Die Heiligsprechung des Konzils
- Details
- 16. Oktober 2018
Das zweite Jahrtausend der Kirche hat viele große und bedeutende Päpste hervorgebracht - bis zum Jahr 1960 sind fünf davon (von etwa 150 in diesem Zeitraum) zur Ehre der Altäre erhoben worden: Leo IX., Gregor VII, Coelestin V., Gregor XIII., Pius X. Einer davon – Gregor VII., Papst des Investiturstreites und von Canossa - ist vor allem wegen seiner politischen Aktivitäten bekannt und auch deretwegen im Zuge der Gegenreformation heiliggesprochen worden – eine Verehrung als Heiliger hat es praktisch nie gegeben.
Nach diesem an heiligen Päpsten so armen Jahrtausend haben sich die Dinge in den letzten 50 Jahren grundlegend gewandelt – von den vier Päpsten des neuen Frühlings seit der Einberufung DES KONZILS sind nun bereits drei heiliggesprochen, alle drei von Franziskus, dem vom Geist des Konzils erleuchteten und von seinen Parteigängern bereits fast als lebender Heiliger betrachten Papst der zweiten Reformation, dem zugetraut wird, das Projekt der Verheutigung (aggiornamento) zu vollenden, das sein Vorgänger Paul VI., heiliggesprochen am letzten Sonntag, so kraftvoll in die Wege geleitet hat.
Wir leben wahrhaft in glücklichen Zeiten.
Für diejenigen, die sich dieser Sicht der Dinge nicht recht anschließen können, hat Peter Kwasniewski am 12. 10. auf OnePeterFive einen Artikel mit der Überschrift veröffentlicht: „Warum wir Paul VI. nicht als „Heiligen“ bezeichnen müssen – und das auch nicht tun sollten.“
In sieben ausführlich argumentierenden und zum Teil mit aufschlußreichen Fußnoten und weiteren Lesehinweisen versehenen Abschnitten begründet Kwasniewski seine Position.
- Die vielfach behauptete Irrtumsfreiheit von Heiligsprechungen ist eine freilich weit verbreitete Theologenmeinung und gehört nicht zum selbstverständlich verpflichtenden Glaubensgut der Kirche.
- Heiligsprechungen sind in der Geschichte bereits mehrfach aus Gründen erfolgt, die mehr auf welt- oder kirchenpolitischen Motiven beruhten, als auf dem Bestreben, die Gläubigen darin zu bestätigen, in einer von Ihnen bereits hoch verehrten Persönlichkeit ein Vorbild für das heiligmäßige Leben in Christus zu erkennen, dem nachzueifern höchstes Lob verdient.
- Seit Beginn der Neuzeit folgten Heiligsprechungen einem streng geordneten Verfahren, das umfangreiche Faktenerhebungen, gestützt durch das naturwissenschaftliche Argument des „auf keine andere Weise erklärbaren Wunders“ verlangte. Seit Paul VI. sind die Anforderungen an dieses Verfahren enorm gesenkt worden und erscheinen derzeit weitgehend ins Belieben des regierenden Papstes gestellt.
- Der Prozess einer Heiligsprechung hat unter anderem das Ziel, den „heroischen Tugendgrad“ einer Person festzustellen. Kwasniewski bestreitet rundheraus, daß der oft als zaudernder und entscheidungsschwacher Hamlet beschriebene Montini-Papst diese Art von Heldentum an den Tag legte. Als ein Beispiel für die Schwäche und damit verbundene Widersprüchlichkeit seiner Entscheidungen nennt er die Tatsache, daß Paul VI. viele Jahre lang dem Liturgiedeformer Bugnini freie Hand ließ – um ihn dann, als immer stärkere Beschuldigungen vorgetragen wurden, abzusetzen und aus Rom zu verbannen – ohne freilich irgendeinen Zweifel an den Früchten von dessen Tätigkeit zuzulassen.
- Als dennoch bewundernswerte Züge Pauls VI. benennt Kwasniewski die Klarheit der meisten lehramtlichen Texte, (Nota Praevia zu Lemen Gentium, Mysterium Fidei, Credo des Gottesvolkes und natürlich Humanae Vitae) die dieser Papst selbst verfasst oder veranlaßt hatte – dann aber deren Beachtung in der Praxis nur unzureichend durchsetzte.
- Es ist kaum vorstellbar, daß die Heiligsprechung Pauls VI und der anderen „Konzilspäpste“ ihr kirchenpolitisches Ziel – die „Heiligsprechung des 2. Vatikanums“ und der anschließenden „Reformen“ – in irgendeiner Weise erreichen könnte. Der tatsächliche Gang der Entwicklung, die in eine der tiefsten bisherigen Kriesen der Kirche geführt hat, berechtigt zwar auch nicht zu einer Art von „Unheiligsprechung“ dieser Päpste – aber die Realität und die offenbarte Wahrheit lassen sich nicht auf Dauer hinter ideologischen Konstrukten verbergen.
- Als praktische Konsequenzen aus den angeführten Überlegungen schlägt Kwasniewski vor, Paul VI. nicht im öffentlichen Gebet als Heiligen anzurufen, auch keine hl. Messen zu seinen Ehren zu feiern oder an solchen Messen teilzunehmen und keine Bemühungen zur Etablierung eines „öffentlichen Kultus“ finanziell zu unterstützen. Sein Artikel schließt mit den Worten:
Wir alle sind verpflichtet, für das Seelenheil des Heiligen Vaters und für die Freiheit und die Verherrlichung unserer heiligen Mutter der Kirche auf Erden zu beten. Diese Gebetsmeinung enthält implizit auch die Bitte, daß das Papsttum, die römische Kurie, die Kongregation für Heiligsprechungen und der gesamte Prozess der Selig- und Heiligsprechungen eines Tages so wiederhergestellt werden, daß sie besser den Bedürfnissen der Christgläubigen gerecht werden und Gott die Ehre geben in seinen „Heiligen, in denen er sich so wunderbar erweist“ (Ps. 67,36)
Soweit Kwasniewski. Zur Bekräftigung seiner Ausgangsthese, daß das Papsttum des ausgehenden 20. Jahrhundert nicht von der Heiligkeit seiner Vertreter, sondern von einer tiefen Krise geprägt ist, sei hier auf einen weiteren Artikel in OnePeterFive verwiesen: Über die Absetzung von Päpsten – ein historischer Überblick. Vor der überaus leichtfertigen Ausrufung eines neuen Frühlings, in dem alles Alte seine Verbindlichkeit verliert, wäre kein Katholik auf den Gedanken gekommen, über derlei nachzudenken, geschweige denn, die Ergebnisse zu veröffentlichen. Um das Ergebnis hier vorwegzunehmen: Autor Eric Sammons, Autor zahlreicher Bücher im Umfeld der „Neuevangelisierung“, schließt seinen Beitrag mit der Überlegung:
Wenn man die Geschichte der Kirche und ihrer Lehre betrachtet, gibt es zu dieser Frage eine verwirrende Fülle von oft widerstreitenden Meinungen, Handlungen und Lehren. Obwohl ich daraus letztlich zu dem Schluß komme, daß die Absetzung eines Papstes nicht möglich ist, ist mir doch bewußt, daß auch diese Ansicht nur eine in dieser 'verwirrenden Fülle von oft widerstreitenden Meinungen, Handlungen und Lehren' ist. Beten wir alle zum Heiligen Geist, daß er uns hier Klarheit schenke und was noch wichtiger ist, daß es niemals notwendig werde, dann auch danach zu handeln.“