Eiserne Reserve des Glaubens
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- 17. Juni 2019
Die Vollversammlung der US-amerikanischen Bischofskonferenz hat auf ihrer soeben beendeten Vollversammlung mit 194 gegen 8 Stimmen bei 3 Enthaltungen beschlossen, die von Papst Franziskus dekretierte Ächtung der Todesstrafe in die amerikanische Version des Kastechismus aufzunehmen. Ihre deutschen Amtsbrüder dürften demnächst folgen – wenn ihnen der Katechismus überhaupt wichtig genug ist, eine Änderung vorzunehmen.
Vor jeder Behandlung der hier angesprochenen Frage eines vorweg: Kein Katholik ist dazu verpflichtet, die Todesstrafe zu befürworten, weil die Kirche sie immer für zulässig und in bestimmten Fällen der Vergangenheit auch für geboten erklärt hat. Die Päpste der letzten Pontifikate sind dem „Wertewandel“ in den westlichen Gesellschaften insoweit entgegen gekommen, als sie die Todesstrafe als „ultima Ratio“ betrachteten, die nur in besonders begründbaren Ausnahmefällen verhängt und vollstreckt werden solle. Damit sind sie modernen Befindlichkeiten ein Stück weit entgegen gekommen, ohne sich in Widerspruch zu einer fast zweitausendjährigen Lehre der Kirche zu stellen – im Gegensatz zu Franziskus, dessen explizites Ziel die Änderung, ja sogar die völlige Umkehrung einer traditionellen Lehre der Kirche ist. Was bisher als begründet und Gottes Willen entsprechend galt, soll nun unzulässig sein.
Dieser beispiellose Akt der Willkür ist unter zwei Aspekten abzulehnen. Der eine betrifft die Form und den Modus des Vorgehens. Der Katechismus schafft keine Wahrheit, sondern er faßt zusammen, was die Kirche immer und überall als Wahrheit gewusst und gelehrt hat. Den Katechismus gegen die Tradition zu ändern und als Instrument einer angeblichen Reform oder Modernisierung einzusetzen, ist nicht nur ein Mißverständnis hinsichtlich des Wesens des Katechismus, sondern ein übler Mißbrauch der päpstlichen Machtstellung zur Durchsetzung persönlicher und gegen den Glauben gerichteter Ziele.
Denn das ist der zweite Aspekt: Die Lehre der Kirche zur Zulässigkeit der Todesstrafegründet gründet nicht allein in der Tradition, sondern in zahlreichen Zeugnissen der heiligen Schrift – bis hin zu Jesu Aussage vor Pilatus, mit der er zwar nicht die Rechtmäßigkeit des gegen ihn verhängten Todesurteils anerkennt, wohl aber das Recht des Staates, solche Urteile zu verhängen: „Du hättest keine Macht über mich, wenn sie dir nicht von oben verliehen worden wäre“. Inwieweit der „moderne Staat“, der keinen Gott über sich duldet und jedes „oben“ bekämpft, damit das Recht verwirken könnte, diese Macht auszuüben, wäre gesondert zu überlegen und hat mit der Frage der prinzipiellen Zulässigkeit der Todesstrafe nichts zu tun.
Zu diesen beiden Grundaspekten Inhalt der Änderung und Form ihrer Propagierung kommen eine Fülle kirchenpolitischer Nebenaspekte, von Peter Kwasniewski treffend zusammengefasst in einem Vortrag, der jetzt unter dem Titel „What Good is a Changing Catechism? Revisiting the Purpose and Limits of a Book“ auf Rorate Cæli veröffentlicht worden ist. Ein Katechismus, der gegen die Tradition und ohne jeden Rekurs auf Schrift und Tradition geändert werden kann – einziger „Beleg“ für die aktuelle Neuerung ist ein Hinweis auf eine Rede von Franziskus selbst – ist zu wenig zu gebrauchen. Er ist nicht Leitschnur in unruhigen Verhältnissen, sondern bestenfalls deren Spiegelbild. Ein Katechismus, der heute so und morgen anders sagt, ist keiner.
Diese Kritik führt Kwasniewski dazu, auch in einigen (glücklicherweise wenigen) anderen Passagen des Katechismus von 1992 Formulierungen festzustellen, in denen die überlieferte Lehre der Kirche aus Zeitgeist-Rücksichten eher verschleiert als erklärt wird – etwa hinsichtlich der Natur der katholischen Ehe oder der Bewertung homosexueller Neigungen.
Kwasniewski zieht daraus den Schluß, den „Katechismus der Katholischen Kirche“ künftig weniger als eine Einzelausgabe mit Herausgeber, Verlag und Veröffentlichungsjahr zu betrachten, sondern als eine Art Institution, in der spätestens seit dem Katechismus des hl. Petrus Canisius (1555), dem Katechismus von Trient (1566) und dem Katechismus des hl. Robert Bellarmin (1614) das zusammengefasst ist, was die Kirche immer und überall gelehrt hat und gegen die Angriffe von Irrlehrern und „Reformatoren“ verteidigte. Für den englischen Sprachraum empfiehlt der den Gläubigen als „eiserne Reserve“ den Baltimore Catechism von 1885. Für deutsche Leser wäre das Gegenstück der Große Katholische Katechismus von Joseph Deharbe (1853) und für den Unterricht den „Grünen Katechismus“ (die Lizenzausgabe des Benno-Verlags war rot) der deutschen Bischöfe von 1955. Der eher für Theologen geschriebene KKK von 1992 behält trotz einiger „wackliger“ Stellen weiterhin seinen Wert, lesbarer ist das ihn zusammenfassende „Kompendium des Katechismus der Katholischen Kirche“ von 2005.
Diese Ausgaben sollte man sich sichern, bevor es demnächst mit „aktualisierten Neuauflagen“ losgeht. Die nach 1965 von den deutschen Bischöfen herausgebrachten Veröffentlichungen mit „Katechismus“ im Titel sind generell eher zweifelhaft und für die Aufnahme in die „eiserne Reserve“ nicht zu empfehlen.