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Weltuntergangsängste in Rom

Animation der einstürzenden Peterskuppel - gefunden http://lifeafterpeople.wikia.com/wiki/St._Peter%27s_BasilicaBringt Franziskus das Ende der Kirche, wie wir sie kennen? So fragt ungewohnt alarmistisch die neueste Ausgabe von „MondayVatican“. Der Journalist Andrea Cagliarducci ist einer der kenntnisreichsten, aber auch einer der zurückhaltendsten Vaticanistas Italiens. In seinen auf „MondayVatican“ publizierten Analysen ist er stets bemüht, den handelnden Personen nur den besten Willen zu unterstellen, manches klang in der Vergangenheit nach Schönfärberei. Umso irritierender also, wenn er jetzt konstatiert, im Vatikan breite sich Weltuntergangsstimmung aus und Franziskus eile in großen Schritten darauf zu, der Kirche, wie sie zweitausend Jahre bestanden habe, das Ende zu bereiten.

Ausgangspunkt des aktuellen Alarmrufs sind die anscheinend weit gediehenen Pläne für die Abschaffung der Präfektur des päpstlichen Haushalts, deren Bedeutung nach Cagliarduccis im Artikel überzeugend begründeten Ansicht weit über eine bloße untergeordnete Administration hinausgeht – auch wenn sie in den letzten Jahren praktisch genau darauf reduziert worden sei.
Die Präfektur des päpstlichen Haushaltes ist danach von Papst Paul VI. in der Absicht zur Wahrung der Kontinuität als „modernisierte Fassung“ des tief in die Geschichte zurückreichenden päpstlichen Hofes eingesetzt worden und habe wie dieser die Aufgabe gehabt, die spirituelle Wirklichkeit rund um das Papstamt zum Ausdruck zu bringen: Jede Aktion und jede Geste des regierenden Pontifex wären mit einer religiösen Bedeutung verbunden gewesen:

Falls der päpstliche Haushalt verschwinden würde, ginge diese historische religiöse Bedeutung verloren. Jeder Besuch eines Staatsoberhauptes beim Papst würde dann auf das diplomatische Protokoll ohne Rückbindung an dessen spirituellen Hintergrund reduziert. Alles wäre nur noch Verwaltungssache in einem rein weltlichen Sinne. Und dabei ist (unterstellt Gagliarducci) Weltlichkeit doch der Teufel, den Franziskus am heftigsten bekämpft.

Weltlichkeit hat letzten Endes keine Beziehung zum Gebrauch von Symbolen. Weltlichkeit tritt ein, wenn man Symbole nicht mehr beachtet und als bloße Überreste von Vergangenem bertrachtet. Aber in der Kirche gibt es keine bloßen Überreste von Vergangenem – alles hat seinen (spirituellen) Sinn.

In diesem Sinne – Cagliarducci belegt das mit lesenswerten Zitaten – habe Paul VI. den päpstlichen Haushalt als Nachfolger des päpstlichen Hofes erhalten wollen, „um eine würdige Körperschaft und nützliche Einrichtung der Verbindung zum Stuhl Petri, dem geistlichen Mittelpunkt der Katholischen Kirche und dem Sitz des Vikars Christi auf Erden“ zu gewährleisten. Damit habe er „einerseits den seinem Wesen nach spirituellen Auftrag des römischen Papstamtes und andererseits dessen Funktion im gesellschaftlichen und staatlichen Bereich“ unterstreichen wollen.

Hier geht es weiter Wenn die kolportierten Pläne von Franziskus zur Abschaffung des päpstlichen Haushalts umgesetzt würden, würde das bedeuten, „die päpstliche Funktion in staatlichen und internationalen Angelegenheiten aufzuwerten und den geistlichen Auftrag in den Hintergrund treten zu lassen.“ Das würde nach Cagliarducci durchaus ins Bild des bisherigen Regiments passen:

Das Pontifikat von Franziskus ist aus einem pragmatischen Impuls bei den Treffen vor dem Konklave hervorgegangen. Spirituelle Fragen haben dabei keine besondere Rolle gespielt, die meiste Aufmerksamkeit galt pragmatischen Überlegungen. Die Reden vor dem Konklave kreisten in einem solchen Ausmaß um eine mögliche Reform, daß gesagt wurde, Franziskus sei mit dem Auftrag zu Reformen gewählt worden.

Bedeuten Reformen einen Bruch mit der Vergangenheit?

Die Geschichte der Kirche spricht dagegen. Es hat im Lauf der Geschichte zahlreiche Kurienreformen gegeben (...) keine davon brach mit der Vergangenheit , sondern passte das Alte an die modenen Erfordernisse an und war auf Erhöhung der Effektivität gerichtet, ohne der Versuchung des Funktionalismus zu erliegen. Vor allem aber waren diese Reformen bemüht die historische Bedeutung der jeweiligen Gegenstände lebendig zu halten. Denn: in der römischen Kurie hat alles eine gewachsene Bedeutung.

Während Franziskus‘ Pontifikat ins 6. Jahr geht, breitet sich wieder die Endzeitstimmung aus, die seine Wahl begleitet hatte. Nach einer Periode großer Erwartungen für diejenigen, die die Kirche säkularistisch revolutionieren wollten, war Franziskus in eine etwas bedächtigere Phase eingetreten (…), doch nun ist er offenbar wieder voll aktiv. Anscheinend ist er ganz von dem Gedanken erfüllt, daß der Vatikan ein Hofstaat fern der Realität dieser Welt sei. schließlich hat er den Vatikan während seiner Zeit als Erzbischof von Buenos Aires als weit entfernt wahrgenommen. Doch „Romanità“ gehört zum Wesen vieler Symbole um das Papstamt gerade auch in seiner universalen Bedeutung.“

Als ein weiteres Beispiel dieser Verbindung von „Romanità“ und Universalität benennt Cagliarducci neben der Präfektur des Päpstlichen Hauses die Institution der Kardinalbischöfe, die obwohl deren Amtssitze über die ganze Welt verstreut waren, als Inhaber der „suburbicarischen Bischofssitze“ des alten Rom aufs Engste mit der Stadt des hl. Petrus und dessen Nachfolgern verbunden waren. Auch diese Verbindung habe Franziskus durch Bruch der Tradition bei der Erhöhung der Zahl von Kardinalbischöfen aufgebrochen. Sein Fazit aus alledem - manches mußte hier unerwähnt bleiben - ist beunruhigend:

Solche Vorstellungen von „Reform“ enthalten das Risiko einer verweltlichten Kirche, die immer stärker auf Strukturen beruht und sich immer weniger der Symbole bewußt ist, die ihre Universalität ausmachen. Paradoxerweise könnte Franziskus dieses Ziel erreichen, währfend er doch das Gegenteil predigt, nämlich bis an die Grenzen der Welt gehen zu wollen. Die Maßstäbe der Repräsentativität ersetzen nun die der Universalität. Wenn das konsequent zu Ende geführt wird, wird das tatsächlich das Ende einer Welt bedeuten.

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