Bereichsnavigation Themen:

Für die Akten der Apostasie

Bild: Aus einer Druckausgabe des 'Narrenschiffs' von Sebastian BrantHöchste Zeit für einen Wochenrückblick – den ersten in diesem Jahr. Beginnen wir mit den USA, wo der Zusammenprall der Kulturen – christlich verwurzelte Tradition und linksliberaler Progressismus mit dem Ziel der Hervorbringung eines neuen Menschen – immer mehr Fahrt aufnimmt. Spektakulär in diesem Zusammenhang der Fall der Covington Boys, wo viele Bischöfe erst mal blindlings der von der linksprogressiven Presse vorgegebenen Linie gefolgt waren. Ein anderes Beispiel bot New York, wo die linksgrüne Stadtregierung dieser Tage beschloß, zur Vollendung der „Frauenrechte“ die Tötung von Kindern bis zur Geburt freizugeben – und diesen Sieg des Fortschritts mit einer rosaroten Illumination des One World Centers, des Nachfolgebaus des im Terror versunkenen World-Trade Centers, zu feiern. Ausgerechnet.

Einer der Architekten des Gesetzes war New Yorks nominell katholischer Gouverneur Andrew Cuomo. Er hatte auch die Triumphgeste der Illumination angeordnet – und damit viele Katholiken gegen sich aufgebracht. Sie haben sich daher mit der Forderung an ihre Bischöfe gewandt, die Exkommunikation des Mordhelfers einzuleiten – nur um von ihren Hirten mit den üblichen Betroffenheitskundgebungen und Aufrufen zur Besonnenheit abgespeist zu werden.

Hinter alledem steckt nicht nur politischer Opportunismus oder persönliche Feigheit. Der Publizist Darel E. Paul hat auf First Things eine interessante Analyse veröffentlicht, die in der Feststellung gipfelt, viele Bischöfe lebten als Teil der gesellschaftlichen Management-Elite, sie sähen sich als Teil dieser Elite – und sie dächten und handelten als Teil dieser Eliten und im von diesen vorgegebenen Rahmen. Das hat etwas und kann auch manche Erscheinungen im deutschen Episkopat leichter verständlich machen. Und so vertieft sich die Kluft zwischen Gläubigen und Hierarchie immer mehr.

Ein weiterer Knackpunkt in den USA ist die von der entsprechenden Lobby jetzt mächtig in den Vordergrund gespielte Frage des Frauendiakonats, die nach einigermaßen überraschenden (und gänzlich unbelegten) Behauptungen ihrer Protagonisten zum Traditionsbestand der alten Kirche gehört haben soll. Schon hat sich in den USA etwa die Hälfte der Bischöfe dazu bereit erklärt, diese Lesart zu übernehmen – da stehen stürmische Entwicklungen bevor.

Und das gilt natürlich auch für Deutschland, wo die Kampagne aber noch nicht voll in Fahrt gekommen ist. Katholisch.de, zu dessen Herzensanliegen der Frauendiakonat gehört (an die 40 Artikel in den letzten 5 Jahren), leistete sich in diesem Zusammenhang ein journalistisches Meisterstück. Hier geht es weiter In einem derzeit nicht mehr auffindbaren (zurückgezogenen?) Artikel verwies die Website im Text und mit großem Aufmacherbild auf das Vorbild der Altkatholiken, die seit Jahren erfolgreich Frauen zu Diakoninnen weihen würden – und verlor dabei kein einziges Wort darüber, daß die Altkatholiken seit über 20 Jahren auch so tun, als ob sie im Stande wären, nach Diakoninnen folgerichtig „Priesterinnen“ zu weihen. Derartiger Umgang mit den Fakten gehört wahrscheinlich zu der von Regina Laufage-Kleeberg verlangten „Eindeutigen Mehrdeutigkeit“, die man heute aushalten müsse, da es „auf die meisten Fragen … keine eindeutigen Antworten“ gibt.

Zumindest nicht im Sinne dessen, was die Kirche seit 2000 Jahren als Antworten angeboten hat.

Davon hatte sich bereits zu Jahresanfang Bischof Genn verabschiedet, als er in seinem Wort des Bischofs befand: „Die alte Zeit ist zu Ende!“ Die katholische Kirche stehe angesichts der Unruhe und des Zorns vieler Menschen aufgrund grundlegender Missstände vor einer Zeitenwende. Priesterbild und Weiheamt, Hierarchie, Zölibat, Frauenamt und Sexualmoral stünden deshalb „auf der Tagesordnung“. Lies: Zur Disposition.

