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Mißbrauch mit dem Mißbrauch

Bild: Wikimedia - GemeinfreiWährend in den USA eine Enthüllung über sexuellen Mißbrauch von Jugendlichen durch Priester die andere jagt, gerät durch die vorzeitige Veröffentlichung des von der DBK in Auftrag gegebenen Untersuchungsberichtes für die Jahre 1946-2014 nun auch die deutsche Kirche ins Blickfeld. Der Befund ist der gleiche wie in den USA: Die überwiegende Mehrzahl der Fälle war homosexuell motiviert, und in allzu vielen der nun untersuchten Fälle haben Beamte in den Ordinariaten oder auch die Bischöfe selbst es versäumt, Beschuldigungen nachzugehen und sie aufzuklären, Übeltäter rechtzeitig aus dem Verkehr zu ziehen, und da, wo auch strafrechtlich relevante Verfehlungen vorlagen, diese zur Anzeige zu bringen.

Nichts davon kommt überraschend. Auch ohne bereits Zahlen über die zeitliche Verteilung der Fälle zu kennen, wagen wir die Vermutung, daß wie in den USA besonders viele Fälle aus den Jahren 1960 – 1990 berichtet werden und seitdem ein Rückgang eingesetzt hat – der freilich keinen Grund zum Aufatmen bietet. In den 60er Jahren wirkte sich jene tiefe Erschütterung aller katholischen Gewissheiten in der Breite aus, die zwar in der Theologie schon vorher eingesetzt hatte, aber erst mit der Vorbereitung, der Durchführung und schließlich der „Umsetzung“ des II. Vatikanischen Konzils die ganze Kirche erfaßte. Wo das, um den damaligen Kardinal Ratzinger zu paraphrasieren, was bis gestern das Heiligste war, plötzlich als veraltet und unzumutbar gilt, müssen alle Maßstäbe ihre Bindekraft verlieren. Wo der Begriff von Schuld und Sünde im psychologisierendem Gesülze aufgelöst wird, und Konkupiszenz ebenso wie Gnade aus dem pastoralen Denken verschwinden und „Keuschheit“ geradezu wie ein obszönes Wort gemieden wird, gewinnen die Trends der „sexuellen Revolution“ leicht das Übergewicht.

Vor allem aber auch: Wo in der Liturgie die Gottesfurcht vereinsmeierischer Gefühligkeit weicht, wo die Ehrfurcht vor dem Leib Christi als Überrest byzantinischen Hofzeremoniells lächerlich gemacht und in der gottesdienstlichen Praxis erfolgreich „überwunden“ wird – da fällt es leichter, auch die Ehrfurch vor dem Leib des anderen, der doch wie der eigene „Tempel des heiligen Geistes“ ist, zu vermindern und den Verlockungen eines Zeitgeistes zu erliegen, der im Leib nicht viel mehr als ein Werkzeug zur Verwirklichung von „Genuß sofort“ sieht.

Hier geht es weiterDie üblichen Verdächtigen nutzen die jetzt ohne abmilderndes Brimborium vorveröffentlichten Zahlen zu den üblichen Forderungen nach einem „mehr“ von dem, was bisher schon nicht geholfen hat, sondern vielmehr selbst Bestandteil des Problems ist. Beispielhaft die Rheinische Pest, wenn sie schreibt: „Es ist auch die Schuld der hermetischen Institution Kirche. Während sie Moral predigt, Homosexuelle diskreditiert, Frauen das Weiheamt verweigert und diskriminiert und Schwangerschaftsabbrüche zornig geißelt, begeht sie hinter den eigenen vier Wänden schwerste Sünden.“

Als ob das Nachgeben gegenüber dem Zeitgeist in irgendeinem der angeführten Punkte Abhilfe bringen könnte. Im Gegenteil: Auch ohne das im Geringsten als Entlastung heranziehen zu wollen, muß in diesem Zusammenhang darauf verwiesen werden, daß da, wo diese angeblich unzeitgemäßen Einstellungen bereits restlos überwunden sind, also in Schulen und Sportvereinen, in der Armee und in vielen Unternehmen, sexueller Mißbrauch noch in weitaus stärkerem Umfang verbreitet ist. Allerdings wird er dort auch vielfach nicht als „Sünde“ inkriminiert, sondern als Ausdruck „sexueller Selbstbestimmung“ akzeptiert oder sogar gefeiert und in der Öffentlichkeit fast völlig übersehen – soweit er sich nicht unter einem Schlachtruf wie #metoo zur Beförderung einer anderen Zeitgeistagenda einspannen läßt.

Trotzdem ist zu befürchten und zu erwarten, daß die Modernisten in der Kirche auch diesen Zusammenhang gerne aufgreifen wollen, um ihre Forderungen zu untermauern. Eine Erklärung der Vereine der „katholischen“ Jugend der deutschsprachigen Länder von der vergangenen Woche nennt die Stichworte: „Anerkennung verschiedenartiger sexueller Orientierungen und von Geschlechtervielfalt“. Und der von offiziöser Seite immer mehr zum Träger eines Gegenlehramtes aufgebaute Jesuit (natürlich) Klaus Mertes gibt dem einen pseudoseriösen Rahmen mit seinem Ruf nach einer grundlegenden Kritik am „Verständnis geistlicher Macht, Umgang mit autoritär-elitären Gruppenbildungen in der Kirche, Klerikalismus, Homophobie bis in die katholische Sexualmoral hinein, männerbündisch-zölibatäre Zugangsstruktur zum Klerus, fehlende Beteiligungsverfahren bei Bischofsernennung, Abwesenheit einer unabhängigen Verwaltungs- und Disziplinargerichtsbarkeit in der Kirche, und so weiter.“ (Quelle) Nur um einen Punkt herauszugreifen: Als Gegenmittel zu homosexuellem Mißbrauch empfiehlt Mertes den Abbau der Homophobie – leuchtet ein.

Die Richtung nicht nur bei Mertes ist klar: Die Kirche soll sich der Welt immer mehr angleichen. Das wird die Sünde zwar nicht zum Verschwinden bringen, im Gegenteil – aber das Bewußtsein von Sünde und Schuld, Gnade und Erlösung wird sich weiter auflösen. Und wenn dann die Moral dessen, was einst die Kirche Christi war, völlig dem Bild und Wunsch der Welt entspricht, gibt es auch keine Skandale mehr – alles ein Brei. Ein „Salz der Erde“ wird es dann nicht mehr geben, aber auch nicht mehr brauchen. Die Selbsterlösung ist vollendet.

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