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Liturgie ohne Sakrament

Bild: News-Portal der Universität ErfurtDaß der sexuelle Mißbrauch nicht von der Wollust, sondern vom Klerikalismus komme, haben die talking heads der Bischofskonferenz uns nun so lange eingehämmert, daß sie es selbst zu glauben scheinen. Also Feuer frei für die nächste Runde: Woher kommt der Klerikalismus? Der an der Katholisch-Theologischen Fakultät in Erfurt beschäftigte Liturgiepolitiker B. Kranemann hat sich unlängst in einem Vortrag erbötig gemacht, eine gefällige Antwort zu geben: Schuld, mindestens eine Teilschuld, hat die Liturgie. „Liturgie kann verheerenden Klerikalismus fördern“ – so die Überschrift des entsprechenden Beitrag im Zentralorgan der Zweiten Reformation. Wir zitieren:

Es stelle sich die Frage, inwieweit die tagtäglich gefeierte Liturgie ein Amts- und Rollenverständnis, vor allem von Priestern, präge, das möglicherweise dazu beitrage, "dass Menschen anderen gegenüber Machtfantasien entwickeln und sie auch ausleben. ...

Der Zusammenhang von sozialer Rolle, kirchlichem Amt und sakralisiertem Handeln könne zu entsetzlichen Missverständnissen führen. "Er ist mindestens dazu angetan, einen verheerenden Klerikalismus zu fördern", urteilte der Liturgiewissenschaftler. "Die Liturgie stellt ein Bild von Kirche dar und übt Rollen ein, die problematisch werden können. Sie kann Klerikalismus produzieren und potenzieren. Das ist dann ein Beitrag zur Kirchenkrise."

Zwei Konsequenzen sind daraus zu ziehen, meint Kranemann: Zum einen sei eine verschärfte Auseinandersetzung mit der Problematik von Liturgie und Macht notwendig, die in der Vergangenheit viel zu wenig reflektiert worden sei. Man sieht: Der Mann werkelt gerade an der Begründung neuer Personalstellen für seinen Betrieb.

Und mit der zweiten kommt er zum reformatorische Kern der Sache: Es ist wieder einmal die Ökumene. Die sei nicht nur in der Liturgiewissenschaft dringend geboten, sondern müsse auch praktisch werden.

Ökumene in der Wissenschaft kann offenzulegen helfen, wo Selbstprofilierungen und Selbstüberhöhung im Gottesdienst dem Auftrag christlicher Kirchen entgegenstehen. ... Liturgiewissenschaft, die ökumenisch versiert ist, muss deshalb immer auch ein gutes Stück Kirchenkritik leben."

Damit, wie das aussehen soll, hält der kirchenpolitische Aktivist Kranemann denn auch nicht hinter dem Berg:

Es gibt mittlerweile Gegenden in Deutschland, in denen sich aufgrund der Zahlen von Christen vor Ort die Frage stellt, ob und wann ökumenische Liturgie der Regelfall sein muss, wenn man nicht ganz auf christliches Leben in Gemeinschaft vor Ort verzichten möchte." Es werde über die Frage eines gemeinsamen Abendmahls hinaus weitere Forderungen und Notwendigkeiten geben, über Ökumene in unterschiedlichen Liturgien nachzudenken.

In einem Satz und ohne Schnörkel: Die derzeit bereits vielfach praktizierte, aber doch zumindest in theologischer Sicht mit dem Makel einer gewissen Unvollkommenheit behaftete priesterlose „Wort-Gottes-Feier soll“ von der Ausnahme zum Normalfall, ja sogar zum Idealfall werden. Das nicht allein aus ökumenischer Notwendigkeit, sondern auch im Zeichen des Kampfes gegen den Mißbrauch. Wer wollte sich dem in den Weg stellen.

„Weitere Forderungen und Notwendigkeiten … über die Frage eines gemeinsamen Abendmahls hinaus“. Alles steht zur Disposition, alles ist möglich – zumindest solange es basisdemokratisch legitimiert und nicht durch patriarchale und hierarchische Strukturen kontaminiert ist. Das hl. Messopfer, wie es die Kirche zwei Jahrtausende lang gefeiert und noch das letzte Konzil als Quelle und Gipfelpunkt des kirchlichen Lebens bezeichnet hat, kommt nicht mehr vor. Die Institution des Priestertums ist als „toxisch“ erkannt; nicht mehr Christus, sondern die Gemeinde spendet sich die Sakramente – oder das, was ihr dazu genehm ist. Doch eine Kirche ohne Sakramente wäre keine Kirche mehr, sondern - bestenfalls - ein therapeutischer Verein.

Den deutschen Bischöfen scheint das genug zu sein. Nicht allen vielleicht - aber solange alle sich durch welche Erpressung auch immer (etwa Verleumdung als Spalter oder Ausschluß aus dem Kreis der Kirchensteuerempfangsberechtigten) von lauten Widerspruch abschrecken lassen, spielt das keine Rolle. Nur den Mund zu halten, vornehmer gesagt: sich der Stimme zu enthalten, reicht nicht.

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