akzeptiert wird und andererseits die päpstliche Autorität eine von Loyalität gestützte Zone des Schweigens etabliert, in der eine nähere theologische Untersuchung als unstatthaft erscheint.
Deshalb, so Shaw, ist es vordringlich, genau diese zum Kern der Dinge vordringende Diskussion immer wieder herbeizuführen. Die Dubia und die Correctio Filialis waren genau darauf gerichtet, und sie haben, wie Shaw ausführlich nachzeichnet, auch schon dahingehende Resultate gebracht: Sie haben prominente Vertreter der Modernisierung dazu verleitet, ihre Denkvoraussetzungen klarer auszusprechen. Shaw verweist dazu unter anderem auf Außerungen des Theologen Faggioli und des Journalisten Ivereigh, die ganz deutlich aussprechen, daß zentrale Aussagen der Kirche und in päpstlichen Dokumenten auch der jüngeren Vergangenheit heute nicht mehr zutreffend sein sollen. Das hat gravierende Konsequenzen:
Solche Antworten bedeuten das Ende jeder ernsthaften Diskussion. Diskutieren kann man nur mit jemandem, mit dem man irgend etwas gemeinsam hat – etwa die beiderseitige Anerkennung des Prinzips der Widerspruchsfreiheit. Ihre Stellungnahmen haben für glaubenstreue Katholiken und Nicht-Katholiken gleicherweise deutlich gemacht, daß es zwischen den Parteien der gegenwärtigen Auseinandersetzung grundlegende Unterschiede gibt. Das sind nicht einfach nur zwei Mannschaften, die miteinander darum wetteifern, wer die meisten Punkte für sich verbuchen kann. Wir erleben hier den Konflikt zwischen einer Herangehensweise, die sich um einen ernsthaften wissenschaftlichen Umgang mit theologischen Fragen bemüht, und einer nachgerade frivolen Haltung, die letztlich aussagt: Es ist mir egal, was frühere Päpste gesagt haben oder was das 2. vatikanische Konzil gesagt hat oder was unser Herr und Erlöser gesagt hat. Das war damals – und heute ist heute.
Auf der einen Seite ist es unmöglich, gegen diese Haltung zu argumentieren. Auf der anderen Seite ist es aber auch überflüssig: Mit derlei Aussagen gibt unser Widerpart zu, daß er nichts in der Hand hat.“
Zum Abschluß seines Plädoyers für die Treue gegenüber der Tradition zitiert Shaw noch eine Passage aus dem Commonitorium des hl. Vinzenz von Lerins, dem wir uns gerne anschließen:
Was wird der Katholik tun, wenn ein kleiner Teil der Kirche sich von der Gemeinschaft des allgemeinen Glaubens getrennt hat? Er wird das Wohl des ganzen Leibes dem des kranken und absterbenden Gliedes vorziehen. Aber was wird er tun, wenn eine neuartige Seuche versucht, die ganze Kirche und nicht nur einen Teil anzustecken? Dann wird er darauf bedacht sein, am Altüberlieferten festzuhalten, das nicht durch irgendeinen Trug von Neuerungen in die Irre geführt werden kann. Aber was, wenn auch schon im Altertum einige Leute, oder sogar eine ganze Stadt oder eine Provinz als irrend befunden werden? Dann wird er sich mit der größten Sorgfalt darum mühen, sich nach den Dekreten der allgemeinen Konzilien der Vorzeit zu richten. .. Doch was für den Fall, daß sich Irrtümer erheben, über die in diesen Dokumenten noch nichts gesagt worden ist? Dann muß er nach besten Kräften die Ansichten der Väter vergleichen. Und was er dann findet, das nicht nur von einem oder zweien, sondern von allen gleicherweise und einen Sinnes offen, oft, und immer wieder für wahr gehalten, gebilligt und gelehrt worden ist – daran soll er auch selbst ohne das geringste Zögern festhalten.“ (Commonitorium III-4)