Noch eine Stufe weiter bei dieser Art von „Verheutigung“ geht Limburgs famoser Bischof Bätzing. Nachdem er die Kirche im November mit seiner Beschreibung als „Täterorganisation“ für Kriminell und praktisch wie spirituell für tot erklärt hatte, macht er sich nun Gedanken um die Gründung einer Nachfolgeorganisation. Bei katholisch.de liest sich das so:

Ein einfaches 'Weiter so' als Kirche kann es nicht geben“, sagte Bätzing am Donnerstag in Frankfurt. „In gewisser Weise müssen wir uns neu erfinden“, betonte er. Eine „milieugestützte Weitergabe des Glaubens“ finde fast nicht mehr statt, sagte Bätzing. Es gehe deshalb heute darum, stärker direkt bei den Menschen etwa in Bürostädten präsent zu sein und nach dem zu fragen, was die Menschen bräuchten. Wie man die Menschen wieder erreichen könne, müsse die Kirche nun neu lernen, auch durch „Trial and error“ (Versuch und Irrtum).“

Das Geschäftsmodell des Firmengründers funktioniert nicht mehr – machen wir uns eine neues. So lernen wir das doch aus der Einführung in das Marketing für Anfänger – oder wie der kleine Moritz sich das so vorstellt.

Und so was amtiert in der Kirche Jesu Christi als Bischof.

Statt weitere Beispiele für diese Bereitschaft zur bedingungslosen Kapitulation vor dem Zeitgeist zu bringen, verweisen wir hier lieber auf ein Interview mit Kardinal Gerhard Müller, aus dem Dienst entfernter ehemaliger Präfekt der Glaubenskongregation, das Edward Pentin vom National Catholic Register letzte Woche veröffentlicht hat. Schwerpunkt des Interviews, dessen Lektüre wir nur sehr empfehlen können, sind die verfehlten Versuche des Vatikans, den verbreiteten sexuellen Mißbrauch zur Folge angeblichen Klerikalismus zu erklären. In dem Zusammenhang geht Kardinal Müller dann auch auf die theologischen Hilfswilligen ein, die derart abenteuerliche Konstruktionen in die Welt setzen oder unterstützen – und da nimmt er kein Blatt vor den Mund. Dabei spricht er von einer „akademischen Kernschmelze“, die die Grundlagen der Theologie zu zerstören drohe, und er spart auch nicht an Kritik mit der von seiner Heiligkeit par Ordre de Mufti angeordneten Umschreibung des Katechismus in Sachen Todesstrafe:

Das macht keinen guten Eindruck. Als ob der Papst einfach den Katechismus ändern könne, wenn ihm danach ist. Wo sind da die Grenzen? Das Lehramt steht nicht über dem Wort Gottes, sondern darunter und hat ihm zu dienen. (Dei Verbum, 10)“

Die Bischöfe Genn und Bätzing sowie die Essener Diözesan-Jugendreferentin Regina Laufage-Kleeberg würden ihm darin sicher widersprechen: Grenzen ist das letzte, was sie akzeptieren und einhalten wollen. Anything goes. Und als wollte er geradewegs auf die von solchen Figuren betriebene Auflösung aller Verbindlichkeiten antworten, fügt Kardinal Müller hinzu:

Viele liberale Katholiken sind sehr für eine Relativierung der moralischen Lehrgrundsätze. Sie wollen immer auf der Seite der Mehrheit, des Kollektivs, stehen. Aber zu Christus zu gehören ist ein Kreuz, es erfordert Bußbereitschaft und eine Veränderung des Lebens, Gehorsam gegenüber den Geboten, Nachfolge Christi. Stattdessen wollen einige einen weichen Gott. Einige Kirchenführer verkennen die Tiefe der Krise, in der die Kirche sich befindet. Wir müssen aus den Fehlern der Geschichte und von den großen Reformbewegungen der Vergangenheit lernen. Hier haben wir das richtige Reformverständnis: „gleicht euch nicht dieser Welt an, sondern lasst euch verwandeln durch die Erneuerung des Denkens, damit ihr prüfen und erkennen könnt, was der Wille Gottes ist: das Gute, Wohlgefällige und Vollkommene! (Römer 12,2)

Zusätzliche Informationen