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Ein Manifest für den Neuaufbau

Bild: Aus LifesiteNews, ALBERTO PIZZOLI/AFP/Getty ImagesWer in dem Manifest von Kardinal Müller (hier der volle Text) nach Sensationen sucht, wird enttäuscht werden. Seine fünf Punkte, in denen fast jeder Satz mit einem Hinweis auf entsprechende Abschnitte des Katechismus belegt ist, sind eine denkbar knappe Zusammenfassung der zentralen Aussagen des Glaubens – mit besonderem Gewicht auf den Elementen, die von den Häresien der Moderne geleugnet oder relativiert werden. Da findet sich auch nicht der Hauch einer Neuheit – alles so, wie es immer war. Eine unübersehbare Demonstration des ehemaligen Präfekten der Glaubenskongregation, der seinen bischöflichen Auftrag zur Wahrung des katholischen Glaubens unbeirrt fortsetzt, auch wenn man ihm sein römisches Amt genommen hat.

Versucht man, die 5 Punkte noch einmal zusammenzufassen, ergibt sich zunächst folgendes Bild:

  1. Das Christentum ist nicht die Religion eines unbestimmten Gottes, den es mit anderen, die auch (nur) einen Gott (im Gegensatz zu mehreren Göttern) kennen, gemeinsam hätte. Das Christentum ist, der Name sagt es schon, die Religion des einen wahren Gottes, der sich in Jesus dem Christus den Menschen zugewandt hat und der seine Schöpfung in der Person seines Geistes erhält und erfüllt.
  2. In der katholischen Kirche verwirklicht sich die sakramentale und wirkkräftige Fortexistenz Christi in Welt und Zeit zur Verkündung die göttliche Offenbarung einschließlich der mit ihr untrennbar verbundenen Sittenlehre.
  3. Kernelement von Wesen und Wirkung der Kirche unter den Menschen sind die Sieben Sakramente, die Christus seiner Kirche anvertraut hat und deren Verwaltung er seinen Priestern übertragen hat, um sein Erlösungswerk dauerhaft weiterzuführen.
  4. Das sittliche Gesetz ist keine von Menschen ihren Mitmenschen aufgezwungene Last, sondern unrelativierbarer Teil der offenbarten Wahrheit, die dem Christen den Weg zum Heil weist. Ohne diese Wahrheit zur Leitschnur zu machen, kann er diesen Weg nicht zu Ende gehen.
  5. Der Mensch ist mit einer unsterblichen Seele geschaffen, die nach dem irdischen Tod und dem Gericht in der seligen Anschauung Gottes oder in der Hölle der Gottesferne weiterlebt. Die Seelen vor diesem Schicksal der Hölle zu bewahren ist die höchste Aufgabe der Kirche. Alles andere ist dem zugeordnet.

Die Anknüpfungspunkte zur aktuellen Auseinandersetzung zeigen sich sowohl in dem, was der Kardinal sagt – als auch in dem, was er nicht sagt. Den „Dienst an den Armen“oder den „ Einsatz für Frieden und Menschenrechte“ z.B., den die Leute, die aus der Kirche eine NGO oder eine zweite UNO machen wollen, ständig im Munde führen, erwähnt er an keiner Stelle. Nicht daß er deren Bedeutung bestritte, aber diese Dinge gehören definitiv nicht zu den erstrangigen Aufgaben der Kirche. Diese jedoch benennt Müller in aller wünschenswerten Klarheit: Vor allem anderen ist es ihre Aufgabe, die Menschen auf dem Weg zum ewigen Leben zu führen und zu begleiten. Die Mittel dazu hat der Herr ihr anvertraut: Die Sakramente. Und die Wegmarken bildet das Sittengesetz, wie es im Evangelium und der beständigen Lehre der Kirche gelehrt wird. Wer aber ein anderes Evangelium verkündet, der, so liest es der Kardinal beim Apostel Paulus, „soll verflucht sein“. Oder wie frühere Konzilien es formulierten: anathema sit.

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Unmittelbar Stellung zu aktuellen Debatten nimmt das Manifest mit der Betonung der zentralen Stellung der Trinitätslehre, die durch jüngste „Dialoge“ mit Judentum und Islam zu einer Angelegenheit sekundärer Bedeutung herabgestuft worden ist. Dagegen Müller:

Wir sind durch die Taufe auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes Jünger Jesu, Kinder und Freunde Gottes geworden. Die Verschiedenheit der drei Personen in der göttlichen Einheit markiert im Hinblick auf andere Religionen einen fundamentalen Unterschied im Gottesglauben und im Menschenbild.

