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Die Verbindlichkeit der Tradition

Bild: Amazon, Eintrag zum BuchManche Bücher erscheinen zu spät, um den Gang der Dinge noch beeinflussen zu können – schade drum, aber der Zug ist abgefahren. Andere erscheinen zu früh – sie nehmen eine Entwicklung und daraus entstehende Problemsituationen vorweg, bevor dieser Gang der Dinge allgemein erkennbar geworden ist, und so finden sie – zumindest zunächst – keine Resonanz. Aber sie können immerhin dann, wenn die Probleme allgemein offenbar geworden sind, gute Dienste leisten. Zu dieser zweiten Sorte gehört ein Buch, das wir bei seinem Erscheinen vor 5 Jahren zunächst halb gelesen zur Seite gelegt haben: Chad Ripperger (FSSP), „The Binding Force of Tradition“, erschienen 2013 wenige Wochen vor der unerwarteten und so verhängnisvollen Abdankung von Papst Benedikt.

Ein Grund für unsere damalige Nachlässigkeit war die Tatsache, daß Papst Benedikt gerade die Bindungswirkung der Tradition auf vielfache Weise zu neuer Geltung gebracht hatte: Diese Schlacht im Kampf gegen den Modernismus schien erfolgreich geschlagen zu sein – was für ein Irrtum. Der zweite Grund liegt im Buch bzw. dem Autor selbst: Ripperger erscheint als ein Vertreter der Dogmatik alter Schule; seine ganze Denkweise und seinen Stil hat er unverkennbar an den Scholastikern des hohen Mittelalters geschult, und die Lektüre seiner oft um penible Präzision bemühten Satzfolgen ist nicht wirklich vergnügungssteuerpflichtig. Oder anders ausgedrückt: Ripperger hat vor 5 Jahren genau das Buch geschrieben, das wir heute brauchen, wo von Rom aus die Tradition in beispiellosem Ausmaß zur Disposition gestellt wird und die Sprache der Lehramts-Verweser von gewollter Unklarheit und Doppeldeutigkeit geprägt ist.

Hier übersetzen wir einen Abschnitt über die grundlegende Bedeutung für die Wahrung der Treue zur Tradition aus Kapitel 3 – in der hier allein vorliegenden Kindle-Ausgabe Position 799 ff.

Es beginnt ein langes ZitatWenn jemand die Heilige Tradition, die ihm überliefert worden ist, nicht akzeptiert oder seinerseits nicht das weitergibt, was ihm anvertraut worden ist, versündigt er sich gegen die Tugend des Glaubens. Der Glaube ist nämlich die dem Verstand eingegebene übernatürliche Tugend, in welcher wir dem zustimmen, das geoffenbart ist. Das, was geoffenbart ist, wird jedoch durch die Tradition weitergegeben, und daher erfordert die Tugend des Glaubens auch unsere Zustimmung zur Heiligen Tradition. Hier geht es weiter

Zu verschiedenen Zeiten der Geschichte und insbesondere in der Moderne gab es eine Ablehnung der Tradition, die Einführung von Neuerungen und einen ständigen Wechsel in allen Dingen – von dogmatischen Formulierungen bis hin zu den Bauwerken. Weil sich die Bauweise der Kirchen verändert hat, verändert sich vielfach auch das, was die Leute glauben. Da Bauwerke (ebenso wie die Liturgie) Erscheinungsformen unseres Glaubens sind, können allzu starke Veränderungen den Eindruck hervorrufen, daß der Glaube sich geändert hat. Die Bauwerke sind selbst Gestalten, in denen sich der Glaube auf sichtbare Weise ausdrückt. Wenn diese sichtbaren Erscheinungsformen des Glaubens angegriffen oder verändert werden, wirkt das auf die Psychologie der Menschen, als ob ihr Glaube angegriffen oder geändert werde. Daher sündigt jemand gegen den Glauben, der einen Teil der Tradition ablehnt, indem er irgend etwas von den Bauwerken bis zu dogmatischen Formulierungen anzuerkennen verweigert. Denn solche Angriffe sind oft nicht nur Ausdruck eigenen mangelnden Glaubens - sie sind auch Angriffe auf den Glauben derer, die die Lehre formuliert oder die Bauwerke errichtet haben, und sie sind darüber hinaus auch Angriffe auf den Glauben derer, die diese Bauwerke oder diese Glaubenssätze annehmen sollen, um ihren Glauben auf eine klarere, festere und sicherere Grundlage zu stellen.

Die Zurückweisung der Tradition stellt auch eine Versündigung gegen die Hoffnung dar. (…) Wenn die Tradition gewahrt bleibt und die Bauwerke ebenso wie die Aussagen der Glaubenswahrheiten unversehrt an die nächste Generation weitergegeben werden und Veränderungen nur insoweit erfolgen, wie es nötig ist, um den Inhalt noch deutlicher zu machen, dann bewirkt das auf Seiten der Hörer Sicherheit dahingehend, daß der Glaube unwandelbar bleibt. Und wenn sie so auf die Reihe der Generationen blicken, die alle am gleichen Glauben festhielten, einen heiligmäßigen Tod gestorben sind und große Opfer für die folgenden Generationen auf sich genommen haben, dann bewirkt das in den Gläubigen ein großes Maß an Hoffnung. Doch wenn die Lehre veränderlich ist wie Treibsand und die Bauwerke zerstört oder angegriffen werden, dann verliert der Glaube seine Sicherheit und die Hoffnung wird schwach.

Die Hoffnung ist die dem Willen eingegebene übernatürliche Tugend, durch welche wir den Zusagen Gottes glauben und auf seine Hilfe vertrauen. Wenn wir die Verläßlichkeit des Glaubens in den Bauwerken und den Lehraussagen ohne Änderungen verkörpert sehen, bildet das einen sicheren Felsen, auf dem wir das Streben nach dem eigenen Heil aufbauen können. Aber wenn die Dinge geändert werden oder, was noch schlimmer ist, man den Menschen erzählt, daß die Elemente aus der Tradition von Übel sind, dann wird die geistige Stabilität hinsichtlich des Glaubens untergraben. Wenn die Mittel des Heils verschwinden, beginnt man sich zu fragen, ob Gott wirklich das gewähren wird, von dem frühere Generationen annahmen, daß er es gewähren werde. Wenn die Übungen der Frömmigkeit, die den Glauben früherer Generationen kennzeichneten, plötzlich aufgegeben oder sogar als schädlich verurteilt werden, dann bricht auch die Hoffnung zusammen, die diese Frömmigkeit den Menschen vermittelte. … So kann die Zurückweisung der Tradition zur Verzweiflung verleiten, weil die in der Tradition liegenden Mittel des Heils nun nirgendwo mehr aufzufinden sind. Wo die Tradition verworfen wird, werden auch viele Mittel zur Erlangung des Heils verworfen – und dann geht die Hoffnung verloren.

Daran ersieht man das ungeheure Maß an Anmaßung auf Seiten derer, die entgegen göttlicher Vorgabe Veränderungen an der Tradition vornehmen. Diese Anmaßung führt dazu, anzunehmen, man könne die ewige Seligkeit aus eigener Kraft und ohne göttliche Hilfe erreichen.“

Das nur in englischer Sprache verfügbare Buch von Chad Ripperger ist auf Amazon als Taschenbuch und als e-Book für Kindle erhältlich.

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