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Dialog der schiefen Ebene

Bild: KNA, OppitzZum Abschluß der Herbstsitzung der Deutschen Bischofskonferenz hat Kardinal Marx erste Konsequenzen aus der Mißbrauchsstudie angekündigt. Neben organisatorischen Maßnahmen – Anlaufstellen für Betroffene, umfangreichere Entschädigungen, einheitliches System für die Führung von Personalakten in den Bistümern, Einbeziehung externer Fachleute – will die Bischofskonferenz einen Gesprächsprozess über den Zölibat und "verschiedene Aspekte der katholischen Sexualmoral" eröffnen. Auch eine Beschäftigung mit dem Beichtgeheimnis wird empfohlen. Soll heißen: Diese Gegenstände werden zur Diskussion und damit letztlich auch zur Disposition gestellt.

Natürlich nicht im Grundsatz – Gott behüte. Aber im Einzelfall und der pastoralen Praxis, und das solange, bis auch von den Grundsätzen nicht mehr viel übrig ist. Papst Franziskus zeigt, wie es gemacht wird und eröffnet mit der von ihm betriebenen Stärkung der Stellung von Bischofskonferenzen und der Beteiligung von Regionalsynoden am Lehramt die nötigen Spielräume.

Zunächst ist man geneigt, sich an den Kopf zu greifen: Wissen die Oberhirten denn nicht, daß es da, wo es kein Zölibat, keine katholische Sexualmoral und keinen durch ein absolutes Verschwiegenheitsgebot geschützten Freiraum für Erkenntnis, Bekenntnis und Umkehr gibt – also in ganz normalen Familien, an ganz normalen Schulen, in ganz normalen Sportvereinen und in der ganzen normalen freiheitlich-demokratischen Gesellschaft des Jahres 58 nach der Sexuellen Revolution (hier der Einfachheit halber datiert auf die Markteinführung der „Pille“ 1960) – daß es dort viel mehr sexuellen Mißbrauch, Machtmißbrauch, Vertrauensbruch und alle den Dreck gibt als im Bereich der Kirche? (Hier eine von vielen Quellen) Womit kein einziger Fall innerhalb der Kirche zu entschuldigen oder zu relativieren ist – aber erst wo es einen Begriff von Moral gibt, kann auch eine moralische Fallhöhe bestehen. Wie kann in dieser Situation ein geradeaus denkender Mensch auf den Gedanken kommen, Gesprächsprozesse über die bisherigen moralischen Grundsätze der Kirche zu initiieren, die notwendig dazu führen müsse, diese Grundsätze im Sinne einer Anpassung an die Umgebungsgesellschaft zu relativieren - die ihrerseits alle Grundsätze aufgegeben hat? Wie könnte das angesichts der in dieser Gesellschaft herrschenden Unmoral und Sittenlosigkeit dazu beitragen, Vergehen gegen die Sittlichkeit einzudämmen?

Die Antwort ist, daß für diese Bischöfen und ihre Ratgeber die behauptete Eindämmung von Mißbrauchsvergehen bestenfalls an zweiter Stelle steht.  Ihr Ziel richtet sich auf etwas ganz anderes – und wenn man das ins Auge fasst, ist ihr Vorgehen durchaus geradlinig und zielführend, wie man in der Politik so schön sagt. Sie haben beobachtet, daß überall da, wo die Grundsätze oder besser gesagt die Grundsatzlosigkeit der als moderner Lebensstil ausgegebenen Zügellosigkeit anerkannt werden, wo nach der Reproduktion nun auch das Geschlecht für die „Ehe“ keine Rolle mehr spielt, wo die Eliten schon in Richtung Vielpartnerei und Kindersex unterwegs sind – daß überall da Mibräuche und Mißstände großzügig übersehen werden, teils als unvermeidliche Kollateralschäden der allgemeinen Emanzipation hingenommen, teils sogar als wesentlicher Bestandteil wahrer Aufklärung und praktizierter Freiheit begrüßt werden: Wir leben nun mal in einer progressiv-liberalen Gesellschaft, und wer sind wir denn, um zu urteilen?

Die Lockerung (d.h. Abschaffung des Zölibats), die Anerkennung der Homosexualität als eine „wertzuschätzende Form gelebter Beziehungen“, das ganze verlogene Vielfalt-Gerede und „Alles geht, wo alle zustimmen“, wird keinen einzigen Fall von Mißbrauch verhindern. Stattdessen wird sie durch die Zerstörung der Gewissensmaßstäbe – und der Kirche als einer Instanz, die diese Maßstäbe auch nach außen hin vertritt – Mißbräuche jeder Art zum neuen Normal werden lassen.

Aber die so entstehende neukatholische Kirche der fließenden Grundsätze ist dann fein raus – wenn sie erst in den allgemeinen Chor einstimmt, wird man auch ihr umgekehrt keine Vorwürfe mehr machen, was auch immer in ihren Unternehmen, Krankenhäusern oder Schulbetrieben geschehen möge. Alles ganz normal, hier ist nichts zu sehen, weitergehen, Leute. Denn die Gesellschaft der programmatischen Verkommenheit, pardon, der geschätzte Dialogpartner im gemeinsamen Wirken für den Fortschritt der Menschheit, hätte das Ziel erreicht: Die Maßstäbe der Säkulargesellschaft zu den einzigen und alternativlos verkündeten zu machen.

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