Glasklare Position bezieht der Kardinal zur immer lauter geforderten Frauenweihe:

Im Hinblick auf den Empfang der Weihe in den drei Stufen dieses Amtes weiß sich die Kirche „durch [die] Wahl, die der Herr selbst getroffen hat, gebunden. Darum ist es nicht möglich, Frauen zu weihen“.

Ebenso zur Kommunion für „wiederverheiratete Geschiedene“:

Von der inneren Logik des Sakramentes versteht sich, dass standesamtlich wiederverheiratet Geschiedene, (…) nicht voll mit dem katholischen Glauben und der Kirche verbundene Christen, (…) die heilige Eucharistie nicht fruchtbar empfangen, weil sie ihnen nicht zum Heil gereicht. 

Ebenso eindeutig – und unserer Erinnerung nach eindeutiger als in seiner Zeit als Theologieprofessor – ist Kardinal Müller bei der Beschreibung der hl. Messe als des eucharistischen Opfers der Kirche, die das Erlösungswerk Christi in Zeit und Raum vergegenwärtigt. Klare Ansage auch zur Feststellung der Heiligkeit der Kirche und zu ihrer Wesensbeschreibung als

kein von Menschen gegründeter Verein, über dessen Struktur seine Mitglieder nach Belieben abstimmen. Sie ist göttlichen Ursprungs. „Christus selbst ist der Urheber des Amtes in der Kirche. (...) Aufgabe des Lehramtes der Kirche ist es, das „Volk vor Verirrungen und Glaubensschwäche zu schützen“, um „den ursprünglichen Glauben irrtumsfrei zu bekennen“.

Die Diskussion über sexuellen und anderen Mißbrauch in der Kirche löst Müller von ihrer eilfertigen Indienstnahme durch Interessenvertreter und stellt sie in den richtigen Zusammenhang:

Die Vermittlung des Glaubens ist unlösbar mit der menschlichen Glaubwürdigkeit seiner Boten verbunden, die in einigen Fällen die ihnen Anvertrauten im Stich gelassen, sie verunsichert und ihren Glauben schwer geschädigt haben.

All das und einiges hier noch nicht erwähnte dürfte den Protagonisten einer „Neuen Kirche“ vom Stadtpfarrer in der deutschen Kleinstadt bis zum Papst in Rom schrill in den Ohren klingen. Die Frage ist, was kann es bewirken?

Der Papst und die jesuitische Kamarilla des Hofstaats von Santa Martha werden bemüht sein, diesen Vorstoß aus der Rechtgläubigkeit wie alle bisherigen ins Leere laufen zu lassen. Die deutsche Universitätstheologen, deren feingesponnenes wissenschaftliches Lebenswerk hier in wenigen Sätzen zu Abfall erklärt wird, werden es ebenso halten. Ihr Gehalt beziehen sie schließlich vom säkularen Staat, und wer zahlt, schafft an. Für die Gläubigen jedoch, die in all den absichtsvoll veranstalteten Verwirrspielen der letzten Jahre nicht mehr wissen, was sie denn glauben sollen, bietet das Manifest einen wertvollen Ankerpunkt – und das nicht nur für die darin explizit erwähnten Themen. Die Treue zu dem, was „immer und von allen geglaubt worden ist“, wird hier beispielhaft festgeschrieben. Ein Ankerpunkt ist das Dokument auch für die vielen Priester und auch Bischöfe, die am katholischen Glauben festhalten wollen: Der vom neuen Regime entlassene frühere Präfekt der Glaubenskongregation stärkt alle, die sich im Gewissen fragen, wie sie mit dem entfesselten Chaos in Glaube, Lehre und Disziplin umgehen sollen.

Das Manifest ist geeignet, eine Plattform für alle zu bieten, die sich diesem Chaos nicht unterwerfen wollen. Das bedeutet nicht, dem Papst offen die Gemeinschaft aufzukündigen oder gar seinen Sturz zu betreiben. Es bedeutet die Markierung von Linien, hinter die Katholiken vor niemandem und unter keinen Umständen zurückweichen können. Das sind zunächst Verteidigungslinien – dann aber auch Fundamente für den Neuaufbau.

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